Griechenland- Volksabstimmung
Klares Nein zu Bedingungen der EU-Geldgeber
Wir sind alle Griechen
von Luz
María De Stéfano Zuloaga de Lenkait
Der IWF fordert eine "klare
Umschuldung", damit eine weitere Finanzierung sinnvoll ist. Das bedeutet,
dass jede Rückzahlung der Schulden zunächst aufgeschoben wäre. Die geforderte
Umschuldung findet sich in den EU-Dokumenten allerdings nicht. Was für eine
Seriosität ist das?
Die EU-Kommission hat am Sonntag 28.6. den
allerletzten Stand der Verhandlungen veröffentlicht, die Freitag 26.6 um
Mitternacht abgebrochen wurden, als Tsipras das Referendum ankündigte, ein
Referendum, zu dem sich Regierung und Parlament in Athen entschlossen über die
Bedingungen der Geldgeber zu halten, die sogenannten "Reformen".
Danach haben sich bei der Liste von Sofortmaßnahmen beide Seiten angenähert.
Ein Angebot zur Umschuldung wurde - jedenfalls schriftlich - auch zu diesem
Zeitpunkt nicht unterbreitet. Die Unglaubwürdigkeit der EU ist offenkundig.
Am Montag 29.6. richtete sich der
Ministerpräsident Alexis Tsipras mit einer Rede an das griechische Volk :
<Die gestrige Entscheidung der Euro-Gruppe
verkörpert für europäische Verhältnisse offenkundig einen Akt, der das Recht
eines souveränen Staates ... auf das höchste und heilige Recht der
Meinungsäußerung, in Frage stellt.
Diese Entscheidung hat heute dazu geführt, dass
die EZB die Liquidität der griechischen Banken nicht erhöhen wird und die Bank
von Griechenland zur Inkraftsetzung von Maßnahmen der Bankenschließung und der
Beschränkung der Bankabhebungen gezwungen ist. Es ist mehr als sicher, dass
dieser Beschluss kein anderes Ziel verfolgt, als den Willen des griechischen
Volks unter Druck zu setzen und das normale demokratische Verfahren des
Volksentscheides zu behindern.
(Aber) diese Schritte werden genau das
Gegenteil bewirken. Sie werden das griechische Volk nur noch mehr in seiner
Wahl bestätigen, die nicht hinnehmbaren Vorschläge des Kürzungsprogrammes und
die Ultimaten der Gläubiger abzulehnen.
Eine Sache bleibt gewiss: ... der Versuch der
Entwertung eines der wertvollsten demokratischen Verfahren stellt einen Akt der
Entwürdigung und der größten Schande für die demokratische Tradition Europas
dar.
Aus diesem Grund habe ich heute erneut die
Bitte um eine kurzzeitige Verlängerung vorgebracht ... beim Vorsitzenden des
Europarates und bei den 18 Regierungschefs der Länder der Euro-Zone, ebenso wie
bei den Leitungen der EZB, der Kommission und des Europaparlaments. Ich erwarte
ihre unverzügliche Reaktion auf eine begründete Forderung nach Demokratie.
Es sind die einzigen, die ... den Entschluss
der Euro-Gruppe wenden und der EZB die Möglichkeit geben können, den
Liquiditätsfluss der Banken wiederherzustellen....
Die Bankeneinlagen der Bürger bei den
griechischen Banken sind absolut sichergestellt. Ebenso sichergestellt ist die
Überweisung von Gehältern und Renten.
Jedweden auftretenden Schwierigkeiten muss mit
Besonnenheit und Entschlossenheit begegnet werden. Je besonnener wir den
Schwierigkeiten begegnen, desto eher werden wir sie überwinden und desto milder
werden ihre Auswirkungen sein.
Wir haben heute die Möglichkeit, uns selbst und
der ganzen Welt zu beweisen, dass das Recht gewinnen kann. Wir haben ... die
historische Chance, eine Botschaft der Hoffnung und der Würde nach Europa und
in die ganze Welt hinaus zuschicken.
... In diesen kritischen Stunden, in denen wir
uns alle mit der Größe unserer Geschichte messen, ist unsere einzige Angst die
Angst. Wir werden es nicht zulassen, dass sie über uns siegt. Wir werden es schaffen.
Die würdevolle Haltung der Griechen gegenüber
den Erpressungen und dem Unrecht wird eine Botschaft der Hoffnung und des
Stolzes nach ganz Europa hinaus schicken. (Ansprache des griechischen
Ministerpräsidenten Tsipras - "Abgeschrieben", Junge Welt, 30.6.15)
Wiederholt verbreiteten ARD und
ZDF-Fernsehsendungen in Deutschland die Banken-Schließung in Griechenland und
wie die Menschen in Scharen an den Bankautomaten Schlange stehen. Zutreffend
artikulierte die spanische Zeitung El Mundo (4.7.15): "Was sie mit
Griechenland machen, ist Wirtschaftsterrorismus". EU-Eliten und ihre
Medien wollen diese Wahrheit nicht hören, nicht hinnehmen.
Griechenland war unter betrügerischen Umständen
in die Euro-Zone hinein gelotst worden, wobei die US-amerikanische Bank
Goldmann Sachs eine wichtige Rolle spielte. Die
bankrotten USA brauchen Europa und den Euro, um sich über Wasser zu halten,
denn Dollar und Euro sind über die Bankenaktivitäten der ganz großen Banken
beider Regionen gegenseitig voneinander abhängig.
Seit 2009/2010 muss auch der ARD-Redaktion
"Anne Will" klar sein, wie marode das neoliberale System wirkt. In
zwei oder mehr Sendungen entlarvte Anne Will 2012 das Scheitern des liberalen
Wirtschaftssystems mit seinen fatalen Konsequenzen für Griechenland und alle
südlichen Länder Europas. Anne Will: "Das Euro-Urteil. Ein guter Tag für
Deutschland?" (ARD-Fernsehen 12.9.12); Anne Will: "Griechenland
brennt, Deutschland zahlt, Euro-Rettung um jeden Preis?"(ARD-Fernsehen
15.2.2012)
Es ist offensichtlich, dass die Politik
untätig, paralysiert blieb. In der Tat hat sich die CDU/FDP/SPD-Politik seit
2008, also sieben Jahre lang absolut unwirksam gezeigt und der Spekulation der
Finanzindustrie, der Banken und Versicherungskonzerne freien Raum gelassen. Die
akute Zuspitzung heute in Bezug auf Griechenland ist nur die Spitze des
Eisbergs, den die EU-Spitzen-Politiker nicht sehen wollen. Wie auf der Titanic
geht es weiter, ohne den irrsinnigen Kurs zu ändern. Wahnsinn, Korruption,
Inkompetenz und dumme Arroganz sind die augenfälligen Faktoren, die zu einer
schweren europaweiten Katastrophe führen werden, sollten nicht sofort neue
Kapitäne das Schiff retten. Mafia-Bosse an der Spitze der EU sind zu mächtig,
aber ein dezidiertes, aufgeklärtes, mutiges Volk kann sie verbannen.
Stattdessen erleben wir in Europa die Duldung solcher Wirtschafts- und
Finanzmafia, die sich über die demokratisch legitimierte Politik stellen und
sie bestimmen.
Arnold Schölzel erhellt uns die heutigen
destruktiven Verhältnisse in seinem Leitartikel "Merkel und <Gabriel zu
Griechenland - Realität stört", Junge Welt, 30.6.:
<Die CDU-Kanzlerin und ihr SPD-Vize
repräsentieren nicht nur... die hiesige Einheitsfront für neoliberalen Unfug,
sie spielen auch ... gemischtes Doppel. .... bedingungslose Kapitulation - oder
es gibt nichts.
Schon gar keinen Marschall-Plan, wie ...
Ökonomen angesichts der Zerstörungen in Ökonomie und Gesellschaft Griechenlands
fordern. Denn ein solches Programm ist längst eine Prinzipienfrage. ... Gabriel
gab in der Pressekonferenz also den bösen Bullen und verkündete, Athen habe
"die Bedingungen für die Zusammenarbeit" verändern wollen. Die
wollten Geld für Wachstum und Beschäftigung. ... Gehalts- und Rentenkürzungen,
Lahmlegen des Gesundheitswesen (war die Antwort aus der EU) und... so verlangte
es das "großzügige Angebot" insgesamt Kürzungen ... der griechischen
Wirtschaftsleistungen... Wenn Hartz IV gut war für die Konjunktur in der
Bundesrepublik, dann muss Hartz X gut für Griechenland sein, am deutschen Agenda-Wesen
werden die Hellenen genesen. ...
Dicker als von Gabriel aber lässt sich
Demagogie immer noch auftragen.>
Schon 2012 sprach die heutige
CDU-Vizevorsitzende Ursula von der Leyen, damals Ministerin für Arbeit und
Soziales, bei "Anne Will" hoch demagogisch von "Reformen",
wohl wissend, dass es sich um inakzeptable Maßnahmen für den Abbau des Sozialen
handelt, um Kürzungen und Streichungen. Seitdem benutzt man medial diese
propagandistische Vokabel, um das herrschende unmenschliche Wirtschaftssystem unantastbar
zu lassen. Lediglich DIE LINKE, vor allem die Wirtschaftsexpertin Sahra
Wagenknecht, hat diese Desinformation, diese Falschheit entlarvt. Schon im Jahr
2012 bei Anne Will, wobei die FDP/SPD mit ihrem irreführenden Neoliberalismus
heute definitiv unterliegt.
Demokratie, Freiheit und Menschenrechte sind
die am meisten benutzten Vokabeln von diesen nutzlosen SPD/FDP-Elementen, die
nicht einmal wissen, was Demokratie und Menschenrechte bedeuten. Woher auch.
Europa hat keine Tradition von Demokratie. Insbesondere Deutschland nicht. Der
pure Absolutismus von Kaiser Wilhelm herrschte im 19. Jahrhundert, als andere
nichtkontinentaleuropäische Länder schon einen republikanisch funktionierenden
Staat mit Parlament hatten. Demokratie kann sich nicht von einem Tag auf den
anderen festigen. Sie benötigt überzeugte Übung und Tradition. Das hat
Deutschland nicht. Nach der totalen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde der
Marschall-Plan eingeführt und damit begann der wirtschaftliche Aufstieg der BRD
auf der Basis einer sozialen Marktwirtschaft. Seitdem wird der Glaube an einem
Marktkonformismus mit Demokratie verwechselt. Man glaubt demokratisch zu sein,
weil es Wahlen gibt. Aber eine richtige Volksentscheidung hängt von der
politischen Bildung der Bevölkerung ab. Deutschland ist eine Massengesellschaft
von fast 80 Millionen Menschen. Was liest diese deutsche Masse am liebsten?
Bild- und Express sind kein guter Indikator für Bildung und geistigen
Fortschritt dieser Massengesellschaft. Übrigens wurde die soziale Marktwirtschaft
völlig demontiert von SPD-Kanzler Gerhard Schröder und seinen grünen Kumpanen. Mit ihnen begann der Neoliberalismus, die Politik zu bestimmen.
Aber jetzt gibt es Kontra, auch wenn hier die
Medien anfangen, Gift und Galle zu spucken, wie Peter Frey im ZDF-Kommentar
(5.7., ca. 22.20 Uhr): Bravo, Griechenland! Und herzliche Glückwünsche für den
Ministerpräsident Alexis Tsipras. Das griechische Volk hat ihm sein Vertrauen
eindeutig manifestiert und der unverschämten EU-Einmischung eine Schlappe
erteilt. Eine Selbstverständlichkeit für Demokraten, die jede Fremdbestimmung
ablehnen. Die Völker in Spanien, Portugal und anderen Ländern sind mit ihren
Herzen bei den Griechen in Athen, die sich im Referendum mit einer überwältigen
Mehrheit für die Demokratie und gegen die Diktatur der Finanzmächte entschieden
hat. Über 64% der Wählerschaft hat ein klares Nein an Schäuble und EU-Politiker
gerichtet, die weiter eine Politik der Entwürdigung den Menschen diktieren
wollten. Weil der griechische Präsident sich wehrte und die Zustimmung seines
Volkes suchte, kochten diese Politiker vor Wut und verschlossen sich jeder
weiteren notwendigen Besprechung. Jetzt nach dem Ende des Referendums wagen sie
es nicht einmal, vor die Kameras zu treten. Stattdessen betretenes Schweigen
bei allen vorher so großspurig aufgetretenen Repräsentanten der
EU-Institutionen und deutschen Regierungsparteien. Vor solchen Betonköpfen darf
sich der Ministerpräsident Tsipras nicht exponieren. Mit arroganten dummen
Leute zu reden ist sinnlos. Alexis Tsipras und Griechenland sind weit weg von
solchen Spezies. Er darf sich jetzt nicht mehr erniedrigen. Er vertraute seinem
Volk und wusste, dass Griechenland diese historische Gelegenheit ergreifen
würde, um eine Botschaft der Hoffnung und Würde nach Europa und in die ganze
Welt hinaus zu senden. Dessen war sich das griechische Volk vollkommen bewusst.
Nicht so bei deutschen Medien und im deutschen EU-Establishment. Von Würde
versteht man hierzulande bei führenden etablierten Politikern und Journalisten nichts.
Der Triumph des Nein im Referendum ist die normalste Reaktion eines würdevollen
Volkes, das sich hinter seinen Präsidenten stellt und sicherlich nicht hinter
Fremde, die in seinem Land nichts zu sagen haben. Und am wenigsten hinsichtlich
der Zukunft der Griechen. Die europäische Arroganz hat die richtige Antwort
bekommen von einem kleinen, aber fortgeschrittenen demokratischen Volk, das
Wiege der Zivilisation ist. Wir sind alle Griechen in dieser herrlichen Stunde
der Freude und feiern recht herzlich mit ihnen!
Viel wichtiger für die griechische Regierung
als bei den EU-Institutionen sofort wieder vorstellig zu werden, ist jetzt, in
die Zukunft blicken und die marode EU-IWF-Politik zu vergessen. Die
BRICS-Staaten bieten eine ganz andere Konstellation mit viel Potential und
reiferem demokratischem Verständnis für Athen. Europa bleibt rückständig und zu
fern von einer wünschenswerten politischen Entwicklung