Kapitalismus :
Hat der Kapitalismus eine Zukunft ?
Der Saker interviewt Michael Hudson
Liebe Freunde,
ich empfinde es als Privileg und
Ehre, euch mein Interview mit Michael Hudson zur Verfügung zu stellen, den ich
für einen der besten Ökonomen im Westen halte.
Der Saker
Saker: Wir hören, die Ukraine wird den Bankrott
erklären müssen, aber dass es vermutlich ein „technischer“ Bankrott wird, im
Gegensatz zu einem offiziellen. Einige sagen, die Entscheidung der Rada, die
Jazenjuk erlaubt, zu entscheiden, welcher Gläubiger bedient wird, sei bereits
ein solcher „technischer“ Bankrott. Gibt es so etwas wie einen „technischen“
Bankrott, und, falls ja, was unterscheidet ihn von einem „regulären“ Bankrott,
was die Konsequenzen für die Ukraine angeht?
Michael Hudson: Ein Bankrott ist ein Bankrott. Der versuchte
Euphemismus eines „technischen“ Bankrotts tauchte auf den G8-Treffen 2012 in Bezug
auf die griechischen Schulden auf. Geithner und Obama drängten den IWF und die
EZB schamlos, Griechenland „freizukaufen“, schlicht, damit es die Gläubiger
bezahlen konnte, weil die US-Banken Kreditausfallversicherungen (CDS) gegen die
Griechischen Staatspapiere ausgegeben hatten und vor einem großen Verlust
standen, wäre ein Bankrott eingetreten. Die EZB schlug vor, diese Pleite aus
eine „freiwillige Neuverhandlung“ zu beschönigen und die Banken und andere
Inhaber der Papiere zu bitten, einer Abschreibung der Schuld zuzustimmen.
Aber gemäss der Internationalen
Organisation der Anleihebesitzer – der International Swaps and Derivatives
Association (ISDA) – können Kreditausfälle ausgelöst werden, wenn zwischen
„einer Regierungsbehörde und einer ausreichenden Zahl von Inhabern solcher
Obligationen, dass alle Inhaber gebunden werden“, einer Restrukturierung der
Schuld zugestimmt wird, die verpflichtend ist. Gemäss der Definition der ISDA:
„Die aufgelisteten Ereignisse sind: eine Verringerung in der Zinsrate oder der
Summe der Hauptschuld (was einen „Haircut“ mit einschliessen würde); eine
Verzögerung in der Zahlung des Zinses oder der Tilgung (was eine Verlängerung
der Laufzeit einer fälligen Schuld mit einschliessen würde); Nachrangigkeit der
Obligation; und ein Wechsel der Währung, in der die Zahlung erfolgt, auf eine
Währung, die kein legales Zahlungsmittel in einem der G7-Länder oder in einem
mit AAA bewerteten OECD-Land ist.“(1)
Das klingt ziemlich klar. Wenn
die ISDA den Anleihetausch als „Kreditereignis“ bewertet, ermöglicht das den
Gläubigern, die Kreditausfallversicherung von ihren Vertragspartnern zu
kassieren. Es gibt wenig solche Versicherungen hier, aber die Inhaber der
Anleihen können dann Regierungsbesitz im Ausland beschlagnahmen. Das ist es, was
der Geierfonds von Paul Singer mit Argentinien gemacht hat, wodurch neues
internationales Recht geschrieben wurde, das auch für die Ukraine gültig ist.
Unter dem Londoner Schuldrecht
(wo die Schulden der Ukraine bei Russland registriert sind) würde das Parlament
die Ukraine zum hochverschuldeten armen Land (HIPC) erklären müssen (wie die
afrikanischen Länder, hinter denen Singer her ist), um das Verhalten der
Gläubiger zu blockieren. Ich kann nicht sehen, wie das Parlament das bezogen
auf die Ukraine tut, da ihre Armut durch den Krieg selbst verschuldet ist.
Wenn der IWF behaupten würde, der
russische Kredit von 3 Milliarden Dollar wäre nicht offiziell, würde das
internationales Recht neu schreiben und bedeuten, dass Darlehen aus dem
Staatsvermögensfond eines jeglichen Landes (OPEC, Norwegen, China etc.) keinen
internationalen Schutz besitzen. Solch ein doppelter Standard würde den
Weltmarkt der Schuldverschreibungen entlang der Linie des neuen Kalten Krieges
zerbrechen – wobei der finanzielle Krieg dann an die Stelle des militärischen
tritt. Ich glaube nicht, dass die Welt für diese „nukleare“ Finanzoption bereit
ist.
Saker: Die Rada hat ebenfalls ein Gesetz
verabschiedet, das es der Regierung erlaubt, russische Anlagegüter in der
Ukraine zu beschlagnahmen. Ich bin mir nicht sicher, ob es dabei um Vermögen
des russischen Staates oder das russischer Unternehmen oder Privatpersonen
geht. Was wären die wirtschaftlichen und juristischen Konsequenzen einer
solchen Beschlagnahme von Vermögen, wenn die Regierung diesen Plan weiter
verfolgt? Könnte Russland entsprechende Gegenmaßnahmen gegen die Ukraine
ergreifen oder sich an ein internationales Gericht wenden?
Michael Hudson: Dieser Schritt wäre so radikal, dass er die Grenzen
des Zivilrechts überschreitet. Wenn die Ukraine das tut, während sie immer noch
Geld vom IWF, aus den USA und Canada erhält, würden ihre Geldgeber
verantwortlich sein. Moralisch auf jeden Fall. Die Frage ist, wie ist das vor
Gericht? Es stimmt, dass Israel eine solche ethnische Ausnahme bei den Arabern
macht – aber will die Ukraine das als juristische Rechtfertigung heranziehen?
Als Kuba oder andere
lateinamerikanische Länder versuchten, US-Investitionen zu ihrem Buchwert
freizukaufen, bestand das Ergebnis immer in einem versuchten Militärputsch. Das
wäre ein kriegerischer Akt. Russland könnte natürlich Reparationen verlangen –
aber von wem? Könnte es westliches Vermögen aus Ländern beschlagnahmen, die die
Kiewer Junta stützen? Könnte es damit antworten, dass es deutschen und
französischen Besitz verstaatlicht und amüsiert den darauf folgenden Aufschrei
betrachtet?
Der Saker: Die ukrainische Regierung hat einige
Verrenkungen gemacht, um so viele wirtschaftliche Verbindungen als möglich mit
Russland zu durchtrennen. Der Donbass wurde bombardiert und völlig entfremdet,
auch alle Rüstungsverträge mit Russland wurden aufgehoben, russische
Unternehmen sind von Ausschreibungen in der Ukraine ausgeschlossen, Russland
wurde zum „aggressiven Land“ erklärt usw. Das bedeutet, auf absehbare Zeit will
die Ukraine 100% vom Westen abhängig sein. Glauben Sie, dass der Westen
(USA+EU+IWF+WB etc.) den Willen und die Mittel hat, der Ukraine weiter Geld zu
leihen oder das Regime, das jetzt an der Macht ist, zu unterstützen? Kann die
US-Regierung einfach Dollars drucken und sie an Poroschenko schicken, oder gibt
es materielle Grenzen dafür, wieviel der Westen zur Unterstützung des jetzigen
Regimes tun kann? Was wird mit der Ukraine passieren, wenn der Westen sie nicht
unterstützen kann, wie schlimm wird Ihrer Erwartung nach die wirtschaftliche
Krise werden?
Michael Hudson: Der „Westen“ ist nicht im Wohltätigkeitsgeschäft.
Seine Unternehmen wollen kein Geld verlieren, und die EU-Verfassung verbietet
es der EZB und den europäischen Steuerzahlern, fremde Regierungen zu finanzieren.
Sie kaufen Staatsanleihen nur von Banken – und wenige Banken halten ukrainische
Anleihen!
Künftige ukrainische Regierungen
könnten die wirtschaftlichen Transaktionen der Junta ebenso zurückweisenn, wie
die Alliierten 1947/48 die internen Schulden in Deutschland in der
Währungsreform für nichtig erklärt haben – mit der Rechtfertigung, die meisten
Schulden bestünden ehemaligen Nazis gegenüber. Die heutige ukrainische
Kleptokratie ist kein sehr sicherer Schirm, um Privatisierungsausverkäufe und
andere wirtschaftliche Vorgänge mit dem Westen zu fördern, trotz der Hoffnungen
des Herrn Soros, ihr Land und ihre Infrastruktur zu erwerben. Selbst die
Schulden der Ukraine gegenüber dem IWF und anderen internationalen
Institutionen könnten als „illegitime Schulden“ für nichtig erklärt werden,
weil sie einen Krieg der Regierung gegen die eigene Bevölkerung finanzierten.
Saker: Es wird allgemein akzeptiert, dass die
Rezession in der russischen Wirtschaft wenig mit den Sanktionen zu tun hat, die
ihm gegenüber verhängt wurden, und überwiegend die Folge des sinkenden
Ölpreises sind. Glauben Sie, es war ein Zufall, oder haben sich die USA und die
Saudis miteinander verschworen, um den Ölpreis zum Fallen zu bringen, wie das
Ende der 1980er geschah, um die Sowjetunion zu zerschlagen? Wohin, glauben Sie,
wird sich der Ölpreis in näherer bis mittlerer Zukunft entwickeln, und glauben
Sie, dass der Rubel wieder steigen wird?
Michael Hudson: Ich glaube nicht, dass der Fall des Ölpreises eine
Verschwörung war, um der Sowjetunion zu schaden. Viele Modelle haben die Rolle
finanzieller Spekulation beim Anstieg der Ölpreise gezeigt (und des Preises
anderer Mineralien, da sich die Spekulanten den Rohstoffen zuwandten, um mit
ihnen das zu tun, was sie jahrelang mit Aktien und Anleihen getan hatten). Die
Saudis haben ihre eigenen Ziele, versuchen, ausländische Konkurrenz zu
vernichten, einschliesslich des Schieferöls.
Ich sehe nicht, dass der Ölpreis
bedeutend steigt, denn die europäische Wirtschaft wird in eine Todeszone
verwandelt, und die Schulddeflation lässt die US-Wirtschaft ebenfalls
schrumpfen.
Damit der Rubel wieder steigt,
müsste sich Russland re-industrialisieren. Die neoliberale Revolution nach 1991
hatte tatsächlich das Ziel, die post-sowjetische Industrie zu zerschlagen, ihre
Wurzeln auszureissen. Funktionäre von US-AID und des Harvard Institute for
International Development haben russische Unternehmen aufgekauft, die eine
mögliche militärische Schlüsselrolle spielten, und sie zerlegt.
Um wieder zu industrialisieren,
muss Russland seine Lebenshaltungskosten senken, allen voran die Wohnkosten. Es
muss das tun, was die Vereinigten Staaten tatsächlich taten, um ihre Industrie
und ihre Landwirtschaft zu stützen: massive öffentliche Förderung durch die
Übernahme „externer“ Kosten, den Ausbau der Landwirtschaft und der
Forschungseinrichtungen gewährleisten, Preise stützen etc.
Vielleicht kann Putin die
führenden Oligarchen überzeugen, die „Leiter hochzuziehen“. Sie können ihren
Reichtum behalten, aber werden einer wirtschaftlichen Ertragssteuer zustimmen,
um kostenlose Geschenke und unverdientes Einkommen daran zu hindern, die
russische Wirtschaft zu belasten. Das wird den Unternehmen, die von
ausländischen Investoren gekauft wurden, schwer fallen, weil der Abfluss der
Dividenden beendet wird.
Saker: Die schmerzhafteste Sanktion gegen Russland war
die Verweigerung von Krediten für russische Unternehmen. Könnten die Russen
schlicht anfangen, Geld von, sagen wir, chinesischen Banken zu leihen, oder
gibt es objektive Gründe, die Russland davon abhalten? Ist Russland von
westlichen Banken abhängig, und falls ja, wie lange? Könnte Russland sich aus
den westlichen Märkten zurückziehen und entscheiden, sich stattdessen Asien,
Lateinamerika und Afrika zuzuwenden?
Michael Hudson: Russland muss sich
offensichtlich selbst völlig von westlichen Banken befreien. Wichtiger noch, es
braucht ihren Kredit nicht. (Man sehe, wie China seine Wirtschaft ohne
ausländischen Kredit aufgebaut hat!) Russland braucht eine wirkliche
Zentralbank, um die Regierungsdefizite zu finanzieren, und eine öffentliche
Bank, um Kredite zu günstigen Bedingungen auszureichen. Die Regierung kann auf
ihren Tastaturen genauso gut Kredit erzeugen wie das die kommerziellen Banken
tun. So hat die Sowjetunion schließlich viele Jahrzehnte lang funktioniert.
Es gibt keinerlei Notwendigkeit,
dass eine westliche oder russische Banken die Defizite des öffentlichen Budgets
finanzieren. Es gibt eine Menge moderner monetaristischer Theoretiker, die
erklären können, wie Russland das machen könnte. Das ist der einzige Weg, die
Kosten dafür, Geschäfte zu betreiben, zu minimieren.
Wenn finanzielle Ansprüche aus
dem privatwirtschaftlichen Bereich (westlich, BRICS oder selbst russisch) in
die Lebenshaltungskosten und die Kosten für Geschäfte einfliessen, wird es für
Russland schwierig, wettbewerbsfähig zu sein. Es muss das tun, was die USA,
Deutschland und China getan haben. Geschichtlich war jede erfolgreiche
Volkswirtschaft eine gemischte. Stattdessen ist Russland vom einen Extrem ins
andere geschwungen – von einer staatszentrierten Wirtschaft zu einer extremen
Ayn Rand/Hayek/ Chicagoer Schule-Wirtschaft 1991, mit katastrophalen
Konsequenzen – als gäbe es keine Kenntnis der westlichen Finanzgeschichte,
oder, was das betrifft, den dritten Band des Kapitals und die Mehrwerttheorie.
Die wirkungsvollste Antwort wäre eine proaktive Schaffung von Kredit um die
Reindustrialisierung und die Modernisierung der Landwirtschaft zu fördern.
Saker: Wie bewerten Sie die Leistung der russischen
Zentralbank bezogen auf die Kombination aus fallendem Ölpreis und
US-/EU-Sanktionen. Viele, ich selbst eingeschlossen, waren sehr kritisch, was
die ergriffenen Maßnahmen anging, aber Russland ist es wesentlich besser
ergangen als erwartet, und einige sagen sogar eine Rückkehr des Wachstums am
Jahresende voraus. Haben Elvira Nabiullina und ihre Kollegen die richtige
Entscheidung getroffen, als sie den Rubel frei schwanken liessen?
Michael Hudson: Russland liess
den Rubel schwanken, weil die Alternative darin bestanden hätten, dass sich
ausländische Spekulanten im Stil von Soros verbünden und die Reserven der
russischen Zentralbank in einem finanziellen Pokerspiel plündern. Ausländische
Banken hätten genug Kredit geschaffen, um in ungedeckten Leerverkäufen
einzusteigen, um die Märkte zu manipulieren und zu einem tödlichen Schlag zu
kommen. Russland ist in diesem Spiel nicht erfahren, teilweise, weil Russlands
Bankfunktionäre der Gehirnwäsche des Neoliberalismus unterliegen, ohne zu
begreifen, dass er antisozialistisch, gegen die Arbeitenden, für die Banken und
für die Rentiers arbeitet.
Saker: unter den unterschiedlichen Vorschlägen, die in
Russland zirkulierten, wurden zwei besonders stark unterstützt: die
Verstaatlichung der „unabhängigen“ Zentralbank und ihre Unterordnung unter die
russische Regierung, und die Schaffung eines vollkovertiblen Rubel, der durch
russisches Gold gedeckt wird (einige schlagen eine Deckung des Rubels durch
„Energie“, also Öl und Gas, vor). Was halten Sie von diesen Vorschlägen?
Michael Hudson: Eine „unabhängige“
Zentralbank (so wie die Europäische Zentralbank) ist eine, die von
Geschäftsbankern kontrolliert wird, die Regierungen davon abhält, ihre eigenen
Ausgaben zu finanzieren und sie – und die gesamte Wirtschaft – verpflichtet,
sich auf den Kredit privater, Zins fordernder, kommerzieller Banken zu
verlassen.
Russland braucht eine
Zentralbank, die den Zielen der Regierung dient – die Wirtschaft zu
reindustrialisieren, und sie ohne den schweren finanziellen Overhead wieder
aufzubauen, der die Wohnkosten, Infrastrukturkosten, Ausbildungskosten und die
Lebenshaltungskosten im Westen aufgebläht hat.
Gold kann tatsächlich ein Teil
dieses Systems sein – um internationale Zahlungsungleichgewichte beizulegen,
nicht, um eine heimische Währung zu decken. In den 1960ern wurde klar, dass
kein Land an einem Goldstandard festhalten kann und Krieg führen. Der Abfluss
von Gold war es, der zwang, den US-Dollar 1971 vom Gold zu lösen – als direkte
Folge der US Militärausgaben, die für das gesamte US-Zahlungsbilanzdefizit verantwortlich
waren.
Ohne Gold bewegten sich die
Zentralbanken der Welt hin zu US Staatsanleihen – von der Regierung ausgegebene
Schuldscheine, um das Budgetdefizit zu decken, das vor allem militärischen
Ursprungs war. Das hiess, dass die globalen Währungsreserven die
Militärausgaben der USA monetarisierten, um diese Länder einzukreisen und zu
destabilisieren, wenn sie versuchten, sich aus dem System zurückzuziehen (Darum
geht es in meinem Buch Super Imperialismus).
Der einfachste Weg, das
militärische Abenteurertum der USA zu stoppen, besteht darin, Gold wieder
einzusetzen und die Welt davon zu befreien, eine militarisierte
US-Staatsanleihe als ihre monetäre Basis zu nutzen.
Saker: Wenn Sie die ungeteilte Aufmerksamkeit und
Unterstützung von Wladimir Putin, Dmitri Medwedew, Anton Siluanow und Elvira
Nabiullina hätten – welchen Rat würden Sie ihnen geben?
Michael Hudson: Sie müssen sehen,
wie der neoliberale Rat, den HIID und Weltbank nach 1991 gegeben haben, die
Weltbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft verkrüppelt haben. Privatisierungen
erhöhen die Lebenshaltungskosten wie die Kosten für Unternehmen. Die USA,
Deutschland und andere erfolgreich industrialisierte Wirtschaften stiegen zur
Weltmacht empor, indem massive öffentliche Infrastrukturinvestitionen die Preise
der Grundbedürfnisse senkten: Gesundheitsversorgung, Ausbildung, Renten,
Transport, Kommunikation, Wasser, Energie und so weiter.
Ihre Ökonomen erklärten während
des 19. und 20. Jahrhunderts, wie Steuern, die auf wirtschaftliche Renten
erhoben werden – Grundrente, Rohstoffrente und Monopolrente (einschliesslich
der Finanzierungskosten der Banken) – die Preise nicht erhöhen, sondern aus der
wirtschaftlichen Rente entrichtet werden. Im Gegensatz dazu erhöhen Steuern auf
Arbeit und sogar auf nicht-monopolistische Profite die Lebenshaltungs – und
Geschäftsführungskosten. Russland wurde überredet, seine Rohstoffrenten und
Monopolrenten von Steuern zu befreien, um mehr für die Bankster übrigzulassen,
und, im Verlauf der Zeit, für den Erwerb durch US-amerikanische und europäische
Investoren – auf Kosten der russischen Steuereinnehmer.
Wenn die russischen Staatsführer
1990 die Bände II und III des Kapitals von Marx gelesen hätten, und seine
Überarbeitung der Mehrwerttheorie, dann hätten sie gesehen, wieviel von dem, was
die Kritiker des industriellen Kapitalismus loswerden wollten, Überreste des
Feudalismus waren.
Der fehlende Punkt in heutigen
wirtschaftlichen Reformen ist der, auf den sich die klassische
Wirtschaftstheorie konzentrierte, von den französischen Physiokraten über Adam
Smith, John Stuart Mill bis Marx und seinen Zeitgenossen: die industrielle
Wirtschaft von den Rentenüberresten des europäischen Feudalismus zu befreien.
Der Schwerpunkt der klassischen Theorie von Wert und Preis war es, die Ökonomie
von der wirtschaftlichen Rente zu befreien, die als unverdientes Einkommen
definiert wurde, das schlicht dem Privileg entspringt: die Grundrente nicht auf
dem Besitz lebender Eigentümer, Rente aus Rohstoffen und Mineralien,
Monopolrenten und Zins. Das Ziel sollte sein, Renten-erzielende Aktivitäten zu
verhindern – die als rein räuberische Transferzahlungen definiert wurden, eine
wirtschaftlich unproduktive Nullsummen-Aktivität.
Die klassische Arbeitstheorie des
Werts zielte darauf, solche Formen des Einkommens zu isolieren (Grundrente,
Monopolrente und Zins) die sozial unnötig waren und schlicht Erbstücke
vergangener Privilegien. Die Alternative auf halber Strecke bestand darin,
Grundrente und Monopolrente zu besteuern (Henry George u.a.). Die
sozialistische Alternative war, naturgegeben renten-erzeugende Sektoren in
öffentliches Eigentum zu überführen.
Europa tat das mit den
wichtigeren Teilen der öffentlichen Versorgung – Transport, Kommunikation,
Post, aber auch Ausbildung, öffentliche Gesundheit und Altersrenten. Die
Vereinigten Staaten privatisierten diese Sektoren, aber sie schufen
Kommissionen zur Regulierung, um die Preise an den Kosten zu orientieren. (Um
sicher zu sein, die regulatorische Ermittlung war immer ein Problem, besonders
im Fall der Eisenbahnkosten).
Saker: Russland und China haben einen Weg beschritten,
der meiner Meinung nach etwas in der Geschichte einmaliges ist: zwei ehemalige
Reiche, die die politische Entscheidung getroffen haben, wechselseitig
voneinander abhängig zu werden, tatsächlich eine symbiotische Beziehung zu
schaffen. China beispielsweise hat im Grunde beschlossen, bei Energie und
militärischer Ausrüstung völlig abhängig von Russland zu werden. Russland
wiederum hofft, dass die chinesische Wirtschaft es Russland erlauben wird, zu diversifizieren
und zu wachsen. Ich würde argumentieren, dass sie einander auf viele Arten
perfekt ergänzen. Stimmen Sie dieser Einschätzung zu, und wie würden Sie das
Potential dieser wirtschaftlich/finanziellen Zusammenarbeit zweier Supermächte
beurteilen? Könnten Russland und China zusammen, gemeinsam mit BRICS und SCO,
eine neue, dollarfreie und unabhängige Wirtschaft und Markt schaffen?
Michael Hudson: Zwei
Hauptdynamiken sind hervorstechend. Zuerst, beim Abschluss von Handels-,
Investitions- und Finanzierungsabkommen, ist es wichtig, sicherzustellen, dass
sie langfristig sind. Amerika hat Russland und China diese langfristige
Sicherheit gegeben, indem es klar machte, dass es der aufsteigenden Macht
Russlands und Chinas entgegensteht (wie auch des Iran als eines weiteren
möglichen Spielers).
Das ist die zweite Dynamik: die
„Teile und Herrsche“-Strategie Amerikas versucht, einen möglichen Rivalen nach
dem anderen herauszupicken. Indem sie ihre Kräfte vereinen – und indem sie die
Shangaier Organisation zur Zusammenarbeit um Iran und weitere Länder erweitern
– zwingen sie die USA, sollte sie einen Zug gegen Russland oder gegen China
machen, zumindest auf zwei Fronten Krieg zu führen. Ihre langfristige Beziehung
ist also eine gegenseitige Sicherung gegen den einzigen wahrscheinlichen
Aggressor.
Das Kapital, das in Pipelines
investiert wird, braucht eine lange Periode, um abgezahlt zu werden, daher darf
es nicht zum Gegenstand ausländischer diplomatischer Einmischung werden, wie
das bei den russischen Gasverkäufen nach Europa droht. Europa scheint ziemlich
willig zu sein, in der Kälte zu bleiben, indem es Politiker wählt, die schlicht
von US-Geld gekauft sind.
Das ist der unausgesprochene
Schlüssel zur US-Diplomatie: Politiker, Journalisten, Herausgeber und andere
schlicht bestechen. Solange das US-Schatzamt unbegrenzt Geld drucken kann,
solange die Zentralbanken der Welt bereit sind, diese dollarisierten
Schuldscheine zu absorbieren, indem sie US-Staatsanleihen kaufen, um die
amerikanischen Militärausgaben zu ihrer Einkreisung zu finanzieren, ist Amerika
frei von den Beschränkungen, die die Zahlungsbilanz und die Auslandsschulden
den Militärausgaben anderer Länder auferlegen.
Um dies zu kontern, sollten
Russland, China und andere Länder ein zum Dollar alternatives Finanz- und
Zahlungssystem entwickeln, ein Finanzsystem, um die US-Banken zu ersetzen, und
letztlich ihre eigene Bankverkehrsabwicklung durch eine Alternative zu SWIFT.
Wenn ihnen das gelingt, haben die
US-Neokonservativen ihr Blatt überreizt – und werden ironischerweise zu einer
Kraft des Weltfriedens, indem sie den Rest der Weltwirtschaft, den Handel, das
Finanz- und sogar das Verteidigungsystem vereinigen, um sich vor der
US-Bedrohung zu schützen. Wenn es ihnen gelingt, wird diese Bedrohung weichen –
aber der Rückzug der USA wird vermutlich kein schöner Anblick, noch wird es der
Zusammenbruch ihres Finanzsystems. Der Rest der Welt wird sich von den
Nachwirkungen schützen müssen und Fremde beschuldigen.
Saker: Trotz aller düsteren Vorhersagen zur Zukunft
des Dollar schaffen die USA weiter Dollars aus Luft, weltweit nutzen Länder den
Dollar im Handel, die Schulden der USA steigen noch immer, die Armen werden
ärmer, die Reichen reicher und nichts scheint sich zu ändern, obwohl die USA in
ihrer Außenpolitik von einem Fehlschlag zum nächsten eilen. Wie lang kann das
weitergehen? Gibt es eine objektive Grenze, über die hinaus dieses System nicht
mehr weitergehen kann? Können Sie irgendein Ereignis vorhersehen, dass die USA
zwingen wird, aufzugeben, ein Reich zu sein, und ein „normales“ Land zu werden,
wie so viele andere Ex-Reiche in der Vergangenheit?
Michael Hudson: Es gibt keine
objektive Grenze, wie lang die Abhängigkeit vom Dollar, die Deflation der
Schulden und die Schuldleibeigenschaft weitergehen, sofern die Opfer sich nicht
erfolgreich wehren. Die Gläubigeroligarchie Roms ging in fast ein Jahrtausend
Dunkles Zeitalter über.
Die Dollarhegemonie wird
auslaufen, wenn ein alternatives Vehikel entwickelt wird, um internationale
Reserven zu halten. Das ist das Ziel der BRICS-Bank und des
Zahlungsklärungssystems- Was jetzt gebraucht wird, ist ein ergänzendes
Steuersystem und eine Strategie der öffentlichen Investitionen und Zuschüsse.
Es wird weniger ein „Ereignis“
dazu führen, dass die US-Neocons die Waffen strecken, eher spiegelt der Prozess
den langsamen Crash der westlichen Ökonomien wieder.
Saker: China und die USA befinden sichklar auf einem
politischen, wenn nicht militärischen Kollisionskurs. Dennoch sagen viele,
China und die USA seien viel zu tief voneinander abhängig, um je einen
wirklichen Konflikt zu haben. Sind die USA und China wirklich in einer
symbiotischen Beziehung, oder kann China sich irgendwie von den US-Märkten
abwenden, ohne einen Zusammenbruch der chinesischen Wirtschaft auszulösen?
Michael Hudson: Es gibt keine
wirkliche Abhängigkeit, weil sowohl China als auch die Vereinigten Staaten
darauf abzielen, wirtschaftlich und militärisch unabhängig zu bleiben, um nicht
in Dienstbarkeit zu geraten. Das Ziel der USA ist es, natürlich, andere Länder
finanziell von sich abhängig zumachen, und ebenso militärisch. Darum müssen sie
Kriege entzünden – als eine Art Schutzgeldsystem, um finanziellen, Handels- und
Investitionstribut und die tiefere Abhängigkeit ihrer Handels“partner“ zu
erzwingen.
China und Amerika haben eine
wechselseitige Handels- und Investitionsbeziehung. Aber sie ist nicht
„symbiotisch“, weil sie jederzeit beendet werden kann, ohne die
Zahlungsfähigkeit und das Überleben einer Partei zu beeinträchtigen.
China lenkt bereits seine Produktion
um von den Exportmärkten auf den heimischen Markt. Und in Begriffen der
Finanzpolitik, fördert es wirtschaftliche Komplimentarität mit den anderen
BRICS-Mitgliedern, mit Iran, Südamerika und afrikanischen Ländern.
Saker: Wenn Sei sagen „China und Amerika haben eine
wechselseitige Beziehung in Handel und Investitionen. Aber sie ist nicht
„symbiotisch“, weil sie jederzeit beendet werden kann, ohne die
Zahlungsfähigkeit und das Überleben einer Partei zu beeinträchtigen“, könnten
Sie bitte erklären, warum sie nicht denken, dass, wenn die USA und China ihre
wirtschaftlichen Verbindungen trennen müssten (Walmart & Co.), das nicht
beide Wirtschaften ernsthaft verletzen würde? Ist Walmart nicht wichtig für den
Niedriglohnsektor der US-Wirtschaft und um die Inflation niedrig zu halten, und
ist das Einkommen, das durch diese „Walmart-Verbindungen“ generiert wird, nicht
wichtig für China?
Michael Hudson: Was China an
Walmart liefert, kann jetzt auf seinem blühenden Binnenmarkt verkauft werden.
China braucht nicht mehr Dollars. Tatsächlich ist das Einzige, was es tun kann,
wenn es mehr Dollar erhält, sie an das US-Schatzamt auszuleihen, und damit, die
„asiatische Achse“ des Militärs zu finanzieren, die China einkreist. (Das ist,
wie der Standard der US-Staatsanleihe den Goldstandard ersetzt hat).
Walmart andererseits bleibt
abhängig von seinen chinesischen Lieferanten. Seine Einkaufsvertreter lassen
den Chinesen weit weniger Profit, als sie auf ihrem eigenen Markt oder auf
anderen asiatischen Märkten erzielen können.
Saker: Das westliche kapitalistische Modell und seine
Formel der Globalisierung geraten nicht nur aus Russland und China unter
Kritik, sondern aus vielen anderen Ländern der Welt. Einige sagen, dass China
ein alternatives Modell des Staatskapitalismus entwickelt hat. In Lateinamerika
ist der „bolivarische Sozialismus“ im Aufstieg begriffen, und im Nahen Osten
bietet die islamische Republik Iran ebenfalls ein anderes sozioökonomisches
Modell. Wie sehen Sie die Zukunft des kapitalistischen Systems, mit seiner Globalisierung,
seinem Banken- und Finanzmodell etc. Sehen Sie eine gangbare Alternative sich
entwickeln oder ist der „Washington Consensus“ immer noch der einzige Spieler
in der Stadt?
Michael Hudson: Die klassische
Wirtschaftstheorie war eine Doktrin, wie man industrialisiert und
wettbewerbsfähiger wird – und gleichzeitig fairer – indem man die Preise an die
tatsächlichen, sozial notwendigen Kosten der Produktion angleicht. Die daraus
entstandene Doktrin (mit Marx und Thorstein Veblen als letzten großen klassischen
Ökonomen) war weitgehend eine Anleitung, was zu vermeiden ist: besondere
Privilegien, unverdiente Einkommen, unproduktive Gemeinkosten.
Das Ziel war, ein Kreislaufmodell
des Nationaleinkommens zu schaffen, das wirklichen Wohlstand von schlichten
Gemeinkosten unterscheidet. Die Idee bestand darin, das abzustreifen, was
unnötig war – was Marx die „Ausstülpungen“ der post-feudalen Gesellschaft
nannte, die in die industriellen Wirtschaften seiner Zeit eingebettet blieben.
Als die großen klassischen Ökonomen von einem „freien Markt“ sprachen, meinten
sie einen Markt, der frei war von Klassen von Rentiers, frei von Monopolen und
über allem frei von räuberischem Bankkredit.
Natürlich wissen wir, dass Marx
zu optimistisch war. Er beschrieb es als das Schicksal des industriellen
Kapitalismus, die Ökonomien von den Rentiers zu befreien. Aber der erste
Weltkrieg änderte die Bewegungsrichtung der westlichen Zivilisation. Die
Rentiers schlugen zurück – die österreichische Schule, von Mises und Hayek,
Faschismus und die Ideologen der Universität von Chicago definierten den
„freien Markt“ um, so dass er Märkte bedeutete, die für die Rentiers frei
waren, frei von Regierungssteuern auf Land und natürliche Ressourcen, frei von
öffentlicher Preisregulierung und Aufsicht. Die Zeit der Reformen wurde der
„Pfad in die Knechtschaft“ genannt – und an seiner Stelle bewarben die
postklassischen Neoliberalen den heutigen Pfad in die Schuldleibeigenschaft.
Der heutige Kalte Krieg kann, was
seinen intellektuellen Aspekt angeht, als Versuch gesehen werden, die Länder
ausserhalb der Vereinigten Staaten daran zu hindern, zu begreifen (gegen
Thatcher), dass es eine Alternative gibt, und danach zu handeln. Der Kampf geht
um das Gehirn der Wirtschaft und um das Verstehen auf Seiten der Regierungen.
Nur eine starke Regierung hat die Macht, die Reformen zu erreichen, an denen
die Reformer des 19. Jahrhunderts scheiterten.
Die Alternative ist, was mit Rom
geschah, als es in Leibeigenschaft und Feudalismus zusammenbrach.
Saker: was sind, Ihrer Meinung nach, die
Hauptkonsequenzen der zahlreichen Fehlschläge der US-Außenpolitik für die
US-Wirtschaft?
Michael Hudson: Die US-Strategen
vergleichen ihre geopolitische Diplomatie mit einem Schachbrett. Das mag
geografisch einer Wahrnehmung des Raums entsprechen – wo ist das Öl, wo sind
die anderen Mineralien, welche Länder werden stark genug, um unabhängig zu sein
– aber die resultierende Diplomatie hat nichts von einem Schachspiel an sich.
Zumindest nicht so, wie die Vereingten Staaten dieses Spiel spielen.
Aber im Schach bewegen sich beide
Seiten. Die Idee ist, voraus zu denken und die Strategie des Gegners
vorwegzunehmen. Die meisten Großmeister studieren die Spiele ihrer Gegner und
sind vertraut mit ihrer Taktik und ihren Zielen, wenn sie sich hinsetzen, um zu
spielen.
Die US-Politik kennt keine solche
Wechselseitigkeit. Schon in den 1940ern und 50ern, wurde das State Department
durch den Senator Joe McCarthy von China-Experten bereinigt. Diese Säuberung
wurde nach dem Prinzip vollzogen, dass die meisten Leute, die viel über China
wussten, dies taten, weil sie ihm gegenüber Sympathien hegten, und vermutlich
auch dem Kommunismus gegenüber.
Der innere Widerspruch hier war,
dass die US-Diplomaten, ohne die politischen Ziele Chinas zu verstehen, und wie
es sie zu erreichen beabsichtigte, im Dunkeln handeln mussten. Natürlich ging
das schief.
Schnellvorlauf ins Heute. Wie der
Neocon Douglas Feith aus dem State Department anmerkte, wird jeder, der mit
arabischer Geschichte vertraut ist, als verdächtig betrachtet, auf der
Grundlage, dass er Sympathien haben müsse. Also geht die US-Unterstützung für
die arabischen Öl-Oligarschen Saudi-Arabiens Hand in Hand mit zionistischem
Anti-Arabismus. Als Feith einen erfahrenen Arabisten des Pentagon, Patrick
Lang, nach der Invasion für einen Job im Irak interviewte, fragte Feith: „Ist
es wirklich wahr, dass Sie die Araber so gut kennen, und dass Sie so gut
Arabisch sprechen? Ist das wirklich wahr?“ Lang sagte, ja, das sei es. „Das ist
zu schade,“ sagte Feith.(2) Es gab keinen Platz für jemanden mit einer Unze
Sympathie für „diese Leute“. Lang bekam den Job nicht.
Es ist also schwerlich
überraschend, dass der amerikanische Unilateralismus in einer Art politischem
Vakuum durchgeführt wird.(„Wir schaffen unsere eigene Wirklichkeit“). Das
Ergebnis ist eine Hybris, die unvermeidlich zum Fall führt. Das ist, wie die
Aussenpolitik mit verbundenen Augen führen.
Der größte Fehlschlag der
US-Außenpolitik ist daher der einer klassischen Tragödie: ein tragischer Makel,
der genau das Gegenteil dessen als Wirkung erzielt, was beabsichtigt war. Oder,
wie Marx es ausgedrückt hat, „innere Widersprüche“ und Ironie.
Die Antwort auf Ihre Frage hängt
davon ab, was Sie mit US-Politik meinen. Was für die US-Wirtschaft eine
Katastrophe ist, mag für die besonderen Interessen, die die Kontrolle über
diese Politik erlangt haben, keine sein. US-Politiker werden nicht so sehr von
Wählern gewählt, vielmehr wird von den Finanziers ihrer Wahlkämpfe für sie
geboten. Das finanzielle Gewicht der Wall Street und, dahinter, der
Ölindustrie, wie der Immobiliensektor und der militärisch-industrielle Komplex
haben den 1% genutzt? Es war ein Erfolg für sie – zumindest in dem Sinne, dass
die US-Politik das wiedergibt, was die 1% wollen. Es war ein Fehlschlag für die
99%, natürlich. Und dieser Tage könnte das eine Prozent so kurzsichtig sein,
dass ihre Ziele das Gegenteil dessen erreichen, was sie beabsichtigen. Das
würde Amerikas nahöstliches Scheitern im Verstehen der Dynamik islamischer
Gesellschaften mit einschliessen.
Wenn Sie mit „Fehlschlägen“ den
angerichteten Schaden meinen, würde ich als einen der erstesten Amerikas
Widerstand gegen säkulare Regierungen in arabischen Ländern nennen, was zu der
extremistischsten, buchstäblichsten Auslegung des Islam geführt hat, gekrönt
vom Saudi-Wahabismus.
Die fatale Wende begann 1953 mit
dem US-Sturz der Regierung Mossadegh im Iran. Die Absicht war schlicht,
britisches und amerikanisches Öl zu schützen, nicht, islamischen Extremismus zu
stützen. Aber die Unterstützung des Shah in einer Diktatur lateinamerikanischen
Stils liess nur noch einen praktischen Weg der Opposition übrig: die
islamischen Moscheen und anderen religiösen Zentren. Khomeini führte den Kampf
gegen die Diktatur des Shah an, gegen die Folterkammern und die Dienstbarkeit
der US-Außenpolitik gegenüber.
In Afghanistan haben die USA,
natürlich, Al Quaida geschaffen und Bin Laden in seinem Kampf gegen das von der
Sowjetunion gestützte säkulare Regime unterstützt. Die darauf folgende
Geschichte der US-Verstrickungen im Irak, in Syrien, dem Libanon und sonstwo im
Nahen Osten war eine der Unterstützung für den Saudi-Wahabismus. Und das ist
aus jedem Blickwinkel eine Katastrophe.
Anthropologen haben gelästert,
hier sei der blinde Fleck der amerikanischen Politik, was ethnische und
religiöse Teilungen betrifft, am Werk – nicht nur bezüglich des
offensichtlichen Antagonismus zwischen Schiiten und Sunniten, sondern zwischen
ihnen und dem ländlichen Nomadentum, das das Umfeld für den Wahabi-Extremismus
und seine anti-feministische Doktrin bildete. Der Nahe Osten wurde die letzten
viertausend Jahre von Scheichtümern dominiert. Aber die US-Politik schmeisst
den gesamten Islam in einen Topf und übergeht diese Unterschiede.
Amerika kann, da es eine
Demokratie ist, sich keinen Landkrieg mehr leisten. Keine Demokratie kann das.
Also besteht die einzige militärische Option in Bombardieren und Zerstören. Das
war die US-Politik, vom Nahen Osten bis zum ehemals sowjetischen Raum, von
Lateinamerika bis Afrika, mit der Unterstützung von Diktaturen, die der
US-Außenpolitik und der der US-Bergbaugesellschaften, Ölgesellschaften und
anderer multinationaler Konzerne folgen.
Die US-Außenpolitik ist einfach.
„Tu, was wir sagen, privatisiere und verkaufe an US-Käufer, und erlaube ihnen,
die Zahlung von Steuern durch Transferpreise und Finanzierungstricks zu
umgehen, oder wir zerstören dich, wie wir Libyen, den Irak, Syrien und andere
zerstört haben“.
Das Ergebnis ist, dass sich die
anderen Länder zu einem Widerstand vereinen, und gezwungen sind, einen
alternativen Pfad zur US-Finanzhegemonie zu schaffen. Wenn Amerika einer
Politik des wechselseitigen Vorteils gefolgt wäre, hätten andere Länder Amerika
vermutlich mit ihnen Geld machen lassen als Teil eines gemeinsamen Vorteils.
Aber der US-Ansatz besteht darin, alles zu greifen, nicht, zu teilen. Dieser
Eigennutz ist es, der letztlich sich selbst schlagen wird.
(1) Katy Burne, “ISDA: Greek Debt
Restructuring Triggers CDS Payouts,” Wall Street Journal, 9. März, 2012.
(2) Steve
Clemons, “Pat Lang & Lawrence Wilkerson Share Nightmare Encounters with Feith, Wolfowitz, and Tenet,” http://washingtonnote.com/pat_lang_lawren/ , Zitat
aus Jeff Stein, Congressional Quarterly
Kurzbemerkung zum Obigen: Eine sehr treffende Analyse vom
finanziell-wirtschaftlichen Standpunkt aus !! Aber die dem Kapitalismus
/Imperialismus innewohnende Zerstörkraft
( siehe Lenin:“Der Imperialismus
das letzte Stadium des Kapitalismus“ bzw. Dimitroffs Aussage über den
Faschismus ) wird dabei nicht erwähnt.
Dies ist aber wichtig um zu
verstehen, dass nur Staaten, in denen
die politische Macht vom Volke ausgeht,
einen Ausweg nicht nur aus der Weltfinanzkrise, sondern auch aus der
gegenwärtigen Rüstungsspirale aufzeigen. B.Queck