Freidenker z. Coronakrise u.was die Friedensbewegten künftig tun müssen
Rede von Klaus Lindner in Ramstein
Guten Abend zusammen. Ich wollte ursprünglich
die Initiative „Kein Aufmarschgebiet gegen Russland“ vorstellen, die wir im
November 2019 in Berlin gründeten. Sie begann gegen das sogenannte Manöver
„Defender 2020“ und ist danach unter derselben Losung weiterzuführen.
Ich muss, nach den Vorrednern, nicht über
Einzelheiten der US- und NATO Aggression gegen Russland und China sprechen. Ich
möchte auf nationale Besonderheiten kommen, von denen wir in Deutschland
ausgehen, wenn wir den Kriegstreibern in den Arm fallen wollen – insbesondere
in der Immer-noch-Frontstadt Berlin.
Diese Besonderheiten treten umso deutlicher
hervor, da unter der Oberfläche einer Pandemie das darunter sich vollziehende
Krisengeschehen einer unwiderstehlichen Internationalisierung unterliegt.
Sämtliche Widersprüche, mit denen wir jetzt zu
tun haben, selbst im Umgang mit einem Virus, sind ohne den übergreifenden
weltpolitischen Hauptgegensatz nicht erfassbar. Das ist der Widerspruch
zwischen angreifenden, imperialistischen Ländern und solchen, die sich deren
Diktat nicht unterwerfen.
Wer der Meinung ist, eine Art „globaler
Faschismus“ sei auf dem Vormarsch, hat diesen Hauptwiderspruch zwischen der
imperialistischen Welt und den Gegenkräften noch nicht erkannt.
Es gibt keine unbegrenzte globale Allmacht der
Finanzbourgeoisie. Die Niederlage der USA und ihrer Gefolgschaft in Syrien ist
ein Zeichen für die wachsenden Handlungsspielräume der antiimperialisischen
Seite.
Unter dem Katalysator Corona sahen wir Zusammenschlüsse
der multipolaren Kräfte bis in nach Europa wirken. Denken wir nur an die
solidarischen Interventionen der Friedensmächte China und Kuba, auch Vietnam,
in Länder wie Italien innerhalb, oder Serbien außerhalb der EU. Das
Auseinanderbrechen der EU erscheint inzwischen als realistische Perspektive.
Das ist gut so. Entsprechend wutschnaubend die Reaktion der deutschen
Imperialisten.
Schon ein untergeordneter, in Deutschland von
kaum verständlichen Symbolkämpfen begleiteter Punkt wie die notwendige Versorgung
mit Atemmasken und Schutzkleidung, hat die Überlegenheit der Planwirtschaft
wahrnehmbar gemacht.
Auch die WHO ist übrigens von der Dynamik dieser
internationalen Kräfteverhältnisse nicht ausgenommen. Unterstützen wir also
China und Russland darin.
Auch das Thema „Lockdown“
ist im internationalen Vergleich zu begreifen. Unter den Verhältnissen der BRD
trat es mir persönlich im Zusammenhang mit der Initiative „Kein
Aufmarschgebiet“ ins Bewußtsein.
Am 13. März machten wir Berliner Freidenker mit
dem Genossen Rainer Rupp eine Veranstaltung unter dem Titel: „„Defender“ und
andere Kriegsspiele in der US-Konfrontationsstrategie gegen Russland“, bei der
wir auch „Kein Aufmarschgebiet“ vorstellten.
In die Veranstaltung drang die Nachricht, dass
Teile des Kriegsmanövers „wegen Corona“ ausgesetzt würden. Will sagen: für mich
tickten die Uhren des militärischen und des zivilen „Lockdowns“
in Deutschland fast parallel, aber doch leicht zeitversetzt: Die militärische
Ebene war früher dran als die „zivile“. Ebenso, wiederum ablesbar an
„Defender“, wird es sich in Bälde mit der sogenannten „Lockerung“ wohl
verhalten.
Ich war dagegen, die Aussetzung von Defender
„wegen Corona“ zu fordern. Der erste Grund liegt auf der Hand: Wenn man unter
Merkel etwas fordert, was aus äußerlichen Gründen die Kriegspolitik
einschränkt, kann man sicher sein, dass dieselben Gründe dazu herhalten, das
zivile Leben erst recht, uns noch mehr einzuschränken. Wir wurden 2019 gewarnt:
Mit den sozialreaktionären Maßnahmen, die die Herrschenden
durch das Bodenpersonal einer Klimabewegung auf der Straße fordern ließen – CO2
Steuern, Konsumverzicht für die Werktätigen, Preistreiberei, Vernichtung von
Industriearbeitsplätzen – machten sie auch deutlich, wie sehr ihr Interesse auf
die Errichtung eines Ausnahmezustands abzielt, damals als „Klimanotstand“
verbrämt.
Deshalb besteht kein Grund, die richtigen
Losungen zurückzunehmen: Deutschland darf kein Aufmarschgebiet ihrer
Kriegstruppen sein, Punkt, egal ob mit oder ohne Corona, ob mit oder ohne CO2.
Außerdem: Der militärische „Lockdown“
war keiner. Was „Defender“ betrifft: der Bruch des 2+4 Vertrags wurde
fortgesetzt, kein Soldat, geschweige die eingeschleppten Waffen, wurde
zurückgeschickt, sie „üben“ fleißig weiter. So ist es auch mit dem
gesellschaftlichen Lockdown: In Deutschland wird er
so durchgeführt, dass im Ausnahmezustand so viel „Lockerung“ enthalten ist,
dass die verschärfte Ausplünderungs- und Ausbeutungsoffensive gegen
Lohnabhängige, Kleingewerbetreibende und mittlere Betriebe weitergeht.
Das führt zu der Situation, dass in der
Konsumsphäre und Freizeit Schutzvorschriften gelten, die an den
Ausbeutungsstätten, in Werkhallen ignoriert werden.
In der Lockerung wird wiederum soviel Ausnahmezustand enthalten sein, wie sie brauchen, um
dasselbe Spiel, jetzt unter der vollen Wucht der Wirtschaftskrise fortzuführen.
Es sei denn Werktätige und Gewerbetreibende wehren sich gemeinsam. Abwehrkämpfe
sind aber nicht zu führen, wenn wir uns jetzt in den äußeren Gegensatz „Lockdown“ oder „Lockerung“ festbeißen. Beide geschehen in
Deutschland nicht nacheinander sondern ineinander
verschränkt, weil in beiden ein gigantischer Angriff der Konzernherren und
Banken geführt wird.
Unsere Abwehrkämpfe sind aber auch nicht
erfolgreich zu führen, wenn wir den Kampf um soziale Rechte, Demokratie und
Frieden von den Gutachten der Virologen, Mediziner oder Rechtsanwälte abhängig
machen.
Corona ist nicht die Ursache der Krise und
Kriegspolitik und es ist auch nicht die Ursache unserer Proteste. Das wird jede
Woche deutlicher: Die Krisenabwälzung auf UNS ist mit friedlichen und
demokratischen Mitteln nicht mehr durchzuführen.
Es wird dargestellt, als sei die Unterbrechung
von „Defender“ der Ausnahmezustand. Nein! Ausnahmezustand ist: dass „Defender“
stattfindet. Dass Deutschland Aufmarschgebiet ist, und insbesondere auf dem
Territorium des gewesenen Friedensstaates DDR, trotz 2+4-Vertrag.
Normalzustand wäre: Dass die Grenzen für diese
Truppen gar nicht geöffnet werden. Wir haben also nicht nur einen Ausnahmezustand
zu BEkämpfen, sondern wir haben einen Normalzustand
zu ERkämpfen. Dahin kommen wir nicht, indem wir
Corona für inexistent oder zur virologischen Normalität erklären, wie es
anfänglich versucht worden ist.
Der spezifische Ausnahmezustand des Merkelregimes kam scheibchenweise und wäre auch steigerbar. Seine Vorbereitungen reichen zurück wie die
Krise selbst. Ich werde nicht die Rechtsbrüche und Beschädigungen des
Verhältnisses von Legislative und Exekutive aufzählen, die vorausgingen.
Gleichwohl ist der 25. März 2020, Stichwort „Infektionsschutzgesetz“, eine
Zäsur in der Selbstentmächtigung des Parlaments.
Die DDR hatte ein Infektionsschutzgesetz, das
das Zusammenspiel aller staatlichen Stellen und Gesundheitseinrichtungen
regelte. Kam eine Infektion, kam es zur Anwendung. Was macht die Spahnmerkel-BRD, wenn eine Epidemie vor den Toren steht?
Nichts, obwohl vom chinesischen Beispiel zu lernen war, dass man Grenzen und
Flughäfen schließen muss; das hätte Folgen gemildert; und dann: Vorsorge, gesundheitsrelevante
Vorräte anlegen, zu denen das privatisierte Gesundheitswesen nicht in der Lage
ist, entsprechend auch nicht zur Aufstockung und Bezahlung des Personals.
Produktionsumstellungen auf Schutzbedarf werden nicht staatlich angeordnet.
Geforscht wird hierzulande offenbar nur privat. Von flächendeckenden Tests,
Obduktionen wollen wir gar nicht erst reden. Was tat die Merkelregierung
dann? Sie ändert das vorhandene Infektionsschutzgesetz - und zwar so, dass die
Legislative sich weitgehend aufhebt.
Wir sind keine „Verschwörungstheoretiker“, wenn
wir sagen: In der BRD gibt es eine lange Geschichte des Rechtsbruchs als
Normalzustand.
Uns holt wieder ein, was 1949 Max Reimann zum
Grundgesetz sagte: „Wir Kommunisten versagen aus grundsätzlichen Erwägungen
heraus dem Gesetz unsere Stimme. Die Gesetzgeber aber werden im Verlauf ihrer
volksfeindlichen Politik ihr eigenes Gesetz brechen. Wir Kommunisten aber
werden die im Grundgesetz verankerten wenigen
demokratischen Rechte gegen die Verfasser des Grundgesetzes verteidigen.“
Wohlgemerkt: Im Original spricht Reimann von der
Verteidigung der „wenigen demokratischen Rechte“, nicht von der Verteidigung
des Grundgesetzes als solchem unter allen Umständen.
Die fortgesetzte deutsche Spaltung stellt
unseren Abwehrkampf unter ein doppeltes Zeichen. Alles, was wir heute hier
bekämpfen, müssen wir bekämpfen, weil der deutsche Friedensstaat eine
Niederlage durch den kriegführenden Teil Deutschlands erlitt. Den Kriegstreibern
in den Arm zu fallen verlangt, den Kampf um Demokratie mit dem Kampf um Frieden
als Einheit zu führen, hier und jetzt.
Das geht aber nur, gerade unter der Krise, wenn
der konsequente Kampf um soziale, wirtschaftliche Rechte aufgenommen wird, die
man im GG allerdings mit der Lupe suchen muss.
In der DDR waren diese Rechte einklagbare
Verfassungswirklichkeit. Warum also ist Deutschland heute Aufmarschgebiet,
historisch gesehen?
Aufgrund des einseitigen Bruchs des Potsdamer
Abkommens durch die westlichen Besatzungsmächte und den Separatstaat BRD! Für
die Staatlichkeit der BRD gab es keine andere Grundlage „als die strategische
Entscheidung imperialistischer Mächte, die an ihrer Ostgrenze eine Bastion
gegen die Sowjetunion aufbauen wollten“ 1). Das wurde ökonomisch mit der
Währungsreform, politisch mit dem Grundgesetz besiegelt. „Der Bruch des
Potsdamer Abkommens durch die US-amerikanischen Kriegstreiber ist die
Rechtsgrundlage der BRD“ 2). Dadurch wurde ein neutraler, antimonopoistischer
deutscher Staat verhindert. Der Aufbau einer gesamtdeutschen antifaschistischen
Ordnung wurde verhindert. Wir flüchten nicht in rechtslogische
Rückwärts-Utopien. Aber für die Frage:
Warum ist Deutschland Aufmarschgebiet?,
wird die Geschichte seit dem 8. Mai 1945 wieder aktuell wie nie.
Das GG kam nicht durch souveräne
Volksentscheidung, sondern auf Befehl der West-Mächte zustande. Das
Verfassungsprovisorium hätte ab 1990, gemäß seiner eigenen Präambel, abgelöst
werden müssen durch eine vom Volk erlassene gesamtdeutsche Verfassung. Das
geschah nicht.
Eine vom Volk durch das Volk für das Volk
eingesetzte Verfassung gab es in der DDR. Selbstverständlich sind jetzt
elementare Rechte, die in diesem Grundgesetz niedergelegt wurden, zu
verteidigen! Keine Frage!! Aber mit Rückkehr zum Zustand vor dem März 2020 ist
es nicht getan.
Nehmen wir uns ein Beispiel, lassen wir uns
inspirieren von den französischen Gelbwesten, die sich trotz extremer
Brutalität den Kampf für den Sturz Macrons, für eine
verfassunggebende Versammlung und gegen die EU nicht nehmen ließen!
Ausgehend vom Kampf um ihre sozialen
Lebensbedingungen.
Wer heute für das Grundgesetz kämpft, muss
sagen, ob er auch für die Zerstörungen kämpft, die die Abrissbirne der
herrschenden Klasse darin hinterließ. Ich nenne einige der schlimmsten
Zerstörungen in Form von Grundgesetzänderungen:
1954: Wiederbewaffnung, also die
verfassungsrechtliche Befugnis eine Armee aufzustellen. 1968: ermöglichen die
Notstandsgesetze die Aushebelung wesentlicher Bestandteile der Gewaltenteilung.
Das war übrigens bereits die 17. GG-Änderung.1990: Volksabstimmung als
Voraussetzung einer gemeinsamen deutschen Verfassung, in der Präambel des GG
vorgesehen, gestrichen.1992: Die Unabhängigkeit der EZB erhält in Artikel 88 GG
Verfassungsrang.1994: Privatisierung von Bahn und Post 1998: der Große
Lauschangriff 2009 die sogenannte Schuldenbremse wird im GG verankert.
Das alles wäre – mit Ausnahme der generellen
Möglichkeit von Landesverteidigung - heute, wenn man es mit dem Kampf um Demokratie
ernst meint, rückgängig zu machen.
Reden wir
über den ersten Todesstoß, den das Grundgesetz erhielt: Es war das
verfassungswidrige Verbot der KPD, 1956. Es gilt noch heute.
Es ist
auch deshalb verfassungswidrig, weil das Grundgesetz gegenüber der
anzustrebenden Wirtschaftsordnung neutral war. Die Wirtschaftsneutralität ist
inzwischen kassiert, nämlich über den Umweg der EU-Verträge. Die EU
verpflichtet ihre Mitgliedsstaaten zum Kapitalismus. Die rein unternehmerisch
definierten Grund-Freiheiten der Besitzenden auf ungehemmten Kapital-,
Dienstleistungs-, Warenverkehr sind hier so gesetzt, dass ihre Beschränkung den
Mitgliedstaaten und ihrer Rechtsprechung verboten ist. Kämpfen wir also für
unsere demokratischen und sozialen Rechte, indem wir auch die EU bekämpfen.
Auch das ist Friedenskampf! Und wenn der Kampf mit dem GG in der Hand geführt
wird, dann bitte nicht nur mit den ersten 20 Artikeln, sondern insbesondere mit
Artikel 26, dem Friedensgebot! Und unter den ersten 20 Artikeln mit besonderem
Nachdruck auf dem Enteignungs-Artikel, Nr.15.
Verweigern
wir uns jeder Propaganda gegen den antifaschistischen Friedensstaat DDR, und
hören endlich auf mit dem unreifen und abschreckenden „Stasi-Stasi“-Gerufe und dergleichen bei Protesten, wo wir doch einzig
und allein gegen das Merkel-Regime kämpfen müssen. Wer die antikommunistische
Dauer-Manipulation der Regierenden und ihrer Medien gegen die DDR weiterreicht,
in vermeintlicher Fundamentalopposition, der muss seinen Mitbürgern auch nicht
erzählen, sie seien manipuliert, weil sie eine andere Meinung oder auch nur
höhere Risikoeinschätzung in Sachen Covid-19 haben.
Die
sogenannten Bürgerrechtler gegen die DDR waren, welche subjektiven Wünsche oder
Illusionen auch immer sie antrieben, objektiv die Fußtruppen, um den
weltpolitischen Zustand herbeizuführen, gegen den wir heute hier stehen: zuerst
Bomben auf Belgrad, anknüpfend an die faschistischen Bomben ab 1941, dann die
NATO-Ostfront an den Grenzen Russlands, die DDR-Gebiete als Aufmarschgebiet,
die USA mit erneuerten Atombomben immer noch im eigenen Land und unzählige
Kriegsoperationen über Ramstein.
Was 1990
passierte war der größtmögliche Rückschritt in der deutschen Friedenspolitik
und der größte Rechtsruck, den Deutschland seit der Befreiung erlebte, wenn
nicht der einzige. Schmeißen wir die Anti-DDR-Parolen über Bord!
Wer sich
auf diesen Rückschritt beruft, steht letztlich nicht für Demokratie
sondern gegen sie! Und kämpfen wir für den Schulterschluss der deutschen
Werktätigen mit den Ländern, die sich der imperialistischen Offensive erwehren:
Mit
China, mit Russland, mit Kuba, mit Syrien, mit Vietnam, mit Venezuela – mit den
europäischen Völkern, die die Nase voll haben vom Joch der Berlin-dominierten
EU und der NATO. Begrüßen wir die wachsende Kooperation zwischen Russland und
China!
Wenn wir
jetzt wieder mit „Kein Aufmarschgebiet gegen Russland“ auf die Straße müssen –
und das müssen wir! - dann ist sehr deutlich hinzuzufügen:
„Und
Hände weg von China“! Hören wir auf, das Märchen vom angeblichen „chinesischen
Totalitarismus“ zu verbreiten, der uns bedrohe – und ganz konkret, wenn das
unter dem Vorwand „Corona“ geschieht!
Vergessen
wir nicht: Wenn Defender demnächst wieder losgeht, wird die Aggression gegen
China dabei noch einen ungleich höheren Stellenwert erlangen. Verweigern wir
uns jeder noch so subtilen Rhetorik, die im Hinterland das Geschäft der
Kriegstreiber gegen China unterstützt! In diesem Sinne: „Raus aus der NATO -
NATO raus aus Deutschland“! „Kein Aufmarschgebiet gegen Russland und Hände weg
von China“!
Und: Hoch die internationale Solidarität!1) Hans
Heinz Holz: Potsdamer Abkommen; in: Topos Nr. 32, S. 122)Holz,
a.a.O., S.13