Israel -Palästina
Eklat mit Weiterungen?
von Reiner Bernstein am 25.April 2017
Deutsche Politprominenz
auf Reisen in Israel. Den Anfang macht in diesen Tagen Außenminister Sigmar
Gabriel, Alt-Bundespräsident Joachim Gauck legte gemeinsam mit Staatspräsident
Reuven Rivlin im Kibbutz-Museum der „Ghettokämpfer“ („Lochamei Ha-Getta‘ot“) zum
Gedenken an die deutschen Verbrechen einen Kranz nieder, und am 06. Mai wird
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Antrittsbesuch in Jerusalem
erwartet.
So weit, so angemessen –
wenn Gabriel nicht beabsichtigt hätte, Vertreter der Menschenrechtsorganisation
„B’tselem“ („Im Angesicht“, Genesis 1,27) und von „Breaking the Silence“, die
nach ihren Erfahrungen als Soldaten gegen die Politik gegenüber den
Palästinensern protestieren, sowie von „Ir Amim“ („Stadt der Völker“:
Jerusalem) zu treffen. Während in der Bundesrepublik kein vernünftiger
Politiker einem Staatsgast die Begegnung mit regierungskritischen
Persönlichkeiten und Einrichtungen untersagt – es sei denn wie im Falle der
Türkei, wenn zur Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaat aufgerufen wird –,
hat Benjamin Netanjahu beim deutschen Außenminister zu einem Ultimatum
gegriffen.
Bislang war es ein
ungeschriebenes Gesetz, dass die deutsche Diplomatie der Devise folgte, in
Israel allein mit Kabinettsmitgliedern und Parlamentariern Gespräche zu führen.
Das Motto lautete: „Die Chefs sprechen nur mit den Chefs.“ Diese Vorgabe
scheint sich zu erledigen, nachdem Angela Merkel vor zwei Jahren ihrem
Amtskollegen öffentlich vorhielt: „Du machst ja sowieso, was Du willst.“ Dass
Gabriel die Drohung aus Israels zweitem TV-Kanal erfuhr, belegt einmal mehr die
Verachtung, die Netanjahu auswärtigen Gästen zuteilwerden lässt. Ganz auf
dieser Linie hat der scheidende israelische Botschafter Berlin aufgefordert,
die Rolle als politischer Vermittler fallenzulassen und die Autonomiebehörde zu
direkten Verhandlungen zu zwingen – damit diese die endgültige Annexion der
Westbank hinnimmt.
Die Bundesregierung ist
drauf und dran, sich nicht länger an der Nase herumführen zu lassen. Berlins
Absage der Regierungskonsultationen war eine Warnung, die in Jerusalem auf
taube Ohren stieß. Bemerkenswert allerdings, dass sich Rivlin und
Oppositionsführer Yitzhak Herzog von Netanjahu mit dem Urteil distanzierten,
nicht jede Kritik an der israelischen Politik sei antisemitisch, und die
Beziehungen zu Europa insgesamt belastet sehen. Gespannt sein dürfen wir, ob
Steinmeier Anfang Mai allein seine bekannten diplomatischen Karten zieht oder
sich auf seinen „Instrumentenkasten“ als Außenminister besinnt.
Was nun, Herr Gabriel?
Vor 45 Jahren hat der 1928 aus Berlin in Palästina eingewanderte Philosoph und
Erziehungswissenschaftler Akiva Ernst Simon in einem Brief an den Schweizer
Theologen Markus Barth geschrieben: „Wir können dem Frieden nicht dienen, wenn
wir nur sanft wie die Tauben sind.“ Nachdem sich die israelische Politik dem
nationalen Ausgleich mit den Palästinensern verweigert, ist die Zeit gekommen,
dass die deutsche und die internationale Diplomatie den friedensbewegten
Kräften auf beiden Seiten der einstigen Grünen Linie ihre Aufmerksamkeit
widmet.
Übrigens: Die
Standfestigkeit Gabriels ist eine glatte Ohrfeige für die
Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, die Evangelische Akademie Tutzing zur
Absage der Tagung „Nahost-Politik im Spannungsdreieck. Israelisch-palästinensische
Friedensgruppen als Lernorte für deutsche Politik?“ zu veranlassen.
Quelle: https://www.jrbernstein.de/blog-1/2017/4/25/eklat-mit-weiterungen