Iran -Russland
RIAC analysiert: Wie Russland auf einen US-Krieg gegen Iran reagieren würde
7 Feb. 2021
Die
Vorstellung, dass Russland in einen möglichen Krieg zwischen den USA und Iran
direkt eingreifen würde, ist ebenso falsch wie die, dass Moskau sich einfach
zurücklehnen und einer großen Verschiebung der Kräfteverhältnisse in der Region
zuschauen würde.
Quelle: Reuters ©
Infolge der
Ermordung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch die USA kam es 2020 zu einem beschränkten
militärischen Konflikt.
2020 war der
Höhepunkt der Spannungen zwischen den USA und Iran seit dem Ende des
Tankerkrieges im Jahr 1987 erreicht. Die Maximaldruckkampagne der
Trump-Regierung und die iranische Widerstandspolitik generierten nacheinander
Kollisionspunkte, führten aber nicht zu einem totalen Krieg. Ein Arbeitspapier,
das unlängst beim Russischen Rat für internationale Angelegenheiten (RIAC) veröffentlicht wurde, widmet sich
der Analyse von Kosten und Nutzen von Moskaus Strategie und Position
in einem möglichen Kriegsszenario zwischen den USA und Iran.
Was kann
Russland gewinnen
Ein
US-Krieg gegen Iran hätte ein langfristiges Engagement der USA im Nahen
Osten zur Folge, und er dürfte die US-Sicherheitsstrategie auf der
globalen Ebene im Wettbewerb mit der Großmacht Russland
gefährden. Nach dem Konzept der iranischen
"Abschreckungsstrategie" werde es keinen begrenzten Krieg mit den USA
geben. Iran wolle, so das Arbeitspapier, die Kosten eines
militärischen Schritt der USA gegen das Land erhöhen. Auf jeglichen
US-Militärschlag gegen Iran werde eine "massive Vergeltung" von
iranischer Seite folgen. Ein US-Militärschlag würde insofern die Lage
außer Kontrolle bringen, da Iran das Schlachtfeld auf den gesamten Nahen Osten
ausweiten und US-Ziele überall in der Region angreifen würde, kommentierte der
RIAC.
Eine
Situation als solche wirke sich auf konventionelle US-Machtprojektionsfähigkeit
negativ aus, weil die USA dementsprechend noch mehr Truppen in die
Region schicken müssten. Die USA würden dann faktisch dazu gezwungen,
die Zahl ihrer in Osteuropa und Südostasien stationierten Soldaten zu
reduzieren, was Russland und China mehr Handlungsspielraum in diesen strategischen Gebiete verschaffen würde, heißt es
dazu weiter in dem Papier.
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Für die USA
sei es entscheidend, Moskau davon abzuhalten, Teheran mit irgendwelchen Mitteln
zu unterstützen, ob durch finanzielle oder militärische Hilfe, wenn ein offener
Konflikt zwischen Iran und den USA ausbräche. Russland gehöre zu den wenigen
Ländern, die die Aufrechterhaltung eines funktionierenden
Verteidigungsverhältnisses mit Iran anstrebten.
Sowohl die
russische als auch die iranische Wirtschaft sei abhängig von Öl- und Gasexport.
Von daher sei der Rückgang des iranischen Anteils am Kraftstoffmarkt eine
Chance für Russland, seine Pläne auf dem globalen Energiemarkt besser
durchzusetzen.
Die Aramco-Ölanlage in
Saudi-Arabien sei bereits offenbar das Ziel der Angriffe durch
Verbündete Irans geworden, insofern sei es zudem vorstellbar, dass Iran sich im Fall eines
Krieges nicht scheue, erneut Öllager der arabischen Golfstaaten anzugreifen.
Was hat
Russland zu verlieren?
Für Moskau
bedeute der Verlust eines regionalen Akteurs wie der Islamischen Republik den
"Verlust eines wichtigen Partners", der "die Last der Bekämpfung
der von den USA geführten unipolaren Weltordnung mit Russland" teile.
Es sei fast ein Jahrzehnt her, dass Russland und Iran ihre Ressourcen
und den Informationsaustausch auf regionaler Ebene gegen US-Ambitionen
bündelten, so das Arbeitspapier. "Das Fehlen dieser Zusammenarbeit"
würde grundsätzlich zum stärkeren Gebrauch russischer Ressourcen führen, um
dasselbe geopolitische Ziele zu erreichen.
Das Streben
nach einer "multipolaren Welt" verbinde beide Länder miteinander, und
das Scheitern beider könne diese breitere revisionistische Perspektive für die
neue Weltordnung ernsthaft negativ beeinflussen. Der Sturz der staatlichen
Ordnung in Teheran würde das letzte ernsthafte Hindernis für den Aufbau
einer von den USA geführten Sicherheitsarchitektur im Nahen Osten beseitigen,
heißt es im Arbeitspapier des RIAC. Der Sturz der Islamischen Republik
schränke Moskaus strategische Ambitionen erheblich ein und
gefährde Russlands Position als Gegengewicht zu Washingtons Rolle im Nahen
Osten und im Mittelmeerraum. Der
sogenannte "Regimewechsel" durch die USA würde Moskau mit
unerwünschten Entscheidungen konfrontieren. Russland müsste entweder seine
finanziellen und militärischen Mittel erheblich erhöhen, oder seine
Nahostpolitik auf der Grundlage eines von den USA geführten Systems überdenken,
heißt es im Arbeitspapier.
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Moskau
Die
Islamische Republik habe in den letzten drei Jahrzehnten bewiesen, dass sie ein
verlässlicher russischer Partner in der Kaukasusregion sei und die
geopolitischen Interessen Moskaus in Zentralasien anerkenne. Teheran verstehe
sich im Grunde als ein Machtfaktor im Nahen Osten. In krassem Gegensatz zu
seiner Nahostpolitik strebe Teheran keine "revisionistische Machtprojektion"
in Zentralasien und Kaukasus an. Stattdessen nehme Iran eine konservative
Position ein, die darauf abziele, den "Status quo" an den nördlichen
Grenzen beizubehalten. Die russischen Politiker betrachteten die
Politik Irans in dieser Region positiv, da beide danach streben, die Region zu
stabilisieren und den "westlichen Interventionen" sowie der
"Verbreitung der politischen Agenda durch die Türkei"
entgegenzuwirken. Ein US-Krieg gegen Iran würde zudem das Risiko
der Radikalisierung im Kaukasus durch dschihadistische
Gruppen erhöhen, da Teheran inmitten eines militärischen Konflikts mit den USA
nicht mehr in der Lage wäre, dschihadistische Gruppen
im Irak und in Syrien und deren Verbündete in Zentralasien zu bekämpfen.
Iran und
Russland hätten in letzten Jahren den Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und die Ausbreitung der islamistischen
Milizen im syrischen Bürgerkrieg verhindert. Die Strategie Moskaus in
Syrien wäre negativ betroffen, wenn der mögliche Militärkonflikt zwischen
den USA und Iran sich auch auf Levante auswirken würde, heißt es
in dem Arbeitspapier. Eine geringere iranische Präsenz ohne praktikablen Ersatz
hinterließe ein "Machtvakuum" in Syrien. Ein solches Vakuum würde
insbesondere in den Gebieten sichtbar, wo iranische Kräfte aktiv
seien: wie in Deir ez-Zor
und anderen Gebieten an der Grenze zum Irak und im Gebiet von Aleppo. Wenn
Iran sich von diesen Fronten zurückzöge, würde dies Russland und Syrien
erschweren, die letzte Dschihadisten-Hochburg Idlib von den Terroristen zurückzuerobern.
Die
russische Reaktion auf einen US-Militärschlag
Der mögliche
Konflikt zwischen den USA und Iran würde sich von früheren
US-Interventionen im Nahen Osten unterscheiden. Ein drohender Konflikt
würde nicht zwischen einer Supermacht und einem fragilen Staat wie dem Irak
oder Syrien bestehen, sondern es käme zur Konfrontation zwischen einer
regionalen Macht, die über ein Netzwerk gut bewaffneter regionaler
Stellvertreter verfügt und großen ideologischen Einfluss in der Region hat.
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Ein Konflikt
zwischen den USA und Iran würde, so das Arbeitspapier, die Nahostpolitik
Russlands in ein "Dilemma" stürzen. Russland müsste entweder
neutral bleiben oder das Risiko eingehen, neuen Bedrohungen ausgesetzt zu
sein. In beiden Fälle wäre es unwahrscheinlich, dass die Nahostpolitik Moskaus
dieselbe bleibt.
Eine
russische Reaktion auf einen möglichen Krieg zwischen den USA und Iran scheine
unvermeidlich. Diese Reaktion sollte von zwei Faktoren beeinflusst sein:
der russischen Wahrnehmung der Bedrohungen durch die US-Konfrontation mit Iran
und den politischen sowie wirtschaftlichen Chancen, die sich aus einem
möglichen Konflikt für Moskau ergäben. Die Motivation der USA, eine
Militäroperation in Iran vorzunehmen und einen "Regimewechsel"
durchzuführen, hielte Russland wohlgemerkt für eine
"Bedrohung". Allerdings könne ein "Präventivschlag"
der USA gegen Iran aufgrund des mutmaßlichen Baus einer Atombombe von der
russischen Führung anders interpretiert werden, so die RIAC-Analysten:
"Ein bahnbrechender Faktor in Moskaus Berechnungen" sei insofern
die iranische Entscheidung für oder gegen die Entwicklung einer Atombombe.
Aufgrund der "Realpolitik
Russlands" sei die Vorstellung, dass sich Moskau in einen möglichen
militärischen Konflikt zwischen den USA und Iran direkt auf iranische Seite
schlagen würde, ebenso falsch wie die, dass Russland sich einfach
zurücklehnen und einer
großen Verschiebung der Kräfteverhältnisse in der Region zuschauen würde,
analysiert der RIAC.
Mögliche grundlegende
Veränderungen in der Region durch einen sogenannten "Regimewechsel"
in Teheran dürften den Kreml allerdings veranlassen, Schritte zu unternehmen,
um eine existenzielle Bedrohungen für die Islamische Republik abzuwehren, so das Arbeitspapier.
Meinung
Was die Ermordung von Soleimani mit dem russischen Militäreinsatz in Syrien zu
tun hat
Moskau habe
nicht nur Israels Sicherheitsbedenken in Bezug auf die iranische Politik
anerkannt, sondern auch das Recht Irans, seine Verteidigungsfähigkeit gegen
Bedrohungen aufrechtzuerhalten. Ein Teil der russischen Lösung zur Entschärfung
existenzieller Bedrohungen der Islamischen Republik manifestiere sich insofern
in der Bereitschaft, militärische Hilfe im Rahmen der Militärabkommen
anzubieten, um die "konventionelle Abschreckung Irans" zu stärken.
Samir Kabulow, der Sonderbeauftragte des russischen
Außenministeriums für asiatische Länder, argumentierte im Juli 2019, dass es
unwahrscheinlich sei, dass Russland bei Ausbruch eines Krieges völlig neutral
bleibe. Er sagte: "Iran würde standhalten, und Iran ist nicht allein, aber
wenn die USA angreifen würden, wären bestimmte Aktionen eine Option für
den russischen Präsidenten." Es sei, so das Arbeitspapier, allerdings
"unwahrscheinlich", dass Moskau "direkt" in den
möglichen Krieg zwischen Iran und den USA eingreifen würde.