Das Bündnis »M31« hatte für Samstag zu Protesten gegen den
Turbokapitalismus in Frankfurt am Main aufgerufen – mehrere tausend Leute
kamen. Hat Sie diese Resonanz überrascht?
Wir hatten schon seit längerem zu
diesem 31. März mobilisiert – und zwar nicht speziell nach Frankfurt. Es haben
ja auch in vielen anderen europäischen Städten Proteste stattgefunden: In Wien
etwa, in Madrid, Athen, Mailand, Utrecht, Kiew, Moskau usw. Das ist es vor
allem, was uns freut – die internationale Zusammenarbeit hat funktioniert!
Der Frankfurter Protesttag ist nicht konfliktfrei abgelaufen – es sind
Steine geflogen, die Polizei hat geknüppelt und die Demonstration vorzeitig
abgebrochen. Wie bewerten Sie das als Sprecher des Netzwerkes?
Ziel unserer Demonstration war es,
die Baustelle der Europäischen Zentralbank (EZB) zu besuchen – das hat nicht
geklappt, weil die Polizei alles vorzeitig beendet und die Aktion schon im
Frankfurter Ostend aufgelöst hat. Es gab Stein- und Farbbeutelwürfe auf das
alte EZB-Gebäude und auf die Stadtpolizei in der Berliner Straße, darüber
hinaus ist es auch zu direkten Auseinandersetzungen mit Polizisten gekommen.
Ein Teil der Demonstration wurde daraufhin komplett eingekesselt. Hunderte
andere Demonstranten zogen anschließend durch die Innenstadt.
Ein Polizist soll durch einen Steinwurf schwer verletzt worden sein …
Natürlich ist es nicht Ziel unserer
Politik, Menschen zu verletzen – wir wollen vielmehr auf die Übel des
Kapitalismus aufmerksam machen und dafür werben, über Alternativen
nachzudenken. Es gehört aber durchaus dazu, daß sich der Protest auch gegen
Symbole des Kapitalismus wendet. Aber wie gesagt: Er darf sich nicht gegen
Menschen wenden.
Nicht nur die Arbeitsagentur und Leiharbeitsfirmen wurden attackiert, es
sind auch Schaufensterscheiben in der Innenstadt zu Bruch gegangen und geparkte
Autos demoliert worden. Wird dadurch nicht der antikapitalistische Protest in
den Augen der Öffentlichkeit diskreditiert?
Diese Beschädigungen sind nach
meiner Einschätzung wohl eher deswegen entstanden, weil einige Teilnehmer
meinten, auf diese Weise ihrer Wut über das Vorgehen der Polizei ein Ventil zu
verschaffen. In dem Polizeikessel wurden über 200 Menschen sechs Stunden lang
bei eisig kalter Witterung festgehalten, zwei Mal mußte ein Krankenwagen kommen
und Leute abholen, die Gesundheitsprobleme hatten. Rechtsanwälten wurde jeder
Kontakt zu den Eingekesselten verwehrt. Hinzu kommt, daß mindestens 130
Demonstranten verletzt wurden: Knochenbrüche, gerissene Sehnen, Platzwunden,
Einwirkung von Pfefferspray. Wegen ein paar kaputter Scheiben also hat die
Polizei unsere Demonstration angegriffen. Angesichts der brutalen Auswirkungen,
die die Sparpolitik für die Menschen in Europa und weltweit hat, ist ein
solches Auftreten der Beamten doch mehr als absurd!
Welche Rolle bei der Mobilisierung hat das Internet gespielt?
Eine sehr große – vor allem, weil
sich die unterschiedlichen Gruppen untereinander austauschen können. Das hat
vor allem Bedeutung für die internationale Zusammenarbeit, so daß sich die
Akteure der radikalen Linken besser miteinander verständigen können. Jedenfalls
haben wir in Frankfurt ein deutliches Zeichen gegen die aktuelle Krisenpolitik
gesetzt. Der 31. März war ein erster Versuch, diese europaweite Zusammenarbeit
in die Öffentlichkeit zu bringen. Und er war ein erfolgreicher Versuch – es
geht also weiter!
Quelle: http://www.jungewelt.de/2012/04-02/027.php