Deutsch-russischer
Wirtschaftskongress fordert Ende der Sanktionen
Am Dienstag hat in
Berlin ein hochkarätig besetzter deutsch-russischer Wirtschaftskongress
stattgefunden. Vertreter aus Wirtschaft und Politik beider Länder haben sich
für ein Ende der Sanktionen ausgesprochen und die wachsenden Handelsbeziehungen
gewürdigt. Besonderes Interesse erregt ein Projekt aus Sibirien.
Im Hotel „Waldorf
Astoria“, Berlin, trafen sich am Dienstag Politiker und Unternehmer zum
Deutsch-Russischen Wirtschaftskongress. Geladen hatten der Verband der
Russischen Wirtschaft in Deutschland. Hauptthemen waren die Zusammenarbeit von
Wissenschaft und produzierendem Gewerbe, Innovationsmanagement, Ausbildung und
Investitionen. Neben hochrangigen Vertreter Russlands aus Politik und
Wirtschaft waren auch viele deutsche Unternehmer anwesend, die entweder bereits
in Russland investieren oder sich erhofften, auf dem Kongress aus erster Hand
Informationen zum Russland-Geschäft zu erhalten.
Vorsichtiger Optimismus trotz Sanktionen
Neben dem leidigen Thema
„Sanktionen“ bestimmte auch ein gewisser Optimismus angesichts der sich
langsam verbessernden deutsch-russischen Beziehungen die Diskussion.Sergej
Netschajew, der russische Botschafter in Deutschland, eröffnete den Kongress im
„Waldorf Astoria“ an der Gedächtniskirche und verwies darauf, dass sich der
Handel zwischen Deutschland und Russland trotz der Sanktionen im vergangenen
Jahr auf 62 Milliarden Euro belief, was einen großen Sprung gegenüber 2017
bedeute.
Deutschland-Russland: Quo Vadis? Konferenz in Berlin
lebt den Dialog
Miguel Berger, Leiter der
Wirtschaftsabteilung beim Auswärtiges Amt, sagte: „Vor dem Hintergrund einer
sich abkühlenden Konjunktur ist es bemerkenswert, wie sich der
deutsch-russische Handel entwickelt.“
Deutschland sei der
wichtigste Handelspartner für Russland in der EU. Und „deutsche Unternehmen
gehören zu den wichtigsten Investoren in Russland“, so Berger. Die
Bundesregierung begrüße den wachsenden Handel zwischen Russland und Deutschland
„ausdrücklich“, ergänzte Berger und er hoffe, dass dies auch „auf andere
Gebiete ausstrahle“. Als „verunsichernd“ auch für Deutschland bezeichnete der
Vertreter des Auswärtigen Amtes die US-Sanktionen gegen Russland, insbesondere
im Zusammenhang mit der Pipeline Nord Stream 2. „Wir können Versuche von
außen, die Energiepolitik Europas zu beeinflussen, nicht akzeptieren. Das
lehnen wir deutlich ab.“, erklärte Berger.
Nur Politiker der Linkspartei anwesend
Klaus Ernst,
Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag,
verwies darauf, dass die Investitionen Deutschlands in Russland 2018 um rund 14
Prozent angewachsen sind. Ernst verwahrte sich gegen den Vorwurf der USA, dass
sich Europa von Russland in Energiefragen abhängig mache. Das sei „Unfug“, so
Ernst. Den Vereinigten Staaten gehe es um eigene Wirtschaftsinteressen. Das sei
„total durchschaubar“, meinte der Politiker der „Linke“. Er forderte, dass sich
die deutsche Wirtschaft „noch lauter“ gegen die Russland-Sanktionen ausspricht.
Ernst verwies darauf, dass zwar der Trend der letzten zwei Jahre positiv sei,
jedoch der Stand des Handelsvolumen vor den Sanktionen von 77 Milliarden Euro
noch nicht wieder erreicht ist. Auf 300 Milliarden US-Dollar sei der
Gesamtverlust durch die EU-Russland-Sanktionen bereits angewachsen, so
Ernst. Allein Deutschland verliere dabei durch die Sanktionen „jeden Monat 760
Millionen US-Dollar“. Der Wirtschaftsexperte verwies auf die langfristigen
Schäden, da sich Russland neue Handelspartner suche, von denen es nicht
sanktioniert werde. „Je länger die Sanktionen dauern, desto nachhaltiger
schädigen sie die Wirtschaft der Bundesrepublik
Deutschland. Das ist das Absurde –
die Sanktionen schaden uns selbst und nützen eher den USA.“, so der
Linkenpolitiker.
Alexander Neu,
Osteuropa-Sprecher der Partei Die Linke im Bundestag, ergänzte, Europa könne
zusammen mit Russland einen wirtschaftlichen Gegenpol zu China und den USA
bilden.
„Wir haben keine Angst vor den Sanktionen“
Michael Schumann,
Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und
Außenwirtschaft, sagte „Sanktionen als Dauerzustand können doch nicht im
Interesse der Bundesrepublik sein.“ Der Wirtschaftsvertreter verwies auf die permanenten
negativen News zu Russland in deutschen Medien. „Wie sollen wir so unsere
jungen Eliten motivieren, sich für Russland zu interessieren? Dabei sind
Russland und Deutschland die idealen Handelspartner.“, führte Schumann aus.
Denis Kravchenko,
Stellvertretender Vorsitzender des Komitees für Wirtschaftspolitik, Industrie,
innovative Entwicklung und Unternehmertum der Staatsduma, sagte: „Wir haben
keine Angst vor den Sanktionen.“ „Das mag seltsam klingen,“ erklärte der
Politiker, aber „die Sanktionen haben unsere Wirtschaft gestärkt.“ Dies hätte
dazu geführt, dass Sektoren, in denen man sich früher auf ausländische Hilfe
verlassen hatte, nun massiv ausgebaut werden und der Staat mehr in
eigenständige Innovation investiert. Im Bereich der Landwirtschaft habe dies
innerhalb von fünf Jahren zu einem Wandel von einer Import- zu einer
Exportindustrie geführt.
Investitionen und Umweltschutz
Cathrina
Claas-Mühlhäuser,Stellvertretende Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen
Wirtschaft und Erbin des Produzenten von Landwirtschaftsmaschinen „Claas“,
berichtete, dass ihre Firma 2015 für 160 Millionen Euro eine neue Fabrik zur
Herstellung von Mähdreschern in Russland eröffnet hat. Für diese Investition
bekam Claas als erstes ausländisches Unternehmen einen von der russischen
Regierung eingeführten Sonderstatus, der dem Unternehmen Steuervergünstigungen
verschafft. Claas-Mühlhäuser erzählte, dass ihre Firma in Russland selbst
Mitarbeiter ausbilde „nach deutschem und russischem Standard“.
Die Ausbildung sei „in
Russland sehr gut, aber viel zu theoretisch“, erklärte die junge Unternehmerin.
Class sorge als Ergänzung für die „nötige Praxisnähe an modernsten Maschinen“.
Die Aufsichtsratsvorsitzende der Firma verwies darauf, dass Russland der größte
Weizenexporteur der Welt ist und deshalb sei „Russland einer der attraktivsten
Märkte“.
Elena Panova,
Stellvertretende Ministerin für natürliche Ressourcen und Ökologie der
Russischen Föderation, sagte „Umwelt ist das Thema des 21. Jahrhunderts, Wir
verstehen das. So hat Russland erstmalig das Thema Umwelt zur Priorität
erklärt“. Russland hat das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Die Ministerin
verwies auch auf den wachsenden Bereich des Ökotourismus in Russland, wo es 54
Nationalparks gäbe. Hier greife Russland bereits seit 2010 auf die Erfahrungen
Deutschlands zurück, erklärte Panova.
Investitionen in Sibirien
Zu Gast in Berlin war
auch Alexander Uss, der Gouverneur der Region Krasnojarsk, die ungefähr
sechsmal so groß ist wie Deutschland. In diesem Gebiet in Sibirien leben
lediglich drei Millionen Menschen. Die Region gehört dennoch zu den zehn
wohlhabendsten Bezirken Russlands. Dies sei vor allem auf die Rohstofffülle
zurückzuführen, erklärte der Gouverneur. So finden sich in der Krasnojarsker
Region 80 Prozent aller Nickelvorkommen Russlands. Auch andere wertvolle
Metalle wie Platin und Gold gebe es in Hülle und Fülle, berichtete der
Gouverneur stolz. Auf dem Gebiet der Erdölförderung sei das Gebiet Krasnojarsk
ebenfalls auf dem Weg an die Spitze in Russland. Den meisten Umsatz macht die Region jedoch mit dem
Export von Aluminium. Krasnojarsk gilt als Boomregion und ist führend bei
Investitionen. Mit attraktiven Steuermodellen möchte Uss in Berlin gezielt
Investoren aus Deutschland ansprechen.
„Jennisej Sibirien“ - größtes Projekt des Landes
Sergey Ladyzhenko, der
Entwicklungsdirektor von „Jennisej Sibirien“, stellte auf dem Kongress das
derzeit größte Investitionsprojekt seiner Region vor. Insgesamt 32 verschiedene
Vorhaben mit einem geplanten Investitionsvolumen von knapp 27 Milliarden Euro
sollen im Zeitraum 2019 bis 2027 realisiert werden. 70.000 neue Arbeitsplätze sind
vorgesehen. Es geht darum, verschiedene Industrie- und Produktionsbereiche zu
verbinden. Kernelemente sind Bodenschätze, Energie-, Forst- und Landwirtschaft
sowie die nötige Verkehrs- und Sozialstruktur, um die Gebiete zu vernetzen.
Petersburger Dialog redet Tacheles und findet
versöhnlichen Abschluss
Geplant sind unter anderem eine
Sonderwirtschaftszone zur Herstellung von Aluminium, ein Agrar-Industriepark
und ein „Technologie-Valley“. Für alle geplanten Projekte im Rahmen von
„Jenissej Sibirien“ gelten Sonderrechte mit minimalen Steuern und vereinfachten
Zollbestimmungen Das Projekt wird explizit gefördert von der russischen
Regierung. Die ersten europäischen Konzerne, wie Uniper aus Deutschland, sind
bereits präsent in der Region. Und natürlich sind russische Firmen wie Rusal
oder Norilsk Nickel involviert. Auch Unternehmen aus China sind eingestiegen.
Insgesamt investieren bereits über 60 Unternehmen in das Projekt „Jennisej Berlin“.„Wir
sehen auch großes Potential für weitere deutsche Investitionen“, sagte
Ladyzhenko am Ende der Präsentation an die Unternehmer im Saal gerichtet.
Sergey Verechagin, Stellvertretender Vorsitzender der Regierung der
Region Krasnojarsk, erzählte, dass „Jennisej Sibirien“ 2017 mit sieben
Einzelprojekten im Umfang von insgesamt acht Milliarden Euro begann. Der Fakt,
dass es jetzt bereits 32 Projekte sind, zeige die Dynamik und spreche für die
guten Bedingungen in der Region, erklärte der Regionalpolitiker. Es gebe dabei
bei den ausländischen Investoren keine Präferenzen, ob diese aus Europa oder
aus Asien kommen. „Jeder ist willkommen.“, unterstrich Verechagin.
Gouverneur Uss ergänzte
zum Abschluss: „Von der Geschichte und Mentalität her würden wir die
Zusammenarbeit mit Europa bevorzugen. Da gibt es jetzt leider eine gewisse
Pause. Wir hoffen trotzdem, bald wieder mehr Investoren aus Deutschland
begrüßen zu dürfen.“