Was geschah am 31.3.2012 in Frankfurt am Main ?
 
Leo Schneider ist Sprecher des Bündnisses »M31«
Interview Peter Wolter

 

Das Bündnis »M31« hatte für Samstag zu Protesten gegen den Turbokapitalismus in Frankfurt am Main aufgerufen – mehrere tausend Leute kamen. Hat Sie diese Resonanz überrascht?

Wir hatten schon seit längerem zu diesem 31. März mobilisiert – und zwar nicht speziell nach Frankfurt. Es haben ja auch in vielen anderen europäischen Städten Proteste stattgefunden: In ­Wien etwa, in Madrid, Athen, Mailand, Utrecht, Kiew, Moskau usw. Das ist es vor allem, was uns freut – die internationale Zusammenarbeit hat funktioniert!

Der Frankfurter Protesttag ist nicht konfliktfrei abgelaufen – es sind Steine geflogen, die Polizei hat geknüppelt und die Demonstration vorzeitig abgebrochen. Wie bewerten Sie das als Sprecher des Netzwerkes?

Ziel unserer Demonstration war es, die Baustelle der Europäischen Zentralbank (EZB) zu besuchen – das hat nicht geklappt, weil die Polizei alles vorzeitig beendet und die Aktion schon im Frankfurter Ostend aufgelöst hat. Es gab Stein- und Farbbeutelwürfe auf das alte EZB-Gebäude und auf die Stadtpolizei in der Berliner Straße, darüber hinaus ist es auch zu direkten Auseinandersetzungen mit Polizisten gekommen. Ein Teil der Demonstration wurde daraufhin komplett eingekesselt. Hunderte andere Demonstranten zogen anschließend durch die Innenstadt.

Ein Polizist soll durch einen Steinwurf schwer verletzt worden sein …

Natürlich ist es nicht Ziel unserer Politik, Menschen zu verletzen – wir wollen vielmehr auf die Übel des Kapitalismus aufmerksam machen und dafür werben, über Alternativen nachzudenken. Es gehört aber durchaus dazu, daß sich der Protest auch gegen Symbole des Kapitalismus wendet. Aber wie gesagt: Er darf sich nicht gegen Menschen wenden.

Nicht nur die Arbeitsagentur und Leiharbeitsfirmen wurden attackiert, es sind auch Schaufensterscheiben in der Innenstadt zu Bruch gegangen und geparkte Autos demoliert worden. Wird dadurch nicht der antikapitalistische Protest in den Augen der Öffentlichkeit diskreditiert?

Diese Beschädigungen sind nach meiner Einschätzung wohl eher deswegen entstanden, weil einige Teilnehmer meinten, auf diese Weise ihrer Wut über das Vorgehen der Polizei ein Ventil zu verschaffen. In dem Polizeikessel wurden über 200 Menschen sechs Stunden lang bei eisig kalter Witterung festgehalten, zwei Mal mußte ein Krankenwagen kommen und Leute abholen, die Gesundheitsprobleme hatten. Rechtsanwälten wurde jeder Kontakt zu den Eingekesselten verwehrt. Hinzu kommt, daß mindestens 130 Demonstranten verletzt wurden: Knochenbrüche, gerissene Sehnen, Platzwunden, Einwirkung von Pfefferspray. Wegen ein paar kaputter Scheiben also hat die Polizei unsere Demonstration angegriffen. Angesichts der brutalen Auswirkungen, die die Sparpolitik für die Menschen in Europa und weltweit hat, ist ein solches Auftreten der Beamten doch mehr als absurd!

Welche Rolle bei der Mobilisierung hat das Internet gespielt?

Eine sehr große – vor allem, weil sich die unterschiedlichen Gruppen untereinander austauschen können. Das hat vor allem Bedeutung für die internationale Zusammenarbeit, so daß sich die Akteure der radikalen Linken besser miteinander verständigen können. Jedenfalls haben wir in Frankfurt ein deutliches Zeichen gegen die aktuelle Krisenpolitik gesetzt. Der 31. März war ein erster Versuch, diese europaweite Zusammenarbeit in die Öffentlichkeit zu bringen. Und er war ein erfolgreicher Versuch – es geht also weiter!

 

Quelle: http://www.jungewelt.de/2012/04-02/027.php