Offener Brief
eines Polizisten: Gedanken zum G20-Gipfel in Hamburg
5. Juni 2017
“Liebe Staats- und Regierungschefs, liebe Politiker
in Uniform und liebe hochrangigbesoldete Mitarbeiter:
Ich bin Ende 30 und Polizeibeamter. Ich versehe meinen
Dienst derzeit auf einem Stadtrevier im Streifendienst, vorher habe ich einige
Zeit in der Bereitschaftspolizei meines Bundeslandes den Dienst versehen.
Mittlerweile bin ich seit über 15 Jahren bei der Polizei.Ich habe durchaus
gelernt, auch mal gegen meine Überzeugung zu arbeiten. Wenn ich zum Beispiel
die Ablagerung von Atommüll durchsetze oder verfassungsfeindlichen
Organisationen zu ihrem Recht auf Versammlung verhelfe. Ich habe Gewalt aus
allen (un)politischen Richtungen erlebt, wurde bei Einsätzen verletzt und habe
fast das ganze Programm bekommen, was man in diesem Beruf erleben kann. Ich weiß
also, dass es nicht immer nur angenehme Aufgaben sind, die meine Kollegen und
ich bewältigen.
Der von Ihnen geplante G20 setzt all diesen Dingen
jedoch die Krone auf. Allein die Kosten, die vermutlich erst nach dem Gipfel
abzusehen sein werden, sind eine einzige Frechheit. Soll allein die GeSa
(Gefangenensammelstelle) tatsächlich über vier Millionen Euro kosten? Ihr
Ernst? Ich lade Sie gern ein, wenn Sie noch einen Programmpunkt zwischen teurem
Essen und Konzertbesuch frei haben, mal eine Schicht im Streifendienst zu
begleiten. Schauen sie sich gern Familien am Rande der Gesellschaft an, die wir
in polizeilichen Einsätzen oft erleben.Die Menschen, die ohne Obdach auf der
Straße (er)frieren, oder die, die sich beim Discounter um die Ecke eine Packung
Toastbrot und Käse klauen, um den Kindern Brote für die Schule zu machen. Ist
es tatsächlich ihr Ernst, solche Schicksale tagtäglich zu dulden, um an zwei
Tagen Milliarden von Euro für Ihr belangloses Stelldichein zu verschwenden, die
in unseren sozialen Systemen besser angelegt wären?
In dem Bereich in dem ich arbeite, gibt es
mittlerweile eine Obergrenze dafür, wie viele Streifenwagen nachts im Einsatz
sein dürfen. Wer die davor vorgenommenen Änderungen im Bereich der
Sonderzahlungen (Nachtdienste, DzuZ) mal beleuchtet, wird schnell feststellen,
dass dort Kostengründe dahinter stecken.
Und nun werden wieder Millionen von Euro in Sachen
Sicherheit in nur ein paar Tagen, für ein Event von ein paar Stunden, verheizt?
Wie gut könnte man das Geld in den Pflegeeinrichtungen
oder in der Flüchtlingsarbeit gebrauchen? Ich will jetzt nicht die ganz große
Keule schwingen, aber bedenken sie bei Ihren teuren Gängemenüs, dass täglich
durchschnittlich 40.000 Kinder in Entwicklungsländern verhungern. Machen Sie
sich mit vollem Bauch bewusst, dass es Ihre Aufgabe wäre, diesen Umstand zu
ändern! Eine komplette Stadt wird lahmgelegt, damit Sie, liebe Staatschefs,
Ihre Partner und Freunde, drei schöne Tage in der Hansestadt Hamburg
verbringen. In meiner Ausbildung habe ich mal etwas über “Erforderlichkeit” und
“Verhältnismäßigkeit” gelernt, nach deren Vorhandensein polizeiliche Maßnahmen
geprüft werden sollen.
Verraten Sie mir, welchen Durchbruch erwarten Sie auf
Ihrer kleinen Klassenfahrt, dass man tausende Bürger in ihren Grundrechten
einschränkt, Gewerbetreibenden finanzielle Einbußen zumutet und hunderte
Menschen zeitweise in ihren Wohnungen einsperrt? Wie kommen sie darauf, die
Grundrechtseingriffe und Maßnahmen, die sie den Bürgern zumuten und durchsetzen
lassen, seien irgendwie verhältnismäßig, erforderlich oder sinnvoll?
Wir wissen doch alle, dass Ihr Milliardenschwerer
Ausflug keinen Konflikt der Welt entschärfen, keine Hungerkrise lösen und kein
Heilmittel für eine tödliche Krankheit liefern wird. Nach diesem katastrophalen
G7, auf dem nicht ein Problem wirklich angegangen wurde, von dem lediglich
Nachrichten über verschärfte Töne und zu fest geschüttelte Hände geblieben
sind.
Was denken Sie, werden Sie auf dem G20 alles
erreichen? Ich bin gespannt.
Was hier an Personal auf die Straße gebracht wird ist
sehr beachtlich. Meine Dienststelle ist personell derart ausgelutscht, dass man
sich auf genommene freie Tage leider kein Stück mehr verlassen kann. Fällt
nämlich ein Kollege wegen Krankheit oder Verletzung aus, muss eigentlich fast
immer jemand sein Dienstfrei streichen. Daher verfahren wir im Kollegenkreis
nach dem Motto “bei Frei nicht erreichbar sein, möglichst spät krankmelden,
damit niemand nachalarmiert werden kann”.Aus dieser ohnehin schon nicht
gesunden Situation werden jetzt noch über Wochen weitere Kollegen abgezogen,
die verbleibenden Kollegen werden vermutlich in 12-Stunden- Schichten arbeiten
(ist zu diesem Zeitpunkt nicht sicher) um den Betrieb auf den Revieren aufrecht
zu erhalten. Während Sie, liebe Staatschefs, sich also schöne Tage mit der
Familie machen, werden anderswo Familien und Ehen unzumutbar belastet. Und das
nur, damit Ihr Gipfel durchgeführt werden kann.
Mir ist durchaus klar,
dass es bei uns auch “mal länger geht”. Bei Unfällen, Gewaltdelikten oder Tätern
am Werk kurz vor Feierabend meckert niemand. Und auch bei hoffentlich nie
eintretenden Großlagen oder Katastrophen verrichten wir gern unseren Dienst,
dafür bin zumindest ich Polizist geworden.Einfach mal da sein, wenn andere
flüchten, in der Situation helfen können. Ich bin nicht zur Polizei gegangen um
dafür zu sorgen, dass Menschen in überteuerten Anzügen noch teurer essen und
Konzerte besuchen können, um das Ganze noch mit wichtigen politischen Anliegen
zu rechtfertigen. Ihr Gelage erinnert mich bereits jetzt an Festlichkeiten in
mittelalterlichen Burgen, während der gemeine Pöbel vor der erleuchteten Burg
stehen muss.Ich finde es eine bodenlose Frechheit, wie ignorant dieses Treffen
geplant und gegen den Willen Hunderttausender Menschen durchgesetzt wird. Ich
kann nur hoffen, dass sich so etwas sobald nicht wiederholen wird. Mir und
den anderen eingesetzten Kollegen wünsche ich eine einigermaßen entspannte
Zeit, dass alle gesund bleiben und dass die gesammelten Überstunden in schönen
freien Tagen wieder abgebummelt werden können.Ich wünsche aber auch den
Menschen, die zum Protest nach Hamburg kommen, ein gutes Gelingen. Ich hoffe,
dass nicht Gewalt und Krawall die Nachrichten bestimmen, sondern dass die mit
Sicherheit vielfältigen friedlichen Proteste wahrgenommen werden.Ich
persönlich halte diese in Anbetracht von so viel Ignoranz für sehr nötig! Hören
Sie, liebe Staatschefs, endlich auf, sich wie bockige Kinder auf dem Schulhof
zu benehmen. Es sind nicht ihre Leben, die Sie hier zu Grunde richten!”
Dem Inhalt des Briefes über die staatliche Verschwendung
von unseren Steuergeldern für die Durchführung des G 20 Treffens kann man nur
voll und ganz zustimmen. Nur, lieber unbekannter Polizist, der m.E. sehr sozial
denkt:
Ihr Vorsc hlag, die für das G20 Treffen von Regierungschefs
anderweitig zu verwenden, geht an der Hauptproblematik vorbei : IM KAPITALISMUS
WIRD NIE IM SINNE
Das Ziel solcher Gegendemonstrationen muss und wird
letztendlich sein, dieses kapitalistische System auf Dauer zu beseitigen. >Kurzantwort
auf den obigen Brief von Brigitte Queck