Fidel Castro: "Der Mensch
ist vom Aussterben bedroht"
Diese Wirtschaftsordnung ist
unvereinbar mit den Gesetzen der Natur und des Lebens. Die Konsumgesellschaften
sind die Hauptverantwortlichen für die Vernichtung der Umwelt
von Fidel Castro Ruz
Fidel Castro bei der UN-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung am 12. Juni
1992 in Rio de Janeiro
Quelle: colectivolacantera.blogspot.de
Der kubanische Revolutionsführer warnte seit Beginn
der 1990er Jahre immer wieder vor den verheerenden Folgen der kapitalistischen
Gesellschafts- und Weltwirtschaftsordnung für die Umwelt und die natürlichen
Ressourcen. Beispielhaft seine Reden bei zwei Konferenzen der Vereinten
Nationen
Auf der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung am
12. Juni 1992 in Rio de Janeiro
... Eine bedeutende biologische Gattung ist aufgrund
der schnellen und fortschreitenden Beseitigung ihrer natürlichen
Lebensbedingungen vom Aussterben bedroht: der Mensch.
Wir werden uns jetzt dieses Problems bewusst, wo es
fast zu spät ist, es zu verhindern.
Es muss darauf verwiesen werden, dass die
Konsumgesellschaften die Hauptverantwortlichen für die grauenhafte Vernichtung
der Umwelt sind. Sie entstanden aus den ehemaligen Kolonialmetropolen und der
imperialen Politik, die ihrerseits die Rückständigkeit und die Armut
verursachten, welche heute die immense Mehrheit der Menschheit geißeln. Sie
verbrauchen zwei Drittel des Metalls und drei Viertel der Energie, die auf der
Welt erzeugt werden, obwohl sie nur 20 Prozent der Weltbevölkerung darstellen.
Sie haben die Meere und Flüsse vergiftet, die Luft verschmutzt, die Ozonschicht
geschwächt und Löcher in ihr verursacht, haben die Atmosphäre mit Gasen
angereichert, die die klimatischen Bedingungen beeinträchtigen, was
katastrophale Auswirkungen hat, die wir schon zu spüren beginnen.
Die Wälder verschwinden, die Wüsten weiten sich aus,
Milliarden Tonnen fruchtbarer Erde enden jährlich im Meer. Zahlreiche Arten
sterben aus. Der aus dem Bevölkerungszuwachs resultierende Druck und die Armut
führen zu verzweifelten Anstrengungen, um selbst auf Kosten der Natur zu
überleben. Man kann dafür nicht die Länder der Dritten Welt beschuldigen, die
gestern Kolonien waren und heute durch die ungerechte Weltwirtschaftsordnung
ausgebeutete und ausgeplünderte Nationen sind.
Die Lösung kann nicht sein, die Entwicklung jener zu
verhindern, die sie am meisten brauchen. Wahr ist, dass alles das, was heute
zur Unterentwicklung und zur Armut beiträgt, ein offenkundiges Attentat auf die
Ökologie ist. Zig Millionen Männer, Frauen und Kinder sterben infolge dessen
jährlich in der Dritten Welt, mehr als in jedem der beiden Weltkriege. Der
ungleiche Austausch, der Protektionismus und die Auslandsverschuldung greifen
die Ökologie an und fördern die Zerstörung der Umwelt.
Schluss mit dem Transfer von Umwelt zerstörenden
Lebensstilen und Konsumgewohnheiten in die Dritte Welt.
Das menschliche Leben muss rationaler werden. Es muss
eine gerechte internationale Wirtschaftsordnung durchgesetzt werden.
Alle notwendigen wissenschaftlichen Forschungen sollen
für eine nachhaltige Entwicklung ohne Umweltverschmutzung eingesetzt werden. Es
soll die Umweltschuld bezahlt werden und nicht die Auslandsschuld.
Es soll der Hunger verschwinden und nicht der Mensch.
Jetzt, wo die angebliche Bedrohung durch den Kommunismus
nicht mehr da ist, und keine Vorwände für kalte Kriege, Wettrüsten und
Militärausgaben bleiben, was hindert daran, diese Mittel sofort dafür
einzusetzen, die Entwicklung der Dritten Welt zu fördern und die Gefahr der
ökologischen Zerstörung des Planeten zu bekämpfen?
Schluss mit dem Egoismus, Schluss mit dem
Vorherrschaftsbestreben, Schluss mit der Gefühllosigkeit, der
Unverantwortlichkeit und dem Betrug. Morgen wird es zu spät sein für das, was
wir schon lange gemacht haben müssten.
Danke.
Zur Eröffnung der Gespräche auf höchster Ebene im
Rahmen der 6. Vertragsstaaten-Konferenz der UN-Konvention über Bekämpfung von
Wüstenbildung und Dürre am 1. September 2003 in Havanna
... Vor noch 30 Jahren war sich die Menschheit nicht
im Mindesten der großen Tragödie bewusst. Damals meinte man, die einzige
Ausrottungsgefahr läge in der kolossalen Menge von in Minutenschnelle
einsatzbereiten Nuklearwaffen. Zwar hat es absolut kein Ende der Bedrohungen
dieser Art gegeben, doch noch eine weitere, eine bestürzende und
schreckenerregende Gefahr lauert der Menschheit auf. Ich zögere nicht, diesen
starken und augenscheinlich dramatischen Ausdruck zu benutzen. Das eigentliche
Drama liegt in der Unkenntnis über diese Gefahren, die seit so langer Zeit
präsent sind.
Nicht eine einzige all jener Personen, die 25 Jahre
nach Ende des Zweiten Weltkrieges, also nach 1945 Vernunft besaßen und lesen
und schreiben konnten, hat jemals auch nur ein einziges Wort vernommen darüber,
wie die Menschheit verblendet, unerbittlich und immer schneller der Vernichtung
ihrer natürlichen Lebensgrundlagen entgegengeht. Keine anderen Generationen vor
der heutigen waren einer so bitteren Gefahr ausgesetzt; und auf keiner von
ihnen lastete eine derartig große Verantwortung.
Das sind Realitäten; eine Frucht der wenig bekannten
Geschichte des Menschen im Ergebnis der Evolution der menschlichen Gesellschaft
im Verlauf von 5.000 oder 6.000 Jahren, als diese keine klare Idee darüber
hatte noch haben konnte, woher sie kam und in welche Richtung sie sich
entwickeln würde. Heute ist diese überraschende und beängstigende Realität
bereits zur tiefen Überzeugung einer gebildeten und besorgten Minderheit der
Menschheit geworden, die wächst und stärker wird.
Heute wissen wir, was geschieht. Allen Anwesenden sind
die schaudererregenden Daten und unwiderlegbaren Argumente zugänglich, die bei
den vorangegangenen Treffen mit Fassung vorgetragen und analysiert wurden.
Nach meinem Dafürhalten gibt es keine dringlichere
Aufgabe als die der Schaffung eines universalen Bewusstseins, der Vermittlung
des Problems an die breiten Massen von Milliarden Männern und Frauen aller
Altersstufen einschließlich der Kinder unseres Planeten. Die objektiven
Bedingungen und das Leid der übergroßen Mehrheit davon schaffen die subjektiven
Bedingungen für die Aufgabe der Bewusstseinsbildung.
Alles kommt hier zusammen. Analphabetentum,
Beschäftigungslosigkeit, Armut, Hunger, Krankheiten, Trinkwasser- und
Wohnungsmangel, Fehlen von Strom; Wüstenbildung, Veränderung des Klimas,
Verschwinden der Wälder, Überschwemmungen, Dürreperioden, Bodenerosion,
Biodegradation, Plagen und andere bekannte Tragödien sind nicht voneinander zu
trennen.
Die dringliche Bewusstseinsbildung, von der ich rede,
kann es ohne Bildung und Erziehung nicht geben. Eine große Bildungsrevolution
befindet sich jedoch in Reichweite der Völker der Welt. Dies ist der
Kerngedanke, den ich hier darlegen will.
Kuba, dessen bescheidene Erfolge in diesem
entscheidenden Bereich wohl keiner in Frage stellt, kann versichern, dass man
mit einer Anfangsinvestition von drei Milliarden Dollar über einen kurzen
Zeitabschnitt und dann in jedem einzelnen der neun Folgejahre mit Investitionen
von jeweils 700 Millionen für Unterrichtsmaterial und Geräte, darunter 1,5
Millionen Solarzellen für die nicht an die Stromversorgung angeschlossenen
Gemeinden und Dörfer in einem Zeitraum von zwölf Jahren 1,5 Milliarden Voll-
und Halbanalphabeten alphabetisieren und zum Abschluss der sechsten Klasse
führen kann. Diese Gesamtkosten liegen unter zehn Milliarden Dollar; das sind
weniger als 0,004 Prozent des Bruttoinlandproduktes der industrialisierten
OECD-Länder in nur einem Jahr.
Dazu sind stufenweise vier Millionen
Unterrichtsstätten einzurichten, ausgestattet mit audiovisuellen Mitteln, deren
Wirksamkeit erwiesen ist. Erforderlich ist ebenfalls die Kooperation einer
breiten Bewegung auf freiwilliger Basis von acht Millionen Personen, deren
Kenntnisse nicht unter dem Niveau der sechsten Klasse liegen. Diese könnten
sich dann ihrerseits nach der gleichen Methode stufenweise als gute Fachkräfte
des Bildungswesens weiterbilden und anderen alphabetisieren.
Entschiede man, die Beschäftigungslosen für das
Unterrichten und Studieren mittels der Zuweisung eines bescheidenen
Monatsgehalts zu stimulieren, könnten vier bis acht Millionen anständige
Arbeitsplätze geschaffen werden, die bei den Millionen junger Menschen der
Dritten Welt, die von der Geißel der Arbeitslosigkeit am stärksten betroffen
sind, einen hohen Stellenwert hätten. Für die Geberländer wären die Kosten
gleichermaßen äußerst gering: Bei sechs Millionen Personen, die auf diese Weise
in das Programm aufgenommen würden, wären es bei einem Monatsgehalt von 100
Dollar 0,003 Prozent des BIP der OECD, in diesem Falle pro Jahr.
Rechnet man beide Programme zusammen, beliefen sich
die Kosten in den ersten fünf Jahren auf annähernd den gleichen Betrag, den die
USA in nur 15 Wochen für ihre Besatzungstruppen in Irak ausgeben.
Fast die gleiche Anzahl Bürger der Welt könnte bei
Verursachung von noch weit weniger Kosten mittels Einsatz von
Rundfunkempfängern mit Mittel- und Kurzwelle unterrichtet werden. Diese Radios,
deren Preis 15 Dollar nicht übersteigt, sind mit Sperrschichtfotozellen
ausgestattet. Ein kleines Handbuch mit didaktischem Material wird mitgeliefert.
Die von kubanischen Pädagogen entwickelte Methode der
Alphabetisierung hat unser Land mehreren Ländern kostenfrei zur Verfügung
gestellt und wird sie auch anderen, die sie möchten gern übergeben.
Über das Fernsehen wurden in unserem Land mehr als
einer Million Bürger Lehrgänge der englischen Sprache, die weltweit gesprochen
wird, vermittelt. Die Devisenkosten für den Staat betrugen 50.000 Dollar.
Mit nur 0,01 Prozent des BIP der OECD, also einem
kleinen Bruchteil der von den reichen Ländern so oft versprochenen und niemals
– Einzelfälle ausgenommen – eingehaltenen 0,7 Prozent, könnten in zehn Jahren
mittels Solarzellen 250 Millionen Familien der Dritten Welt mit monatlich 30
Kilowatt Strom versorgt werden; das wären insgesamt etwa 1,5 Milliarden
Menschen, der ärmste Teil der Weltbevölkerung, die dann mehrere Stunden täglich
elektrisches Licht und Unterhaltungs-, Informations- und Bildungssendungen über
Radio oder Fernsehen empfangen könnten, ohne dafür auch nur einen einzigen
Liter fossilen Brennstoff zu verbrauchen.
Unser Land, blockiert seit mehr als vier Jahrzehnten,
sah sich nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers gezwungen, mit einer
äußerst harten Situation fertig zu werden. Auf verfügbaren Flächen in den
Städten konnten mehr als drei Millionen Tonnen Gemüse pro Jahr produziert
werden, und die Produktion wird fortgesetzt. Der Anbau erfolgt in
Kompostkulturen unter Einsatz von Stroh und pflanzlichen Abfällen sowie
Tröpfchenberegnung oder Beregnungsanlage bei minimalem Wasserverbrauch,
Beschaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen für fast 300 000 Personen und ohne
Emission eines Kilogramms Kohlendioxyd in die Atmosphäre.
Ich kann Ihnen mitteilen, dass innerhalb einer Woche
für die 505.000 Heranwachsenden unserer Mittelschulen – 7., 8. und 9. Klasse –
das neue Schuljahr beginnen wird, und zwar mit den neuen von uns geschaffenen
Methoden des Unterrichtens. Es wird das Dreifache der bisher vermittelten
Kenntnisse erzielt werden, und je 15 Schüler wird ein Lehrer unterrichten.
Es sei mir nachgesehen, dass ich anschauliche
Beispiele dafür bringe, dass es trotz der immensen Hindernisse noch möglich
ist, vieles für die Erhaltung der Umwelt und das Überleben der Menschheit zu
tun.
Alles, was ich zum Ausdruck gebracht habe, ist
unvereinbar mit dem unmenschlichen der Welt aufgezwungenen Wirtschaftssystem,
der erbarmungslosen neoliberalen Globalisierung, den Belastungen und dem
Stellen von Bedingungen, mit denen der IWF die Gesundheit, die Bildung und die
soziale Sicherheit von Milliarden Personen opfert; der grausamen Art, nach der
über den freien Devisen(ver)kauf zwischen den starken Währungen und den
schwachen der Dritten Welt dieser alljährlich enorme Summen entwenden. Kurz
gesagt, es ist unvereinbar mit der Politik der WTO, die augenscheinlich dazu
entworfen ist, dass die reichen Länder mit ihren Waren ohne jegliche
Einschränkung die Welt überfluten und die industrielle und landwirtschaftliche
Entwicklung der armen Länder zunichte machen, deren Zukunft nichts weiter
beinhaltet als Lieferant für Rohstoffe und billige Arbeitskräfte zu sein;
unvereinbar mit der FTAA und anderen
Freihandelsabkommen zwischen Haien und Sardinen; mit der monströsen
Auslandsschuld, die gelegentlich bis zu 50 Prozent des Staatshaushalts der
Länder verschlingt und unter den heutigen Umständen absolut unbezahlbar ist;
mit der Abwerbung, dem fast allumfassenden Monopol des geistigen Eigentums und
der missbräuchlichen und unverhältnismäßigen Nutzung der natürlichen Ressourcen
und Energiequellen unseres Planeten.
Die Liste der Ungerechtigkeiten ist eine unendliche.
Der Abgrund vertieft sich. Die Ausplünderung wird immer stärker.
In der Absicht und der Ideologie einer diabolischen
und chaotischen Wirtschaftsordnung werden die Konsumgesellschaften innerhalb
von fünf oder sechs weiteren Jahrzehnten die Reserven fossiler Brennstoffe bis
auf die Neige geleert und in nur 150 Jahren all das verwirtschaftet haben, zu
dessen Schöpfung unser Planet 300 Millionen Jahre brauchte.
Es gibt nicht einmal eine zusammenhängende und klare
Vorstellung zu der Energie, die die Milliarden Kraftfahrzeuge in den Städten
und auf den Schnellstraßen der reichen und auch vieler Länder der Dritten Welt
bewegen wird. Es ist der vollendete Ausdruck eines absolut unvernünftigen
Lebensstils und Konsumdenkens, wie er niemals den zehn Milliarden Menschen als
Vorbild dienen kann, die vermeintlich nach dem unabwendbaren Ausgang der Ära
des Erdöls die Erde bevölkern.
Diese Wirtschaftsordnung und diese Verbrauchsmuster
sind unvereinbar mit den wesentlichen begrenzten und nicht erneuerbaren
Ressourcen unseres Planeten und mit den Gesetzen der Natur und des Lebens. Auch
verletzen sie die elementarsten ethischen Prinzipien, die Kultur und die vom
Menschen geschaffenen moralischen Werte.
Setzen wir unseren Kampf fort, ohne uns entmutigen zu
lassen und ohne zu zögern, zutiefst davon überzeugt, dass, wenn auch die
menschliche Gesellschaft kolossale Fehler begangen hat und noch begeht, so ist
doch der Mensch als solcher zu den glänzendsten Ideen und den edelsten Gefühlen
fähig; und überwindet er die ihm von der Natur gegebenen starken Instinkte, ist
er fähig, für das, was er fühlt und denkt, sein Leben hinzugeben. Er hat dies
im Verlaufe der Geschichte oftmals bewiesen.
Pflegen wir diese außergewöhnlichen Qualitäten, und es
wird keine Hürde geben, die nicht genommen werden kann und nichts, das nicht
verändert werden kann!
Vielen Dank.
Quelle: fidelcastro
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