Ex-Minister aus Ecuador warnt vor Destabilisierung
von Harald
Neuber
Pedro Páez verweist auf historische Parallelen bei
Angriffen auf Venezuela. Ökonom sieht Grund für Spannungen in Kooperation mit
Schwellenstaaten
Pedro Páez bei einem Vortrag an der Technischen
Universität Berlin
Ecuadors ehemaliger Wirtschaftsminister
(2007-2008), Pedro Páez, hat während eines Besuchs in Berlin vor wirtschafts-
und finanzpolitischen Angriffen auf die progressiv regierten Staaten
Lateinamerikas gewarnt. "Venezuela leidet gerade unter einer ganzen Reihe
von destabilisierenden Maßnahmen, die von den USA in den vergangenen
Jahrzehnten wiederholt angewandt worden sind", sagte Páez im Gespräch mit
Amerika21. Die Spekulation mit Lebensmitteln etwa habe schon beim Sturz von
Präsident Salvador Allende in Chile 1973 eine Rolle gespielt. "Wir konnten
das aber auch im Fall von Präsident Raúl Alfonsín in Argentinien beobachten,
bei progressiven Regierungen in Brasilien und Ecuador bis hin zu den
sogenannten samtenen Revolutionen in Osteuropa", so Páez, einer der
wirtschaftspolitischen Vordenker Ecuadors, der derzeit der
Marktaufsichtsbehörde seines Landes vorsteht.
"Eine wichtige Rolle bei dieser Politik der
Destabilisierung spielt die Instrumentalisierung und synchrone Anwendung von
Spekulationsgeschäften, die den Währungsmarkt und die hauptsächlichen
makroökonomischen Variablen betreffen", führte Páez aus. Die
Globalisierung und die Durchlässigkeit der Grenzen der lateinamerikanischen
Staaten machten die Länder der Region diesem Vorgehen gegenüber anfällig.
"Es ist meiner Meinung nach aber wichtig zu
betonen, dass es nicht nur um Venezuela geht. Auch Argentinien unter
Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und das moderat regierte Brasilien
werden Ziel der genannten Angriffe", sagte Páez. Ebenso sei Ecuador
derzeit von Maßnahmen der Destabilisierung betroffen. "In Ecuador
beobachten wir etwa den völlig unerklärlichen Anstieg von Preisen für bestimmte
Produkte. Dabei ist die Hauptwährung bei uns der US-Dollar und angesichts des
Wertverfalls dieser Währung müssten die Preise eigentlich sinken", sagte
der Wirtschaftswissenschaftler. Zugleich würden aus Kolumbien importierte
Produkte in Ecuador auf einmal zu einem 20 Prozent höheren Preis verkauft.
"Bei diesen Entwicklungen spielen natürlich
Wucher, Gewinngier und Machtmissbrauch eine Rolle. Es gibt aber eben auch
ausgefeilte politische Planungen, die darauf abzielen, den progressiven Wandel
umzukehren, der sich im vergangenen Jahrzehnt in Lateinamerika vollzogen
hat", sagte Páez im Amerika21-Interview. Das betreffe mitunter selbst
rechtsgerichtete Regierungen, die sich dazu durchgerungen haben, eine neue
Sozialpolitik zu etablieren.
"Wir dürfen uns nichts vormachen: Wir
sprechen hier über einen globalen Klassenkampf, der nicht nur gegen die
Arbeiterklasse geführt wird, sondern auch gegen das produzierende Kapital. Geführt
wird dieser Klassenkampf von einer immer kleineren Minderheit, die ihren Gewinn
auf die Aufrechterhaltung unbezahlbarer Schulden und Spekulation stützt",
so Páez.
Einen Grund für den wachsenden Druck auf die
progressiv regierten Staaten Lateinamerikas sieht Páez in der zunehmenden
Kooperation mit aufstrebenden Wirtschaftsmächten. "Die Schwellenländer,
deren sichtbarster Ausdruck die BRICS-Staaten sind, sehen sich einer
gemeinsamen Herausforderung gegenüber: Sie repräsentieren einen Teil des
produktiven Kapitals, das sich inmitten einer strukturellen
Überproduktionskrise gezwungen sieht, neue Märkte zu erschließen", sagte
er. Dies stehe, geopolitisch betrachtet, in einem krassen Widerspruch zum
Niedergang der imperialen Zentren von Großbritannien bis hin zu den USA:
"Denn eine Tatsache ist eben, dass sich die industriellen Kapazitäten
global verlagert haben."
Páez verwies darauf, dass die heute wirtschaftlich
aufstrebenden Länder im Gegensatz zu den bisherigen Semiperipherien, den Aufbau
Europas nach dem Zweiten Weltkrieg eingeschlossen, von den USA und ihren
Alliierten nicht militärisch besetzt sind. "Dieser Umstand schürt
natürlich große Sorgen bei den bisherigen globalen Machthabern der
nordatlantischen Achse", sagte er.
Quelle 1: https://amerika21.de/…/04/117…/paez-ecuador-destabilisierung
Quelle 2 : Botschaft Ecuador