Französischer
Präsident Macron:
"Ungehemmter globaler Wettbewerb" erfordert
nukleare Abschreckung
Am Freitag
hielt das französische Staatsoberhaupt seine mit Spannung erwartete Rede zur
französischen Verteidigungs- und Abschreckungsstrategie. Darin forderte Macron unter anderem, "Diskrepanzen zwischen den
Verteidigungsbudgets" innerhalb der EU aufzuheben.
Am Freitag
hielt Emmanuel Macron – als erstes französisches
Staatsoberhaupt seit Charles de Gaulle – eine Rede zur französischen
Verteidigungs- und Abschreckungsstrategie an der militärischen Elite-Schmiede
"École de Guerre".
In seiner
mehrmals verschobenen Rede bekannte sichder
französische Präsident zum Atomarsenal seines Landes. Frankreich stehe für
einen dauerhaften Frieden und wolle die beiden Komponenten der nuklearen
Abschreckung beibehalten, die traditionell mit U-Booten und Flugzeugen
gewährleistet wird.
"In
einer Zeit, in der die globalen Herausforderungen, vor denen unser Planet
steht, eine erneute Zusammenarbeit und Solidarität erfordern sollten, erleben
wir eine beschleunigte Auflösung unserer internationalen Rechtsordnung und der
Institutionen, die die friedlichen Beziehungen zwischen den Staaten
strukturieren", so Macron.
Der erste
vom französischen Präsidenten in diesem Kontext ausgemachte Paradigmenwechsel
sei strategischer Natur. "Es wird eine neue Hierarchie der Mächte
skizziert, die einen globalen ungehemmten strategischen Wettbewerb herbeiführt,
der in Zukunft die Gefahr von Zwischenfällen und unkontrollierter militärischer
Eskalation mit sich bringen könnte. Mehrere langfristige, vorhersehbare Trends
sind im Entstehen", ergänzte der Oberbefehlshaber der französischen
Streitkräfte."
Zudem
fordert Macron schon seit Langem, dass Europa sich
von der Supermacht USA unabhängiger machen soll. Auch in seiner aktuellen Rede
kam er erneut darauf zu sprechen. Gleichzeitig bemühte sich Macron
klarzustellen, dass er eine Zusammenarbeit mit Washington, D.C. nicht
grundsätzlich in Frage stelle: "Frankreich ist überzeugt, dass die
langfristige Sicherheit Europas auf einer starken Allianz mit den Vereinigten
Staaten beruht", gab Macron zu Protokoll.
Der
42-jährige hatte Ende vergangenen Jahres Proteste im transatlantischen Raum
ausgelöst, als er der NATO den angeblichen "Hirntod" bescheinigte.
Macron sprach sich während seiner mit Spannung erwarteten
Rede nun erneut für die Einbindung der Europäer in Verhandlungen über einen
künftigen INF-Vertrag, also über ein Verbot landgestützter atomarer
Mittelstreckenwaffen aus. Europa könne mit Blick auf die Rüstungskontrolle
nicht nur eine "Zuschauerrolle" einnehmen. Es brauche daher eine
gemeinsame Strategie.
Zudem
forderte das französische Staatsoberhaupt, zusätzliches Geld für die
Verteidigung der EU "in die Hand" zu nehmen und mehr Entschlossenheit
in sicherheitspolitischen Angelegenheiten zu zeigen, anstatt sich bei
komplizierten Debatten aufzuhalten: "Ist das, weil die Verteidigung nur
eine Nebenrolle spielt, oder (weil sie) etwas ist, was andere für uns erledigen
sollen? Warum gibt es solche Diskrepanzen zwischen den Verteidigungsbudgets und
den Fähigkeiten der europäischen Staaten, wenn die Bedrohungen, denen wir ausgesetzt
sind, so groß sind?" fragte Macron
provokativ.
In seiner
Rede bot der Herr vom Élysée-Palast den „europäischen
Partnern“ zudem einen "strategischen Dialog" über das nukleare
Abschreckungspotential Frankreichs an. "Frankreichs unerschütterliche Solidarität
mit seinen Verbündeten bedeutet, dass Frankreichs vitale Interessen jetzt eine
europäische Dimension haben", fügte Macron
hinzu.
Der
Unionsfraktionsvize im Deutschen Bundestag, Johann Wadephul,
forderte die EU-Mitglieder auf, das französische Angebot umgehend aufzugreifen.
Das Dialogangebot müsse der erste Schritt in Richtung einer Integration der
französischen nuklearen Abschreckung in die europäische Verteidigung sein. Wadephul hatte dies schon Anfang der Woche vorgeschlagen.
Wie Macron jedoch nun abermals deutlich machte, lehne
Frankreich es ab, sein nukleares Abschreckungsarsenal unter ein gemeinsames
Kommando der EU oder der NATO zu stellen. Zielführend sei es zudem nicht, dass
sich Deutschland oder andere Partner eigene Atomwaffen zulegten, hieß es aus Macrons Umfeld. Bereits vor seinem Auftritt lehnte Paris
diesen Vorstoß aus der Unionsfraktion ab.
Für
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kommt derlei ohnehin
nicht in Frage. Am Mittwoch unterstrich sie in Straßburg, dass Deutschland
unter dem Nuklearschirm der NATO stehe, der insbesondere von den USA
bereitgestellt werde.
Im Jahr 2018
verpflichtete Macron Frankreich zu einer
kostspieligen Modernisierung seines nuklearen Arsenals zu Wasser und in der
Luft bis zum Jahr 2035 – mit dem Argument, "Abschreckung ist Teil unserer
Geschichte, Teil unserer Verteidigungsstrategie und wird es auch bleiben".
Um die
„kollektive Sicherheit“ zu gewährleisten, sei laut Macron
jedoch auch die Einbindung Russlands geboten. "Das Hauptziel – ich habe
es mehrfach erwähnt – meines Engagements mit Russland ist die Verbesserung der
kollektiven Sicherheit und der Stabilität in Europa. Dieser Prozess wird
mehrere Jahre dauern. Er wird Geduld und hohe Anforderungen erfordern, und er
wird mit unseren europäischen Partnern durchgeführt werden. Aber wir haben
weder ein Interesse daran, einen solchen Dialog an andere zu delegieren, noch
daran, uns in der gegenwärtigen Situation einzuigeln", erklärte Macron.
Frankreich,
das die nukleare Abschreckung als einen Grundpfeiler seiner
Verteidigungsstrategie betrachtet, ist seit dem Ausstieg Großbritanniens aus
der EU am 31. Januar zur einzigen Atommacht der Europäischen Union geworden.
Macron wird Ende kommender Woche bei der Münchner
Sicherheitskonferenz erwartet. Deren Chef Wolfgang Ischinger
plädiert derweil für eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in der Europäischen
Union. Die EU müsse lernen, konsequent mit einer Stimme zu sprechen.
Heute kann
jedes Land alles blockieren. Die Bundeskanzlerin hat sich für Mehrheitsentscheidungen
ausgesprochen (…). Warum legt die große Koalition denn dann keinen Plan dafür
in Brüssel vor", sagte Ischinger dem Tagesspiegel
am Sonntag. "Wenn wir nicht schneller, klarer und mutiger bei
außenpolitischen Entscheidungen werden, dürfen wir uns nicht wundern, dass wir
bei Konflikten in unserer Nachbarschaft machtlos aussehen, siehe Syrien, siehe
Libyen", so Ischinger weiter.
Stattdessen
fantasierten deutsche Politiker gerne über eine europäische Armee. "Die
macht aber erst dann Sinn, wenn wir wirklich mit einer Stimme sprechen",
warnt Ischinger.
Quellen: https://deutsch.rt.com/europa/97820-macron-ungehemmter-globaler-wettbewerb-erfordert/, 9.2.2020