Die Siedler von Pisgat Zeev, die Eindringlinge
von Sheikh Jarrah, die Leute, die Silwan begehren, die Eindringlinge, die
ins Muslimviertel wollen, und Sie Bürgermeister der nationalistischen
Stadt, Nir Barkat, brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen: Ganz
Jerusalem gehört Ihnen – und zwar für immer. Der Nobelpreisträger Elie
Wiesel traf sich im Weißen Haus mit seinem Freund Barack Obama mit einem
Auftrag seines anderen Freundes Benjamin Netanjahu. Und als er von dort
kam, sagte er, er habe den Eindruck, Obama würde seinen Rat befolgen und
die Diskussionen über Jerusalem hinausschieben.
Mit Freunden wie diesem, braucht Israel keine Feinde. 62 Jahre nach
Erklärung seiner Herrschaft benötigt Israel noch immer Hausierer mit
jüdischem Einfluss – einmal ist es Elie Wiesel und ein anderes Mal ist
es Ron Lauder, um beim Edelmann Einspruch zu erheben. 43 Jahre lang dauert
die Besatzung, und diese Leute wirken nur dahin, dass sie weitergeht.
Es gibt nicht viele Juden wie Wiesel, für den die Tür des Weißen Hauses
offen steht und dem der Präsident zuhört. Und was macht Wiesel mit dieser
goldenen Möglichkeit? Er redet mit Obama über das Hinausschieben von
Gesprächen über Jerusalem. Nicht über die Notwendigkeit der Beendigung der
Besatzung, nicht über die Möglichkeit einen gerechten Frieden (und ein
gerechtes Israel) zu schaffen, nicht über die entsetzliche Ungerechtigkeit
gegenüber den Palästinensern. Nur über die Aufrechterhaltung der Besatzung.
Statt dass die Person, die für sehr moralisch angesehen wird, das
gemeinsame Mahl mit dem Präsidenten dazu benützt, Israels endloses
Hinauszögern zu beenden, feilscht Wiesel um einen völligen Aufschub. Er tat
dies offensichtlich für das Wohl eines Landes, dessen
Ministerpräsident genau vor einem Jahr seine Zwei-Staaten-Rede hielt – aber
keinen Finger rührte, um dies zu erfüllen. Ein Land, das Syrien anbettelt,
Frieden zu machen und in dem die Palästinenser seit langem keine Gewalt
mehr ausübten. Aber es weigert sich weiter, Frieden zu schließen.
Angesichts all diesem, was empfiehlt der Freund? Hinausschieben.
Hinausschieben und hinausschieben, wie Netanjahu, der ihn sandte, gebeten
hatte.
Das Nobel-Komitee sagte über den Mann, er sei „ein Botschafter der
Menschheit, seine Botschaft sei die des Friedens, der Buße und der
menschlichen Würde“. Doch was er tut, ist genau das Gegenteil. Nicht
Frieden, nicht Buße und nicht menschliche Würde, gewiss nicht für die
Palästinenser. Nach der lächerlichen Anzeige-Kampagne in der amerikanischen
Presse, die auf der Tatsache gründete, dass Jerusalem ( mehr als 600 mal)
in der Bibel erwähnt sei, aber nicht einmal im Koran, wird der
Präsident des Wandels vielleicht auf den schlechten Rat seines
Freundes, des Holocaustüberlebenden, hören und damit jede Chance auf
einen Frieden verringern.
Wiesel wird Vereinbarungen treffen, und Obama wird hinausschieben. Rund
eine viertel Million Palästinenser wird noch eine Generation unter
israelischer Besatzung leben. Eine Viertel Million? 3,5 Millionen,
weil es für Obama, Wiesel und in der Tat für jeden klar ist, dass ohne
das Teilen von Jerusalem es keinen Frieden geben wird.
Und was, wenn Obama die Gespräche über Jerusalem hinausschiebt, wie es
sein Freund fordert? Bis wann hinausschiebt? Für weitere 43 Jahre? Weitere
430 Jahre? Und was geschieht in der Zwischenzeit? Weitere 100 000 Siedler?
Eine Hamasregierung auch auf der Westbank? Und warum? Weil Jerusalem
nicht im Koran erwähnt ist, haben die palästinensischen Bewohner nicht das
Recht der Selbstbestimmung?
Und was ist mit der Heiligkeit von Jerusalem als der drittheiligsten
Stadt im Islam nach Mekka und Medina? Was hat Heiligkeit mit der Herrschaft
zu tun? Was geschieht, wenn die Diskussion noch einmal hinausgeschoben wird
und man über Wasser redet, wie Netanjahu es wünscht. Das sind alles Fragen,
die dem Freund nicht gestellt wurden.
Es ist sehr deprimierend daran zu denken, dass diese Leute die größte
Rolle im jüdischen Volk spielen.
Es ist, als ob sie dächten, dass automatische und blinde Unterstützung
Israels und seiner Launen wahre Freundschaft bedeutet – dass die Fortdauer
der Besatzung Israels Zielen mehr dient, als seine Zukunft gefährdet.
Sie lassen ihr Gewissen zwar über die Ungerechtigkeiten in der Welt
sprechen, aber wenn man auf die Ungerechtigkeiten Israels zu sprechen
kommt, ist es, als hätten sie einen Schleier über den Augen, und ihr Mund
wird schweigsam.
Wenn ich Elie Wiesel wäre, solch ein berühmter Holocaustüberlebender,
ein Friedensnobelpreisträger, dessen Stimme ganz oben gehört wird, dann
würde ich meinen Freund im Weißen Haus fragen: um des Friedens willen, um
Israels Zukunft willen und um des Weltfriedens willen: Bitte, Herr
Präsident, benützen Sie Ihre Macht. Israel hängt von Ihnen ab wie nie
zuvor. Es ist isoliert, wie nie zuvor; es ist ohne amerikanische Hilfe so
gut wie tot. Deshalb würde ich beim koscheren Mahl zu Obama sagen:
Herr Präsident, seien Sie ein wahrer Freund von Israel und retten sie es
vor seinem Unglück.
Quelle: Haaretz-The
friend
Originalartikel veröffentlicht am 6.5.2010
Über
den Autor
Ellen Rohlfs und Fausto Giudice sind Mitglieder
von Tlaxcala, dem internationalen Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt. Diese
Übersetzung kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text
nicht verändert wird und daß sowohl der Autor, die Übersetzerin, der
Herausgeber als auch die Quelle genannt werden.
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