Folgende wichtige Initiativen gegen den Krieg schickte uns Clemens
Ronnefeld zu:
unter der (Internet-) Überschrift "Letzte
Ausfahrt vor dem Abgrund" schreibt Peter Münch
am 29.7.2014 in der Süddeutschen Zeitung:
http://www.sueddeutsche.de/politik/hamas-im-gaza-krieg-kampf-bis-zum-untergang-1.2068661-2
(...)
"Vom
UN-Generalsekretär über den amerikanischen bis zum deutschen Außenminister betonen
alle, dass die 1,8 Millionen Bewohner des Küstenstreifens nach dem Krieg
dringend Luft zum Atmen brauchen, also eine Öffnung der Grenzen.
Selbst
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach am Sonntag in TV-Interviews
mit amerikanischen Sendern von der Notwendigkeit 'wirtschaftlicher und sozialer
Erleichterungen' in Gaza. Aber unisono
nennen sie
dafür auch den gleichen Preis: eine Demilitarisierung des Küstenstreifens. Und
eine Zustimmung dafür vonseiten der Hamas ist kaum vorstellbar.
Selbstzweck
der Hamas ist der Krieg gegen Israel
Schließlich
ist die 1987 gegründete Organisation per eigener Definition eine
Widerstandsgruppe. Zwar ist sie auch eine politische Partei, die 2006 die
palästinensischen Wahlen gewonnen hat. Obendrein zeigt sie sich als frommer
Wohltätigkeitsverein. Aber ihr Sinn und Zweck liegt im Kampf gegen die
israelischen Besatzer, und dazu braucht man Waffen.
Andererseits
ist die Hamas längst nicht mehr jener monolithische Block aus früheren Zeiten.
Drei Machtzentren sind entstanden, die bisweilen verschiedene Interessen
verfolgen. Auf der politischen Ebene konkurrieren miteinander die Exil-Führung
unter dem in Katar residierenden Khaled Meschal und die Gaza-Regierung von
Ismail Hanija. Daneben stehen die von Mohammed Deif kommandierten Kämpfer der Kassam-Brigaden.
In den
Zeiten des Kampfes haben die Milizen das Ruder übernommen. Wenn sich der
politische Flügel am Ende dieses Krieges also auf eine Demilitarisierung
einlassen würde, um damit wenigstens das eigene Überleben zu sichern, dann
droht der Konflikt mit den Kämpfern. Dies scheint der Grund zu sein, dass die
Hamas nicht herausfindet aus diesem Krieg, den sie niemals gewinnen kann."
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In der
Druckausgabe der SZ, 30.7.2014, schreibt Peter Münch auf der Titelseite unter der Überschrift: "Lage
für die Menschen in Gaza wird hoffnungslos":
"(...)
Im Norden, Süden, und im Zentrum des Küstenstreifens wurden die Bewohner von
der israelischen Armee aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen und Schutz zu suchen.
Doch angesichts der heftigen Gefechte sind sichere Orte nirgends zu finden.
(...) Israels Armeesprecher Peter Lerner sprach am Dienstag von einer
'graduellen Erhöhung des Drucks'. Premier Benjamin Netanjahu hatte am Vorabend
einen langen Feldzug angekündigt. Seinem Wirtschaftsminister Naftali Bennett
allerdings ist die bisherige Kriegsführung nicht genug. Das Ziel der
Militäroperation dürfe nicht nur die Zerstörung der Tunnel sein. Nötig sei
eine 'Niederlage der Hamas'.
(...)
Eine
US-Außenamtssprecherin warf Israel eine Desinformationskampagne vor, da der
Plan von US-Außenminister John Kerry für eine Waffenruhe als 'kompletter Fehlschlag'
verworfen wurde."
Am 28.7.2014
schrieb Tomas Avenarius in der SZ-Druckausgabe unter der Überschrift "Womöglich das
kleinere Übel", auf S. 7:
"Auf
Kritik am Gaza-Krieg reagieren viele in Israel empfindlich. Die
politische Führung und die meisten Bürger wollen sich nicht sagen lassen,
wie man militärisch gegen die militante Hamas vorgehen müsse. Doch diesem
Mann sollte Israel vielleicht Gehör schenken: Generalleutnant Michael Flynn, der scheidende Chef des
US-Militärgeheimdiensts Defense Intelligence Agency, warnte jetzt davor, die
radikal-islamische Organisation und ihre Kassam-Miliz zu zerschlagen.
'Wenn Hamas zerstört wird und verschwindet, könnte noch etwas Bedrohlicheres
entstehen', sagte er beim Aspen Security Forum in Colorado. 'So etwas wie
Isis'. Flynn ist anti-israelischer Haltung unverdächtig. (...)"
Vor diesem
Hintergrund sende ich drei Nahost-Beiträge:
1. Yuli
Novak, ehemalige israelische Soldatin im Rang eines
Oberleutnant, seit 2013
geschäftsführende Direktorin von "Breaking the Silence", appelliert in der SZ,
28.7.2014, an die Öffentlichkeit, "rote Linien" zu ziehen, da die
israelische Armee Wohnhäuser bombardiert.
2. Sechs
FriedensnobelpreisträgerInnen sowie zahlreiche Intellektuelle fordern in einem gemeinsamen Appell ein Waffenembargo
gegen Israel.
3.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier plädiert im Berliner Tagesspiegel
vom 21.7.2014 für eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten vor dem Hintergrund der Gewalt in Syrien und
Irak.
Diese
Beiträge folgen im Wortlaut, bzw. mit den jeweiligen Links.
Die "Jüdische
Stimme für einen gerechten Frieden - Israelis und Palästinenser - Zwei Völker - eine Zukunft", mit Sitz
in Oakland, USA
http://jewishvoiceforpeace.org/
hat am
28.7.2014 ein 4-Minuten-Video mit Namen der im Gazastreifen getöteten Opfer veröffentlicht,
das ein Zeichen der Besinnung setzt:
https://www.youtube.com/watch?v=pxDYiBls99w
Aktuelle
Lage-Berichte des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nation (UNRWA) zur Situation im
Gazastreifen (in englisch) finden sich hier:
http://www.unrwa.org/sites/default/files/gaza_flash_appeal2014.pdf
Mit
freundlichen Grüßen
Clemens
Ronnefeldt,
Referent für
Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen
Versöhnungsbundes
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1. Am
28.7.2014 schrieb Yuli Novak, von 2000 bis 2005 Soldatin in der israelischen Luftwaffe,
zuletzt Oberleutnant, seit 2013 geschäftsführende Direktorin von "Breaking
the Silence", einem Zusammenschluss regierungskritischer SoldatInnen, in der
Süddeutschen Zeitung, S. 2, unter der Überschrift "Tausend Kilo Tod":
http://www.sueddeutsche.de/politik/israelische-bomben-auf-gaza-tausend-kilo-tod-1.2064783
(...) 2002
war der Abwurf einer Ein-Tonnen-Bombe auf ein Haus und der Tod von 14
Zivilisten die Ausnahme - die Aktion zog eine kontroverse Debatte nach
sich. Einige Monate nach dem Anschlag auf Shehadehs Haus räumte die
Armee ein, der Bombenabwurf sei ein Fehler gewesen. Ursache sei das
Versagen des Geheimdienstes gewesen. Die Führung der IDF behauptete,
sie hätten den Einsatz nicht ausgeführt, wäre ihr bekannt gewesen,
dass sich Zivilisten in dem Haus befanden.
Sieben Jahre
später, während der Operation "Cast Lead" ("Gegossenes Blei")
im Jahr 2009, gehörte es bereits zu der gängigen Strategie, Bomben über
dicht besiedelten Gebieten im Gazastreifen abzuwerfen. Und nun, bei der
derzeitigen Operation "Protective Edge" ("Fels in der Brandung"),
rühmt sich die Luftwaffe damit, bereits mehr als hundert Ein-Tonnen-Bomben
auf Gaza abgeworfen zu haben. Was damals eine extreme Ausnahme war, ist jetzt
die offizielle Strategie.
Ein Einsatz
läuft heute in der Regel so ab: Wenige Minuten vor einem Bombenabwurf
warnen wir die Bewohner, dass die Zerstörung ihres Hauses unmittelbar
bevorsteht. Dies geschieht per SMS oder durch den Abwurf einer
kleineren Bombe als Warnung. Dies reicht nach unseren Maßstäben schon aus,
um das Haus zu einem legitimen Luftangriffsziel zu machen. Wer nicht
sofort flieht, stirbt. In den vergangenen beiden Wochen wurden auf
diese Weise Dutzende Zivilisten getötet.
Die Häuser
der Hamas-Angehörigen sind so zu angeblich legitimen Zielen geworden,
ungeachtet der Zahl der Menschen, die sich darin aufhalten. Anders als noch
2002 hält es niemand für nötig, dies zu rechtfertigen oder sich zu
entschuldigen - es ist halt so, und wer nach der Warnung bleibt, ist selber
schuld.
Noch
schlimmer ist aber, dass in Israel fast niemand gegen diesen Automatismus
protestiert. Ganze Familien werden innerhalb einer Sekunde ausgelöscht - und
die Öffentlichkeit bleibt gleichgültig. Von Jahr zu Jahr, von einer
militärischen Operation zur nächsten, wird die rote Linie weiter nach hinten
verschoben. Es ist nicht mehr klar, wo die Grenze des Erlaubten liegt und wie
wir Soldaten erkennen, wenn wir sie überschreiten. Wo wird sie bei der nächsten
Operation liegen? Wo in zehn Jahren?
Ich weiß aus
Erfahrung, dass es schwer ist, als Soldat während eines offenen Konflikts
Fragen zu stellen. Offiziere am Boden und in der Luft erhalten immer nur
Bruchstücke von Informationen - gerade während eines Militäreinsatzes.
Deshalb liegt die Verantwortung dafür, die rote Linie zu ziehen, bei der
Öffentlichkeit. Sie muss Alarm auslösen, wenn die rote Linie überschritten ist.
Es muss eine klare und laute Stimme zu vernehmen sein, die sagt: Es ist
unmoralisch, ein Haus zu bombardieren, in dem sich Zivilisten befinden. Dieses
Vorgehen darf keine offizielle Strategie sein, die fraglos akzeptiert wird.
(...)
---------------------------------------
2. Die
FriedensnobelpreisträgerInnen Erzbischof Desmond Tutu, Adolfo Peres Esquivel, Jody
Williams, Mairead Maguire, Rigoberta Menschù und Betty Williams haben einen
offenen Brief an die Vereinten Nationen und Regierungen weltweit
gerichtet und diese aufgefordert, ein Waffenembargo gegen Israel zu
verhängen.
Am 18.7.2014
berichtete der britische "Guardian" über diesen Appell:
http://www.theguardian.com/world/2014/jul/18/arms-trade-israel-attack-gaza
Eine
deutsche Übersetzung findet sich unter:
Wieder
einmal hat Israel seine massive Waffengewalt gegen die eingekerkerte
Bevölkerung Palästinas losgelassen, besonders im belagerten Gaza-Streifen. Das ist
ein unmenschlicher und illegaler Akt militärischer Aggression. Israel
kann derartig zerstörerische Angriffe ungestraft nur deshalb führen,
weil es weltweit mit komplizenhaften Regierungen eine umfangreiche
internationale militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit
unterhält. In den Jahren 2008 bis 2019 sollen die USA Israel
Militärhilfe im Umfang von 30 Milliarden US-Dollar gewähren. Gleichzeitig
erreichen Israels Militärexporte in alle Welt Milliardenhöhe.
In den
letzten Jahren haben europäische Länder Waffen im Wert von Milliarden
Euro nach Israel exportiert. Die EU ihrerseits hat israelischen
Waffenproduzenten Forschungsdarlehen im Wert von Hunderten von Millionen gewährt.
Aufstrebende
Volkswirtschaften wie Indien, Brasilien und Chile treiben ihre
militärisch-wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Israel rapide voran,
während sie öffentlich ihre Unterstützung für die Rechte Palästinas
erklären. Mit dem Import und Export von Waffen von und nach Israel und
der Förderung israelischer Militärtechnologie senden diese Regierungen
ein klares Signal: sie stimmen Israels bewaffneten Angriffen
einschließlich damit verbundener Kriegsverbrechen und möglicher
Menschenrechtsverbrechen zu.
Israel
vermarktet seine militärische Technologie als „schlachtfeld - erprobt“ und
exportiert sie weltweit. Waffenhandel und gemeinsame militärische
Forschungsvorhaben bestärken Israel darin, bedenkenlos gegen das
Völkerrecht zu verstoßen. Das bestärkt und verfestigt Israels
System der Besatzung, Kolonialisierung und systematischen Entrechtung
der Palästinenser.
Wir rufen
die Vereinten Nationen und Regierungen weltweit auf, unverzüglich
ein umfassendes und rechtsverbindliches Waffen-Embargo gegen Israel
in Kraft zu setzen, ähnlich wie es gegen Südafrika während der
Apartheid verhängt wurde.
Adolfo Peres Esquivel Nobel Peace
Laureate, Argentina, Ahdaf Soueif author, Egypt/UK, Aki
Olavi Kaurismäki film director, Finland, Alice Walker writer,
US, Archbishop Desmond Tutu Nobel Peace Laureate, South
Africa, Betty Williams Nobel Peace Laureate, Ireland, Boots
Riley rapper, poet, arts producer, US, Brian Eno musician,
UK, Caryl Churchill playwright, UK, Chris Hedges journalist,
Pullitzer Prize 2002, US, Cynthia McKinney politician,
activist, US, David Palumbo-Liu academic, US, Etienne
Balibar philosopher, France, Federico Mayor Zaragoza former
Unesco director general, Spain, Felim Egan painter,
Ireland, Frei Betto liberation theologian, Brazil, Gillian
Slovo writer, UK/South Africa, Githa Hariharan writer,
India, Giulio Marcon MP (SEL), Italy, Hilary Rose academic,
UK, Ilan Pappe historian, Israel, Ismail Coovadia former
South African ambassador to Israel, James Kelman writer,
Scotland, Janne Teller writer, Denmark, Jeremy Corbyn MP
(Labour), UK, Joanna Rajkowska artist, Poland, Joao
Felicio, President of ITUC, Brazil, Jody Williams Nobel
Peace Laureate, US, John Berger artist, UK, John
Dugard former ICJ judge, South Africa, John McDonnell MP
(Labour), UK, John Pilger journalist and filmmaker,
Australia, Judith Butler philosopher, US, Juliane
House academic, Germany, Karma Nabulsi Oxford
University, UK/Palestine, Ken Loach filmmaker, UK, Kool
AD (Victor Vazquez) musician, US, Liz Lochhead national
poet for Scotland, UK, Luisa Morgantini former vice president
of the European Parliament, Italy, Mairead Maguire Nobel Peace
Laureate, Ireland, Michael Mansfield barrister, UK, Michael
Ondaatje author, Canada/Sri Lanka, Mike Leigh writer
and director, UK, Naomi Wallace playwright, screenwriter,
poet, US, Noam Chomsky academic, author, US, Nurit
Peled academic, Israel, Prabhat Patnaik economist,
India, Przemyslaw Wielgosz chief editor of Le Monde
Diplomatique, Polish edition, Poland, Raja Shehadeh author and
Lawyer, Palestine, Rashid Khalidi academic, author,
Palestine/US, Richard Falk former UN special rapporteur on Occupied
Palestinian Territories, US, Rigoberta Menchú Nobel Peace
Laureate, Guatemala, Roger Waters musician, UK, Ronnie
Kasrils former government minister, South Africa, Rose Fenton director,
Free Word Centre, UK, Sabrina Mahfouz author, UK, Saleh
Bakri actor, Palestine, Sir Geoffrey Bindman lawyer,
UK, Slavoj Zizek author, Slovenia, Steven Rose academic,
UK, Tom Leonard writer, Scotland, Tunde Adebimpe musician,
US, Victoria Brittain journalist, UK, Willie van Peer
academic, Germany, Zwelinzima Vavi secretary general of
Cosatu, South Africa
Quellen:
http://www.theguardian.com/world/2014/jul/18/arms-trade-israel-attack-gaza
Aus dem Englischen von Ulrike
Vestring
Mehr dazu: http://www.bdsmovement.net/2014/nobel-celebrities-call-for-military-embargo-12316#sthash.pE3KPT2x.dpuf
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Dieser
Aufruf kann von jeder Person unterzeichnet werden unter:
http://www.bdsmovement.net/stoparmingisrael
Die Unterschriften werden im September dem
neuen UN High Commissioner for Human Rights übergeben.
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3. Unter der
Überschrift "Kampf ums Öl" schreibt Tomas Avenarius am 30.7.2014 in der SZ,
S. 7:
"In
Syrien kämpfen die Truppen von Präsident Baschar al-Assad verbissen gegen die
Militanten des Islamischen Staats (IS). Schon mehr als 1100 Soldaten des
Regimes sollen im Juli bei Gefechten mit der radikalislamischen Miliz
getötet worden sein".
Bundesaußenminister
Frank-Walter Steinmeier plädiert im Berliner Tagesspiegel
vom 21.7.2014 für eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen
Osten vor dem Hintergrund der Gewalt in Syrien und Irak:
Gastbeitrag
Steinmeier:
Eine KSZE für den Nahen Osten
21.07.2014
13:01 Uhr
Von
Frank-Walter Steinmeier
Der Nahe
Osten gerät aus den Fugen. Deshalb sollte der Versuch gewagt werden, die
Suche nach Auswegen auf eine neue Ebene zu heben. Schließlich
eint die einzelnen Staaten das Bedürfnis nach Sicherheit.
Ein
Gastbeitrag des Bundesaußenministers.
Uns Europäer
hält die Ukraine-Krise in Atem. Derweil gerät der Nahe Osten aus
den Fugen. Aus dem Aufstand gegen den syrischen Diktator Baschar al
Assad ist erst ein innersyrischer Bürgerkrieg und mittlerweile ein regionaler
Stellvertreterkrieg geworden. Jetzt sind die syrischen Funken in den
Nachbarstaat Irak übergesprungen und haben dort die schwelenden Reste des
nicht überwundenen Konfliktes neu angefacht.
Es kämpfen
Schiiten gegen Sunniten, radikale gegen noch radikalere Fundamentalisten,
Kurden gegen Araber, Terroristen gegen Demokraten gegen Diktatoren. Regionale
Nachbarn, aber auch Großmächte unterstützen ihre Stellvertreter
vor Ort, mit Geld, auch mit Waffen.
Es gibt kein
kohärentes Vorgehen der internationalen Gemeinschaft: Manche
agieren aus Verantwortungsgefühl, andere leichtfertig, die einen
defensiv, die anderen offensiv. Weder die Beteiligten noch die Außenstehenden
können genau sagen, ob der jeweils andere aus Stärke oder
Schwäche handelt. Millionen von Menschen haben in den Nachbarländern
Zuflucht gesucht und überfordern dort die staatlichen Strukturen.
Die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) weitet ihren Herrschaftsbereich
in Syrien und im Irak aus und will die bestehenden Staaten
hinwegfegen.
Nur die
Symptome zu kurieren, reicht nicht aus
Das stellt
hohe Anforderungen an ein regionales und internationales Krisenmanagement.
Iraks Ministerpräsident Maliki muss klargemacht werden, dass nur eine inklusive
Regierung der Bedrohung seines Landes Herr werden kann. Die
Unterstützungskanäle für IS müssen zugeschüttet werden. Die Nachbarstaaten
brauchen dringend noch mehr Hilfe zur Versorgung der Flüchtlinge. Das
alles ist richtig, aber es reicht nicht aus. Nur die Symptome zu
kurieren, bringt uns letztlich einer nachhaltigen Lösung nicht
wirklich näher.
Sollte nicht
der Versuch gewagt werden, die Suche nach Auswegen auf eine andere
Ebene zu heben? Auch wenn das heute nur eine ferne Vorstellung
von der Zukunft ist: Nachdenken sollten wir über eine neue Ordnung für
den Nahen und Mittleren Osten, die die Sicherheitsinteressen der Akteure
neu definieren und gewährleisten könnte. Auch in Europa war das
Konzept gemeinsamer Sicherheit lange eine politisch kaum vorstellbare
Utopie. Uns ist es damals dennoch gelungen, in wahrlich schwierigen
Zeiten die ‚Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa‘
(KSZE) ins Leben zu rufen. Mit ihr ist die Idee gemeinsamer Sicherheit
mehr und mehr an die Stelle einer konfrontativen Konfliktlogik
getreten. Das war mühsam und verlief nicht ohne Rückschläge. Aber
zweifellos hat der Helsinki-Prozess in den 70er und 80er Jahren des
letzten Jahrhunderts einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, den
Kalten Krieg in eine Phase der Entspannung zu überführen.
Das kann
natürlich nicht eins zu eins auf eine andere Region zu einer anderen Zeit
übertragen werden, und das muss es auch nicht. Aber der Gedanke an
Helsinki kann uns helfen zu verstehen, was die Grundlage einer
solchen Ordnung sein könnte: Echte Sicherheit miteinander statt trügerischer
Sicherheit voreinander, und das auf der Grundlage langsam wachsenden
gegenseitigen Vertrauens.
Dieser
Konflikt geht auch uns an
Eine Suche
nach Gemeinsamkeiten müsste vor Ort beginnen, ohne Tabus und
Vorfestlegungen. Es geht darum, Interessen abzugleichen, um sie ausgleichen
zu können. Interessenparallelen lassen sich finden: Alle Nachbarstaaten
und die internationale Gemeinschaft eint die Sorge davor, dass
terroristische Banden wie IS ein dauerhaftes Eigenleben entwickeln.
Eine gewaltsame Verschiebung von Grenzen will keiner der Staaten in der
Region. Alle haben Furcht davor, dass Waffen in die falschen
Hände geraten könnten. Und alle haben ein Interesse daran, die
Minderheiten in ihrem Land, ob ethnische oder religiöse, nicht in offene
Feindschaft zum Staat driften zu lassen.
Niemand
erwartet einen raschen Erfolg solcher Bemühungen. Aber begonnen
werden sollte, und zwar so schnell wie irgend möglich. Das schulden wir
nicht nur den Menschen in der Regionen. Das ist auch ein Beitrag zu
unserer eigenen Sicherheit: Syrien ist Ausbildungsstätte für Tausende
von europäischen Dschihadisten, die dort üben, was sie nachher in
unseren Städten praktizieren wollen, und Irak droht es zu werden.
Das darf
nicht sein. Denn dieser Konflikt geht uns an, mehr, als viele glauben.
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Sie können
diesen Ansatz unterstützen durch eine zustimmende Nachricht an den
Bundesaußenminister:
Mailadresse
von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier: frank-walter.steinmeier@bundestag.de
oder durch
Leserbriefe an ihre lokalen Zeitungen, in denen Sie ebenfalls eine solche
Konferenz fordern.
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Clemens Ronnefeldt
Referent für Friedensfragen beim
deutschen
Zweig des internationalen
VersöhnungsbundesA.-v.-Humboldt-Weg 8a 85354 Freising
Tel.: 08161-547015
Fax: 08161-547016