Juden: Es gibt verschiedene Arten, Jude zu sein

von Siegfried Ullmann, April 2019

Es gibt verschiedene Arten, Jude zu sein; Antizionismus im Jahre 1933; Brief an den Präsidenten des Zentralrats; Aktueller Bericht aus dem Gasastreifen; BiB-Aktuell u. a.

Ein weiteres vielfältiges Informationsangebot für alle, die sich für Recht und Gerechtigkeit  auf der Basis des Völkerrechts und der universellen Menschenrechte im Nahen Osten und gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Deutschland einsetzen.

Der Auschwitzüberlebende Primo Levy sagte in Gesprächen mit Ferdinando Cameon von 1982 und 1986 (veröffentlich unter dem Buchtitel „Ich suche eine Lösung, aber ich finde sie nicht“ auf Seite 63: „ Aber es gibt verschiedene Arten Jude zu sein. Jeder hat das Recht und die Pflicht, seine eigenen Position zu wählen, ob religiös oder nichtreligiös, pro israelisch oder antiisraelisch. Ich muß gestehen, daß ich eine gefühlsmäßige Bindung zu Israel besitze, wenn aus keinem anderen  als dem Grund, weil es von uns, von meinen Haftgefährten errichtet worden ist. Aber in seinem gegenwärtigen Verhalten erkenn ich mich durchaus nicht wieder, darin, daß es Abmachungen nicht einhält. ...

Die Biographie des Viktor Klemperer von Peter Jakobs mit dem Buchtitel „Im Kern ein deutsches Gewächs“ basiert vor allem auf Klemperers umfangreichen Aufzeichnungen. Der im Jahre 1881 geborene Viktor Klemperer war ein Sproß einer wartheländischen Rabbinerfamilie, hatte sich aber vollständig vom Judentum abgekoppelt. Im ersten Weltkrieg hatte er als Kanonier mitgekämpft. Er fühlte sich als Deutscher und dem deutschen Volk zugehörig, wie wohl die Mehrzahl der deutschen Juden zu dieser Zeit. Erst durch den Nationalsozialismus wurde er ausgegrenzt und zum Juden erklärt. So schrieb er am 30. März 1933: „Phantastisches Mittelalter: Wir – die bedrohte Judenheit. Ich habe mich wahrhaftig immer als Deutscher gefühlt. Und ich habe mir eingebildet: „20. Jahrhundert und Mitteleuropa sei etwas anderes als 14. Jahrhundert und Rumänien. Irrtum.“

Anläßlich der zunehmenden Bedrohung wurden unter den deutschen Juden die Auswanderungsinitiativen diskutiert. So heißt es auf Seite 213: „Palästina, das Land der Sehnsüchte der zionistischen Bewegung, kommt für Klemperer unter gar keinen Umständen in Betracht. Dies nicht nur, weil er die von Herzl gepflegte These, die Juden blieben ein nicht integrierbares Fremdvolk in Europa, als Zoologie ablehnt und mit Hitlers Rassenwahn vergleicht. „Mir sind die Zionisten, die an den jüdischen Staat von 70 p. C. (Zerstörung Jerusalems durch Titus) anknüpfen, genauso ekelhaft wie die Nazis.“...

In der arabischen Oberschicht wächst der Widerstand gegen die jüdischen Einwanderer, deren zionistische Wortführer nicht Integration, sondern Vertreibung predigen.1936 wird der Norden Palästinas zum Zentrum des arabischen Aufstands. Klemperer glaubt: Wer dort hingeht, tauscht Nationalismus und Enge gegen Nationalismus und Enge aus. “Die Einengung der arabischen Lebensräume in Palästina durch die zionistische Bewegung, die um einen eigenen Staat kämpft, erscheint ihm als Kolonialisierungsakt. „Ich kann mir nicht helfen, ich sympathisiere mit den aufständischen Arabern.“

Auf Seite 363 ist zu lesen: „Als peinlich empfindet er im Februar 1947 eine Rede des jüdischen Vorstandmitglieds Julius Myer, der vom „jüdischen Volk“ gesprochen habe,“wie man von Polen und Russen spricht.“ Damit, so meint Klemperer, isloliere man „feindselig nicht von den Nazis, sondern von Deutschland überhaupt.“

Auch der Philosemitismus ist nicht Klemperers Sache. Davon befürchtet er nur eine Belebung des Antisemitismus. Als ihm Rita Schober den Entwurf der Laudatio schickt, worin „viel vom Sohn des Rabbiners, Judenleid etc.“ die Rede ist, reagiert er schroff: „ihm sei  Philosemitismus genauso peinlich wie Antisemitismus“.

Viktor Klemperer entging der Deportation in ein Vernichtungslage nur, weil er mit einer „arischen“ Frau verheiratet war, die zu ihm hielt und alle Entbehrungen durch die ausgeklügelte, brutale Entrechtung und Entwürdigung der jüdischen Bevölkerung mit ihm trug. Es ist mir unvorstellbar, daß es auch heute noch – nicht nur in Deutschland – Menschen gibt, die der nationalsozialistischen Ideologie anhängen. 

Nun zurück in die Gegenwart:  

Günter Schenk hat Gideon Levys schockierenden Bericht in der israelischen Zeitung Haaretz  https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-even-for-the-wild-west-bank-this-is-a-shocking-story-1.7066087

mit dem nachstehenden Kommentar an den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland geschickt:

Sehr geehrter Herr Dr. Schuster,

Sie sind Notfallarzt, ich denke, es gab immer wieder Situationen in denen nur durch Ihre couragierte und rasche Hilfe ein Leben gerettet wurde.

Die folgende (wahre) Geschichte, von der Gideon Levy berichtet, ist eine derartige Situation. Aber, der Notfallarzt war nicht Herr Dr. med. Josef Schuster, der Fall begab sich auch nicht im Unterfränkischen schönen Würzburg, es war vor den Toren Betlehems und da war auch kein Arzt, auch kein Rettungssanitäter, sondern ein junger Palästinenser, der auf dem Rückweg von einer Hochzeit zu Hilfe eilen wollte.

 Dabei wurde er erschossen. Erschossen von einem Scharfschützen auf einem Betonturm, wie Sie sie bis zum Jahr 1990 an der fränkischen Grenze nach Thüringen sehen konnten. Der Scharfschütze war auch kein Soldat der Nationalen Volksarmee der DDR, es war ein jüdischer Israeli, Soldat der "moralischen Armee der Welt".

Vielleicht gelingt es Ihnen, sich in die Situation des erschossenen Retters hinein zu versetzen? Nein, nicht vielleicht, ich bin sicher, es gelingt Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen

 Günter Schenk
Membre du Collectif Judéo Arabe et Citoyen pour la
Palestine
Strasbourg/France

 Claus Walischewski (ICAHD Germany) schreibt:
„Ein neuer Bericht von Amnesty International anlässlich des Jahrestages der "Großen Rückkehrmarsch-Proteste" enthält die Forderung nach einem Waffenembargo gegenüber Israel:
https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/03/one-year-on-from-protests-gaza-civilians-devastating-injuries-highlight-urgent-need-for-arms-embargo-on-israel/
Weiterhin fordert Amnesty eine Ende der Gazablockade und die Erlaubnis, dass Palästinenser an den Ort zurückkehren können, von dem sie vor 70 Jahren vertrieben wurden.
Im Bericht heisst es: Immer wieder hat Israel eine große Geringschätzung für das Leben der Menschen in Gaza gezeigt. 195 Palästinenser wurden durch Scharfschützen getötet, darunter 41 Kinder und 28 939 verletzt.
Der Bericht sagt auch, dass das schockierende Ausmaß der Schussverletzungen es nahelegen, dass Israel eine bewusste Strategie verfolgt, Zivilisten zu verkrüppeln. Es wurde Munition eingesetzt, die auch zur Tierjagd benutzt wird ("hunting ammunition") und die sich im Körper ausdehnt und große Wunden reißt.  So mussten mehr Amputationen vorgenommen werden als während des gesamten Israel-Gaza Konfliktes 2014.
Die israelischen Streitkräfte töteten und verletzten palästinensische Demonstranten, die keine direkte Gefahr für das Leben der Soldaten darstellten - darunter Kinder, Sanitäter, Journalisten und Menschen mit Behinderungen.
Amnesty unterstützt die UN-Untersuchungskommission, die Kriegsverbrechen aufdecken will, um den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die Täter zu bestrafen und damit den langjährigen Kreis der Straflosigkeit zu durchbrechen.“

Siehe hierzu ebenfalls den beigefügten Bericht von Abed Schokry und http://www.tagesschau.de/ausland/proteste-gaza-107.html

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In Oldenburg gab es einen weiteren Sieg für die Meinungsfreiheit:
https://www.nwzonline.de/oldenburg/oldenburg-urteil-des-oberverwaltungsgerichts-stadt-oldenburg-unterliegt-im-streit-mit-bds-kampagne_a_50,4,1334257964.html

Weitere Nachrichten:

Geld regiert die Welt" Ein Bericht über die Zeitungen in Israel und die Macht des Milliardärs Adelson.  https://www.transatlantikblog.de/israel/2019/03/09/wahlen-israel-milliardaer-adelson-zeitung-hayom/ 

Über die Zensur in den israelischen Medien durch das israelische Militär

https://972mag.com/idf-censor-press-freedom-israel-2018/140594/

Eine Steigerung der Zensur: Israel hat 2018 im Durchschnitt eine Nachricht pro Tag zensiert. -  Haggai Matar - 15. März 2019 - Der IDF-Zensor verbot im vergangenen Jahr die Veröffentlichung von mehr Nachrichten als in fast jedem anderen Jahr dieses Jahr. Während weniger Artikel zur Überprüfung eingereicht wurden als in den Vorjahren, war der Prozentsatz der Geschichten, die teilweise oder vollständig zensiert wurden, deutlich höher.....weiterlesen im Palästina Portal vom 17.03.19 www.palaestina-portal.eu

Nachdem die internationalen Beobachter in Hebron von Netanjahu abgezogen wurden, wüten terroristische jüdische Siedler in Hebron weiter.

https://imemc.org/article/video-settlers-continue-to-terrorize-al-khalil/

Die IDF dringt in eine Schule ein und "verhaftet" einen 10-jährigen Jungen.

Voll bewaffnete Soldaten mit dem Finger am Abzug dringen in eine palästinensische Schule im besetzten Hebron ein, bedrohen Lehrer und nehmen ein Kind mit.- Meron Rapoport. So etwas passiert also nicht nur in diktatorischen Regimes, sondern auch in der "jüdischen Demokratie !? ....weiterlesen im Palästina-Portal. www.palaestina-portal.eu

Video leider nur im facebook. 

https://www.facebook.com/ThePIPD/videos/313316812714610/?v=313316812714610

Und während der Menschenrechtsrat der UN die illegale Gewalt gegenüber den Palästinensern, besonders an den FFF (nicht "Fridays For Future"sondern "Fridays for Freedom",  verurteilt und eine Untersuchung der Einsatzregeln des am Grenzzaun zu Gaza postierten Militärs fordert, geht die Tötung von unbewaffneten Demonstrierenden des "Großen Marsches der Rückkehr" durch die IDF weiter. Eine weitere Ohnmacht der UN und des Menschenrechtsrats, der für ein Jahr auch die Bundesrepublik angehört.

https://palaestina.ch/de/component/acymailing/listid-4-medien-alle/mailid-183-medienmitteilung-gsp-20-maerz-2019

Für starke Nerven ! ist dieses, auch schon älteres Video von der Rede des grünen "Wahljuden" (mit Kippa) Chem Özdemir. https://www.youtube.com/watch?v=WmfDKtnLkWc&feature=youtu.be

Das seriöse Gegenstück im Rubikon. Klar und verständlich wird der Unterschied zwischen Antisemitismus und Antizionismus erklärt. Sehr lesenswert !!!

https://www.rubikon.news/artikel/die-allzweckwaffe

 Über und von Ahed Tamimi und ihren Widerstand gegen die Besatzung gibt es nun ein Buch:

 Ahed Tamimi, Manifest Verlag, 214 Seiten, 13,90 Euro, ISBN 978-3-96156-072-1

dazu ein älteres Video vor der Verhaftung von Ahed Tamimi.

Sie hat übrigens neun Monate Haft bekommen dafür, dass sie einen israelischen Soldaten geohrfeigt hat, der in ihr Haus eindringen wollte. Zum Vergleich:

Nachdem ein israelischer Soldat einen wehrlos am Boden liegenden Palästinenser tötete, wurde er zwar verurteilt, weil ein Video von der Tat vorhanden war, konnte aber nach neun Monaten das Gefängnis wieder verlassen.

So funktioniert das Rechtssystem in Israel: Militärjustiz in den besetzten Gebieten, gesondertes Rechtsystem für den Staat Israel und die jüdischen Siedler im besetzten Palästina.

https://www.youtube.com/watch?feature=youtu.be&v=cMWuk_mi5kw&app=desktop

Zu den Münchner Versuchen, immer wieder Veranstaltungen zu kippen, die mit dem Thema Israel/Palästina zu tun haben, hier ein sehr guter offener Brief an den verantwortlichen Kulturreferenten in München. "Grobe Verachtung der Verhältnismäßigkeit"

https://www.jrbernstein.de/blog-1/2019/3/22/grobe-missachtung-der-verhltnismigkeit?fbclid=IwAR1S6Ts7C1z68Ag6c_uX2pailFJw3hA3fi2rEJcext-U8Y8k8J-1sT4Z2_E

 Gerechtigkeit ist leider immer mehr nur über das Gericht zu erreichen. In Witten darf die Sparkasse das Konto des "Internationalen Bündnisses" nicht schließen.

http://www.internationalistische-liste.de/?p=3180

Mitteilung aus der Schweiz

https://palaestina.ch/de/component/acymailing/listid-4-medien-alle/mailid-183-medienmitteilung-gsp-20-maerz-2019

Besonders hinweisen möchte ich auf die letzten Bib-Aktuell Beiträge unter www.bib-jetzt.de,

auf Abraham Melzers Kommentare unter Der Semit und auf die Beiträge im Palästina Portal. 

Mit solidarischen Grüßen Siegfried Ullmann

 

Anlagen:

-          Abed Schokrys aktueller Bericht aus dem Gasastreifen

-          Das Foto des Kinderwiderstands in Israel

-          Arn Strohmeyer: Wenn man zwischen „guten“ und „bösen“ Juden unterscheidet.