Israel -Saudi-Arabien
Die unheilige Allianz
Zum US-Ausstieg aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran
von Tsafrir Cohen am
11.6.2018
Der US-Ausstieg aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran
wird in Saudi-Arabien und Israel begrüßt. Damit entsteht eine unheilige
Allianz. Ziel: ein von außen forcierter Regimewechsel im Iran. Folgen: Stärkung
des iranischen Regimes und die Gefahr eines Flächenbrands – mit unübersehbaren
Folgen weit über die Region hinaus.
Mit dem Ausstieg der USA aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran wächst die Angst
vor einem Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten. Donald Trumps fahrlässige
Entscheidung wird die Vereinigten Staaten schwächen, ihren Gegnern nutzen, ihre
Verbündeten entfremden, das iranische Regime stärken, die Verbreitung von
Atomwaffen beschleunigen und die Welt dem Krieg näherbringen. Von all den
bisherigen törichten, selbstzerstörerischen außenpolitischen Entscheidungen
Trumps zeigt keine die Gefahren eines Mannes deutlicher, der aktiv gegen die
Interessen seines eigenen Landes arbeitet – und die der Welt.
Die weitreichende Entscheidung des US-Präsidenten
folgt einem allmählich entzifferbaren außenpolitischen Kurs, der berechenbare
multilaterale Übereinkünfte, etwa das Pariser Klimaabkommen zugunsten einer
Politik nationaler Egoismen grundsätzlich ablehnt. In seinem Bemühen die Macht
der USA wiederherzustellen, umringt er sich mit kriegerischen Berater*innen, die
für einen von außen erzwungenen Sturz missliebiger Regierungen eintreten, gern
gepaart mit einem „Islam“-kritischen Diskurs. Dabei soll ein stark
polarisierender Konfrontationskurs, der einem Freund-Feind-Schema folgt, die
USA erneut zur weltweiten Führungsposition verhelfen.
Netanjahu und das Haus Saud begrüßen Trump-Entscheid
Um ihr Ziel im Nahen und Mittleren Osten zu erreichen,
geht die Trump-Administration einen engen Schulterschluss mit den beiden
Regionalmächten Saudi-Arabien und Israel ein – vor allem gegenüber dem Iran,
der Regionalmacht, die einem erstarkenden US-Einfluss in der Region stets
widersteht.
In Israels Premier Benjamin Netanjahu findet Trump einen Verbündeten am Zenit
seiner Macht. Netanjahu bedient sich einer ähnlich aggressiven Rhetorik und
will damit nicht nur von schwerwiegenden Korruptionsermittlungen gegen sich
ablenken und mit einer Politik der Angst wertvolle Umfragepunkte gewinnen.
Nein, er geht fest davon aus, dass Israel ewig mit „dem Schwert“ wird leben
müssen, dass also Israel nie von seinen Nachbarn akzeptiert werden wird und
deshalb kein Frieden mit ihnen möglich ist. Dem zugrunde liegt der feste Glaube
an einen weltumspannenden Kampf zwischen dem Westen und dem Islam, in dem
Israel die Speerspitze des westlichen Lagers darstellt. Als Hauptfeind hat er
schon vor Jahrzehnten den Iran identifiziert. Das Aneinandergeraten Israels und
Irans in Syrien neulich muss deshalb im Zusammenhang mit den Bemühungen der
Netanjahu-Regierung verstanden werden. Dabei möchte Israel keinen frontalen
Krieg mit dem Iran, sondern die Iraner zu einem Schritt provozieren, der den
Westen dazu bringt, den Iran zu sanktionieren oder einen Regimewechsel in
Teheran anzustreben.
Auch Saudi-Arabien ist an einer Verschärfung des Konfliktes interessiert. Das
Land möchte die USA stärker an die Region und gegen den Iran einbinden.
Saudi-Arabien will den regionalen Gegner Iran in die Schranken weisen, der Riad
die Rolle als führende Beschützerin des Islams streitig macht, um einem vom
Iran inspirierten revolutionären Eifer gegen die absolute saudische Monarchie
einen Riegel vorzuschieben und um von der eigenen Rolle als geistige Urheberin
des radikalen Islamismus zu verschleiern. Schließlich stellt der
Wahhabismus, dessen letzte Ausgeburt die ISIS ist, Saudi-Arabiens Staatsdoktrin
dar, die untrennbar mit dem Herrschaftsanspruch der Königsfamilie Saud
verbunden ist. Riad will andererseits damit auch von den tiefgreifenden
internen Problemen sozioökonomischer Art angesichts eines enormen
Modernisierungsbedarfs sowie mit einer großen, unterdrückten schiitischen
Minderheit ablenken.
Diesem Dreigestirn, das offensichtlich einen
Regimewechsel im Teheran anstrebt, steht die Islamische Republik Iran
gegenüber. Schaut man sich das Land jenseits stereotyper Zuschreibungen an, so
muss man zwischen seinen relevanten geopolitischen Interessen und denen des
Regimes unterscheiden. Der Iran hat im 20. Jahrhundert vier ausländische
Interventionen erlebt, mit verheerenden Folgen: In den beiden Weltkriegen wurde
er zum Spielball der Großmächte trotz einer Neutralitätserklärung, 1953 folgte
die Absetzung des demokratisch gewählten Premiers Mohammad Mossadegh mithilfe
des
Der Ausstieg der USA wird das Regime stärken
Die jetzt drohende Gefahr eines von außen forcierten
Regimewechsels könnten folglich die radikalen Elemente im Land dazu nutzen,
nicht nur das Atomprogramm erneut anzugehen, sondern Oppositionskräfte als eine
von den USA gesteuerte Fünfte Kolonne zu porträtieren, just in Zeiten, in denen
landesweite Proteste das Regime schwächen. Falls das Sanktionsregime wieder
erstarkt, werden die Herrschenden in Teheran ihre Schattenwirtschaft ausbauen
und so ihre Machtposition innerhalb Irans auf Kosten anderer Elemente der iranischen
Gesellschaft stärken. Auch wenn der Iran im Gegensatz zu Saudi-Arabien, Israel
oder den USA seit mehreren Jahrhunderten keinen direkten Krieg angefangen hat,
könnte das auf diese Weise stabilisierte Regime weitere Stellvertreterkriege in
der Region schüren und diese als gerechte Kriege der Schiiten als ewige Opfer
sunnitischer und westlicher Aggression darstellen. Ebenso könnte er seine
scharfe Rhetorik gegen Israel und dessen Existenzrecht verstärken.
Die Position der Europäer und der israelischen Linken
Mit der Trumpschen Entscheidung ist also die Gefahr
einer regionalen Eskalation und eines Rüstungswettbewerbs mit globalen Folgen
enorm gewachsen. In Europa nimmt zwar in allen politischen Lagern die Zahl
derjenigen zu, die einen vorgestellten Kampf zwischen dem Islam und dem Westen
herbeireden. Dennoch verstehen sowohl die politischen Eliten, als auch eine
breite Öffentlichkeit die Vorteile des Atomabkommens als ein Mittel zur
Einbindung Irans und zur Verhinderung von Krieg. Die Frage lautet jedoch, ob
die Europäer gemeinsam mit Russland und China gegensteuern können und womöglich
einen handfesten transatlantischen Konflikt mit ungewissem Ausgang riskieren,
damit Teheran das Atomabkommen nicht kündigt und die Inspektionen seiner
Atomanlagen durch die Internationale Atomenergiebehörde beendet. Diese
Inspektionen sind nicht nur wichtig zur Überwachung der iranischen Aktivitäten,
sondern hindern auch die Falken in den USA und darüber hinaus daran, mehr
Unterstützung für ihre Regimewechselpläne zu gewinnen durch Mutmaßungen über
das iranische Atomprogramm, ähnlich der Strategie, mit der sie erfolgreich eine
internationale Allianz zum Regimewechsel im Irak zusammenbrachten. Ein
Wiederaufleben des iranischen Atomprogramms animierte zudem Saudi-Arabien und
weitere regionale Mächte dazu, eigene nukleare Programme aufzulegen.
Besonders aufmerksam wird aus deutscher Sicht die Frage nach der Sicherheit
Israels gestellt. Hier gilt es auf Knesset-Mitglied Don Khenin von der
sozialistischen Partei Chadasch zu hören, der das Fortbestehen des
Atomabkommens als existentiell wichtig für Israel hält. Er plädiert dafür das
Abkommen zur atomaren Abrüstung nicht zu kündigen sondern im Gegenteil
auszuweiten. Für Khenin ist das der einzige Weg hin zu einer sichereren Welt
für alle.
Zitiert aus:
Newsletter der Rosa Luxemburg Stiftung Tel Aviv
Zum Autor: Tsafrir Cohen, 1966 in Tel Aviv geboren,
wuchs in Israel und Kanada auf und ist seit 1986 in Berlin beheimatet. Dort war
er publizistisch und im Kulturbereich tätig, gründete u.a. das Jewish Film
Festival Berlin. 2007 wurde er der Repräsentant der Hilfs- und
Menschenrechtsorganisation medico international für Israel &
Palästina mit Sitz im palästinensischen Ramallah, bis er 2011 in medicos
Frankfurter Zentrale wechselte und ihr Nahostreferent wurde.