Menschenrechte und Völkerrecht

 

Aus aktuellen Anlässen einige Bemerkungen zum Verhältnis von

Menschenrechten und Völkerrecht

 

von Professor Dr. Buchholz

 

 

In der jüngsten Zeit werden  die Bürger auch dieses Landes mit zahlreichen Meldungen über Unmenschlichkeiten, so in Syrien,im Iran und anderswo

überschüttet.

Muss man da nicht eingreifen und die Opfer vor solchen Verbrechen gegen die Menschlichkeit schützen? fragen sich nicht wenige.

 

Natürlich ist es gut, wenn Bürger auch dieses Landes nicht einfach wegschauen.

 

Aber was kann und darf wer tun?

 

         Wenn sich in der Öffentlichkeit junge Männer in ihrem Streit lebensgefährlich verletzen, sollte da nicht eingegriffen werden?

 

         Vorsicht!

         Ohne den Anlass und Grund der körperlichen Auseinandersetzung zu kennen, kann es gefährlich werden. Denn der Helfer und Eingreifer "hilft" vielleicht der falschen Seite!!

 

 

Ich bin Jurist und kann und will mich zu der eingangs gestellten Frage nur juristisch äussern.

 

 

Wie ich auch bereits an anderer Stelle ausführte, gibt es keine Menschenrechtsverletzungen an sich, so wie es auch nicht „die Kriminalität“ gibt.

 

Denn sowohl Menschenrechtsverletzungen - wie auch Kriminalität – existieren nur in jeweils ganz konkreten, in Gesetzen (z. B. in  Strafgesetzen)  oder anderen rechtsverbindlichen Regelungen, so in Völkerrechtlichen Abkommen, also in klar definierten Formen.

 

Daher beziehen sich auch Verletzungen von Menschenrechten stets auf bestimmte, namentlich völkerrechtlich definierte, Tatbestände.

 

Die betreffenden Politiker hätten also - anstelle moralisierender Vokabeln namhaft machen müssen, welche bestimmten Menschenrechte sie bei den betreffenden Staaten verletzt sehen, die ihnen politisch "unsypathisch" sind, so derzeit Rußland.

 

Solches wagten sie indessen meist nicht!

 

Ihnen genügte – oft nur für die eigene Öffentlichkeit! -,  dass sie dem anderen Staat „Menschenrechtsverletzungen“ vorwarfen!

 

Durch solchen Missbrauch einer wichtigen Beurteilung der Verletzung wichtiger Rechte, namentlich von Menschenrechten, wird die Vokabel „Menschenrechtsverletzungen“ zu einem bloßen Schimpfwort!

 

Die betreffenden Politiker entwerten ihre Äußerungen selbst![1]

 

 

Aber zur Sache:

Menschenrechte und Völkerrecht

 

 

Um auf die eingangs aufgeworfene Frage sachgerecht zu antworten, muss man sich zunächst des Charakters von Menschenrechten - im  juristischen Sinne - bewusst werden.

 

Zunächst sei daran erinnert, dass erst das moderne, neuzeitliche Völkerrecht den juristischen Begriff "Menschenrehte" zu verankern vermochte.

 

Im Ergebnis des Sieges über den Hitlerfaschismus, einem extrem verbrecherischem und menschenrechtsfeindlichem System, wurde am 10. Dezember 1948 von der UN-Vollversammlung eine "Allgemeine Deklaration der Menschenrechte"

verabschiedet.

Sie beruht auf der "Charta der Vereinten Nationen"[2] mit der Betonung der Menschenrechte in ihrer Präambel vom 24. Oktober 1945.

In diesem Sinne und  mit dieser Zielsetzung wurde die vorgenannte Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die sowohl die traditionellen  politischen und Bürgerrechte als auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte umschliesst, am 10. Dezember 1948 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet.

 

Dieses Datum gilt seither als „Internationaler Tag der Menschenrechte“.

 

Um die weltpolitische historische Bedeutung dieser "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" und deren Geist in Erinnerung zu rufen und bewusst zu machen, ist es geboten, einige Stellen daraus, vor allem aus der Präambel, zu zitieren:

        

         "Da die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnende Würde und ihrer gleichen unveräusserlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet, da Verkennung und Missachgtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei führten, die das Gewissen der Menschheit tief verletzt haben, und da die Schaffung einer Welt, in der den Menschen, frei von Furcht und Not,  Rede- und Glaubensfreiheit zuteil wird, als das höchste Bestreben der Menschheit verkündet worden ist, ..."

        

 

         haben die Vereinten Nationen dieses Beknntnis in die folgenden Artikel gefasst:

                  

                   Art. 1 "Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten geboren."

 

         Der Leser vergleiche diese von Menschlichkeit, Antifaschismus und Friedensliebe getragene Diktion des Jahres 1948 mit den späteren auf      Weltherrschaft ausgerichteten Absichten und Denkweisen          imperialistischer NATO - Mächt, so vor allem der USA, die den edlen Zielen der Vereinten Nationen ins Gesicht schlagen!

 

Bevor wir näher die Umsetzung dieser juristisch noch unverbindlichen Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in völkerrechtlich verbindliches Recht und den dabei zu vollziehenden komplizierten Prozess untersuchen, muss ich als Jurist auf das nicht so einfache Verhältnis von Völkerrecht und Menschenrechten, ja auf das Phänomen "Recht" überhaupt, eingehen.

           

Heutzutage[3] stellt sich das - juristische - Recht[4]  - als ein Attribut des Staates dar. Nicht zuletzt spricht man oft von Staat und Recht oder von Rechtsstaaten.

 

Der Staat, der uns formell als eine Staatsgewalt auf seinem Staatsgebiet gegenüber den ihm unterworfenen Staatsbürgern begegnet, erlässt das (geschriebene, gesetzte) Recht (Gesetzgebung - Legislative) durch betreffende gesetzgebende Ortgane, vornehmlich die Parlamente: seine Exekutive ist an diese Gesetze ebenso gebunden wie die (in ihrer Rechtsprechung) unabhängigen Gerichte (Judikative). Die Bürger sind diesen Gesetzen  unterworfen.

Im übrigen besteht das (juristische) Recht, namentlich in seinen Verhaltensvorschriften, - aus Sollvorschriften.[5]

 

Im Völkerrecht ist es völlig anders.

 

         Es gibt auf dieser Erde keine supranationale Staatsgewalt, die Recht setzen und für alle Menschen geltende Gesetze erlassen könnte, um alle einzelnen Staaten und deren Bürger an diese zu binden, ja sie ihnen zu unterwerfen.[6]

 

Im Völkerrecht gilt und herrscht das Vertragsrecht, ein auf Verabredung, Vereinbarung oder auf Pakten zwischen den Staaten beruhendes Recht.

 

Dabei sind die Staaten - ganz allgemein und grundsätzlich  - das maßgebliche Rechtssubjek, das (originäre[7]) Völkerrehctssubjekt überhaupt.

 

 

Indessen ist mit der faktischen Bildung eines (neuen) Staatswesens - sei es im Gefolge der Befreiung vom Kolonialismus oder im Ergebnis von Revolutionen oder der Sezession (Abtrennung von Teilgebieten eines Staates) - noch keine Völkerrechtssubjektivität gegeben.

 

         Im  innerstaatlichen, von einem Gesetzgeber erlassenen Recht folgt die Rechtssubjektivität aus diesem innerstaatlichen Recht:

          

                   Nach § 1 BGB beginnt die Rechtsfähigkeit eines Menschen, einer "natürlichen Person", die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. mit der Vollendung seiner Geburt.[8]

Anders im Völkerrecht:

Zu einem Völkerrehtsubjekt wird ein (wie auch immer faktisch entstandener) Staat erst durch eine - vertragsähnliche - Anerkennung durch andere Staaten, namnentlich hinreichend bedeutsamer Staaten.

 

         Als wir in Ostdeutschland am 7. Oktober 1949 - in einer ernsten Notstandssituation[9] - unsere Deutsche Demokratische Republik   gründeten, war sie zwar faktisch ein Staat mit Staatsgewalt, einem       definierten Staatsgebiet in Gestalt des Territoriums der ostdeutschen Länder und einem demgemässen Staatsvolk. [10]

 

Sie war damit aber noch kein anerkanntes Völkerrechtssubjekt.

 

Die DDR wurde dadurch unverzüglich ein Völkerrechtssubjekt, als die Sowjetunion und auch andere ehemals sozialistische Staaten sie als Staat und damit als Völkerrechtssubjekt anerkannten.[11]

 

Zur Herbeiführung der Völkerrechtssubjektivität der DDR bedurfte es einer Anerkennung durch westliche Staaten nicht.

 

Das wurde 1966 - rückwirkend - überdeutlich, als die beiden deutschen Staaten,  uno actu (mit einer Abstimmung) in die UNO als Vollmitglieder dieser weltumspannenden Staatengemeinschaft aufgenommen wurden.

Denn nur Staaten mit Völkerrechtssubjektivität können (bzw. konnten) Vollmitglieder der UNO werden.

 

Also Völkerrecht, und zwar jede Völkerrecht, ent- und besteht durch entsprechende Abkommen von Staaten.

 

Ohne politische Willensäusserung von Staaten (als maßgeblichen Völkerrechtssubjekten) in völkerrechtsgemäßer Form gibt es auch keine

rechtlich geregelte Menschenrechte, an denen Verletzungen von Menschenrechten gemessen werden können.

 

Weiter:

 

Eingreifen in folgenreiche blutige Auseinandersetzungen, wie uns in jüngerer Zeit durch die Medien beschrieben werden, setzen - damit es keine willkürlichen kriegsähnliche Aktionen werden - einen Rechtsgrund voraus.

 

Es gehört zu den Errungrngenschaften des modernen Völkerrechts, dass Kriege nur geführt wrden dürfen, wenn es dafür einen Rechtsgrund gibt.

 

Daher sind Angriffskriege verboten.

 

In diesem Sinne verbietet zu Recht Art. 26 GG Angriffskriege und ihre Vorbereitung; in §§ 80 und 80a des Strafgesetzbuches (StGB)  ist solches zu Recht unter Strafe gestellt.

 

Völkerrechtlich erlaubt sind nur auf Verteidigung (des eigenen Landes) gerichtete Kreisghandlungen: Verteidigungkriege.

 

Die BRD - mitten im "Europa des Friedens" gelegen - wird unbestritten nicht durch Angriffskriege anderer Staaten bedroht. Und die Mitgliedschaft in der NATO legitimiert keine Kriegshandlungen der Streitkräfte der BRD anderswo. Denn es wären keine militärischen Verteidigungshandlungen.

 

Möglicherweise könnte der Einsatz on Teilen der Streitkräfte der BRD legitim, rechtmäßig sein, wenn ein durch andere Staaten bedrohter Staat in seinem rechtmäßigen Verteidigungskrieg um militärische Unterstützung der BRD ersucht hätte[12]. Davon ist nicht die Rede.

 

Ich sehe somit keinen Rechtsgrund für militärische Aktivitäten der Streitkräfte der BRD - oder auch nur von Teilen dieser - im Ausland.

 



[1] Meine folgenden Ausführungen werden den Leser zu der Erkenntis gelangen lassen, dass es jenen Politikern - nach ihrem koupiertm Verständnis von Menschenrechten gar nicht um die Menschenrechte ging und geht, sondern nur um solche, die nach dem Grundgesetz (GG) zu den politischen Grundrechten gehören. Jedenfalls bleiben die für die überwiegende Mehrheit der Erdenbewohner viel wichtigeren wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte ausserhalb ihres verkürzten Menschenrechtsverständnisses.

[2] Diese "Vereinten Nationen" (UN) wurde als Reaktion auf den Hitlerfaschismus geschaffen, nachdem die zuvor im Ergebnis des ersten Weltkrieges gegründete Organisation, der "Völkerbund", die in ihn gesetzten Erwartungen und Hoffnungen, so die Verhinderung von Kriegen und dann vor allem der Verbrechen des Hitkerfaschismus mit seinen völkerrechtswidrigen militärischen Einmärschen in fremde Staaten, also mit Aggressionsverbechen, nicht erfüllt hatte.

[3] Ich sspreche ausdrücklich nicht von "Naturrecht" oder "Gewohnheitsrecht" und auch nicht von sozialen Regeln der vorstaatlichen Urgemeinschaft..

[4] Nur von diesem rede ich und nicht von vulgären Allgemeinplätzen über Recht und Gerechtigkeit

[5] So wie es in der Bibel heisst "Du sollst nicht...", sind auch Rechtsvorschriften keine Aussagen über Realitäten. Sie schreiben "nur" vor, was man tun oder lassen soll (bzw. darf)...

[6] Soweit einzelne Staaten. wie die USA oder die BRD, "Bundesstaaten" sind, die aus Ländern oder "Teilstaaten" bestehen, ist dies nur eine Frage der innerstaatlichen Staatsorganisation.

[7] Wenn Staaten miteinander einen Pakt abschliessen, z. B. über die Schaffung der UNO, entsteht  ein weiteres abgeleitetes Völkerrechtssubjekt, eben die UNO.

[8] Auf die Begründung der Rechtsfähigkeit bzw. der Rechtssubjektivität von

juristischen Personen, wie Vereinen, Wirtschaftsverbändden u.s.w. muss hier nicht   eingegangen werden. d

[9] Nach der wie auch immer auf Befehl der drei westlichen Zonenbefehlshaber erfolgten Kreierung der BRD - als potentieller NATO-Srtaat inmitten Europas - zu dem Zweck der "Befreiung der Soffetzone" war die Gründung der DDR als Staat eine durch staatsrechtliche Notwehr gebotene rechtmäßige Vertedigungsmaßanahme.  Näheres dazu in meiner demnächst erscheeinenden Publikation "Wie kam es zur Gründung der DDR?"

[10]  Auf die Besonderheiten der staatsrechtlichen Stellung Berlins kann in diesem Rahmen nicht eingegangen werden.

[11] Daran ist zu erkennen, wie sehr das Völkerrecht etwas Politsches - im guten wie im schlechten Sinne - ist.

[12] Dass es dazu einer Entscheidung des Bundestages bedürfte, liegt auf der Hand.