Zum 60. Jahrestag der Gründung der Nationalen
Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik
Erklärung der Generationen
Die Geschichte der NVA ist keine
Geschichte nur der Alten, keine nur der Jugend,
sie ist eine gemeinsame Geschichte der Generationen. Sie ist nicht ein Teil
der Geschichte des deutschen Militarismus, sondern ein Bruch mit dieser.
Als wir Alten heimkehrten
aus dem 2. Weltkrieg, schritten wir über Ruinen und die Gebeine der Millionen,
die für das deutsche Kapital gemordet wurden. Mit einem Hurra war unsere
Generation in diesen Krieg gerannt, uns wenige ließ er übrig. Wie durften
leben, weil unser Feind uns nicht vernichtete, weil er uns befreite. Wir
erhielten Auftrag und Chance zugleich: aus dem Grauen zu lernen und seine
Wiederholung für immer unmöglich zu machen.
Die inmitten der Hölle des
faschistischen Deutschland widerstanden, die Thälmann, die Ossietzky, die
Bonhoeffer, auch sie waren ermordet und fehlten unersetzbar. Da standen wir
nun, ohne sie, aus dem Krieg Heimgekehrte, die niemals wieder in einen ziehen
wollten, aus Lagern und Exilen Wiedergekehrte, die die Vernichtung des Nazismus
mit all seinen Wurzeln geschworen. Diese Scham, diese Lähmung, all das nicht
aufgehalten zu haben, was unbedingt hätte aufgehalten werden müssen, wich nur
langsam von uns, aber sie wich und formte unseren Willen aus, nichts zu
vergessen und aus dem Abgrund des 2. Weltkrieges die Lehren zu ziehen.
Wir wollten
Gründungsmitglieder eines neuen Deutschland sein, vor dem die Völker nicht
länger erbleichen wie vor einer Räuberin. Wir hielten Wort und errichteten
unter dem Schutz der Roten Armee eine Ordnung, wie sie Deutschland noch nicht
gesehen. Eine antifaschistische, demokratische Umwälzung, die endlich,
Forderung um Forderung all der niedergeschlagenen und verratenen Revolutionen
umsetzend, die Ewiggestrigen verjagte. Die Junker, Monopolherren und
Nazifinanziers stoben nach Westdeutschland, wo sie sich zu ihrem und zum Schutz
der KZ-Architekten und Wehrmachtsgeneräle den Separatstaat BRD ausriefen und
Deutschland spalteten.
Wieder standen wir Alten
vor der Pflicht, aufzuhalten, was aufgehalten werden muss, die Pflicht, aus dem
Grauen zu lernen und seine Wiederholung für immer unmöglich zu machen. Nicht
Lähmung war diesmal unsere Antwort, sondern die Gründung eines neuen Staates,
der so sein sollte, wie wir werden wollten, der zur Staatsdoktrin erhob, was
drüben schon wieder unter die Räder kam: Antifaschismus, Frieden,
Völkerfreundschaft und die Verteidigung eines Zustandes, der ein erneutes
Auschwitz unmöglich machte.
Und so standen wir auf aus
Ruinen, der Zukunft zugewandt, während von drüben wieder drohend ein
„Deutschland, Deutschland über alles…“ schallte. Von Stund an wurde alles in
Bewegung gesetzt, um den Friede im Osten zunichte zu machen. Jeder Stein, der
zu finden war, wurde uns in den Weg gerollt. Denn die DDR setzte dem deutschen
Imperialismus nun Grenzen, hinter denen seine Macht vollständig gebrochen
wurde. Nach all den gescheiterten Verhandlungen, nach all den abgelehnten
Angeboten bis zu Selbstaufgabe der DDR für ein einiges, neutrales,
entmilitarisiertes Deutschland, konnte den täglichen Drohungen und Angriffen
auf die DDR nur noch eins entgegengesetzt werden: Wir griffen erneut zu den
verhassten Gewehren, richteten sie jedoch nicht wie einst gegen die Völker der
Welt, sondern gegen unsere alten Herren. Wir sagten: Bis an diese Grenze und
nicht weiter! Damit man es auch drüben verstand, gründeten wir eine neue –
unsere Armee, eine, wie sie Deutschland noch nicht gesehen.
Es ist nun ihr Staat, und
keiner wird ihn verteidigen
außer sie. Von der Drehbank in die Armee –
Arbeiter unter Waffen
Die DDR wurde zum
Korrektiv der BRD, die Nationale Volksarmee zum Gegenpol der samt und sonders
von Faschisten aufgebauten und in ihrem Geiste erzogenen imperialistischen
Angriffsarmee Bundeswehr. Die NVA wurde zu einer der wichtigen militärischen
Stützen des Warschauer Vertrages, der sich gegen die Bedrohung der NATO gründen
musste, die mit ihren Rollback-Plänen die Vernichtung von allem, was in
Osteuropa nach dem Krieg geschaffen wurde, an die Wand malte.
Die durch die Sowjetunion
unter unermesslichen Anstrengungen geschaffene Rüstungsparität, der Feuerschutz
der Warschauer Vertragsstaaten verschaffte auch den Menschen in den Kolonien
und Halbkolonien, die noch immer unter der Knute des Imperialismus vegetierten,
eine Atempause und, ja, auch Waffen, eine andere Ausgangsposition. Vietnam,
Kuba, Angola, Nicaragua – überall kam es zum Widerstand, manchmal sogar zur
Befreiung vom Joch der Fremdherrschaft. Und immer sah die NVA sich verbunden
mit den Aufständen der Unterdrückten.
7 Staaten, 7 Armeen,
darunter die NVA, bilden
ab 1955 den Warschauer Vertrag, einen Schutzschirm
des Friedens, Unterstützer der Befreiungsbewegungen
überall auf der Welt
Die Alten gaben die
Gewehre weiter an ihre Söhne und Töchter, die unsere Eltern wurden. Eine
Generation, die im Frieden geboren wurde, so wie wir, die wir damals noch
Kinder waren. Und so wie unsere Eltern den Krieg nur aus den Büchern und den
Erzählungen der Alten kannten, war für uns Kinder der Krieg weit weg, und
Frieden, das waren weiße Tauben im Wind, die freundlichen Soldaten der NVA
besangen wir im Lied.
Die Erfahrungen aus den
schweren Jahren des Aufbaus der DDR verblichen, und der Ton aus Bonn war anders
geworden, jetzt redete man nicht mehr von Rollback, sondern von “Wandel durch
Annäherung”, und das Gesäusel von Bruder und Schwester machte die Runde. Immer
weniger sahen die Eltern hinter dem Schutzwall den deutschen Imperialismus, der
emsig an seinem dritten Aufstieg arbeitete. Bunte Glasperlen glänzten dort,
viele träumten davon. Eine Lähmung machte sich breit. Irgendwann begann man zu
vergessen, was nicht hätte vergessen werden dürfen.
Die NVA erfüllte ihren vom
Volk gestellten Auftrag, selbst als die Mehrheit dieses Volkes meinte, dass es
nichts mehr zu verteidigen gäbe, und den Staat aufgab. Auch im Chaos der
Annexion, es fiel kein Schuss gegen die Bevölkerung. Die Armee der DDR senkte
die Waffen, unsere Eltern übergaben sie dem Klassenfeind.
In dieser Zeit endete
unsere Kindheit, unsere Jugend, begann eine unsichere Zeit, geprägt von der
Zerstörung all dessen, was unsere Eltern aufgebaut hatten, geprägt von
Massenarbeitslosigkeit und der Normalisierung dessen, was sich in der DDR nur
noch die Alten hätten vorstellen können, eine Flut an Kriegen weltweit,
Faschisten auf Straßen, in den Regierungen, und ein deutscher Imperialismus
erhob erneut sein Haupt zum dritten Anlauf, wurde erneut europäische
Hegemonialmacht. Die Lektion für die Welt ist eine harte, auch für unsere
Eltern, die meistens dazu schweigen.
Wir aber sind zu jung zum
Schweigen, versuchen uns zurechtzufinden, in Perspektivlosigkeit,
allgegenwärtigem Desinteresse und einem antikommunistischen und rassistischen
Dauerfeuer, das den Kopf vergiftet und uns lähmt. Unter angehäuften Bergen von
Lügen liegt wie unentdeckt, was die Alten einst mit der DDR auf den Weg
brachten und die Eltern aufbauten und Jahrzehnte verteidigten. Irgendwo unter
dem Lügenberg liegt auch unsere Kindheit und auch die Nationale Volksarmee der
DDR.
Die DDR war anders: Antifa
als Staatsdoktrin!
Ehrenwache vor dem Mahnmal für die
Opfer des Faschismus und Militarismus
So verbindet die
Geschichte der NVA drei Generationen. Wir, die Jungen, lernten sie kennen durch
die Erzählungen der Eltern, die einst die Waffen übernahmen von den Alten. Wir
müssen wissen, worum es sich lohnt zu kämpfen, wofür die Eltern kämpften, wofür
die Alten. Ob immer alles so bleibt, wie man uns im Fernsehen erzählt, oder
alles in Bewegung bleibt, Geschichte gemacht wird. Wir wissen, die DDR war
anders, ihre Armee war anders. Beide waren der Realität gewordene und in so
vielen gescheiterten Versuchen herbeigesehnte Bruch mit einer deutschen
Geschichte, die sich von Weltkrieg zu Weltkrieg schleppt. Eine Geschichte, die
nicht viele Lichtblicke birgt.
Einer wird immer die
Nationale Volksarmee sein, die erste reguläre deutsche Armee, für die man sich
nicht in Grund und Boden schämen muss. Die erste deutsche Armee, die keine
Kriege vom Zaun brach. Die sich auf eine andere Seite des Geschichtsbuchs
geschrieben hat. Auf die Seite der aufständischen Bauernheere unter Thomas
Müntzer, auf die Seite der Novemberrevolution, auf die Seite des Hamburger
Aufstandes, auf die Seite der Arbeiter, die gegen den Kapp-Putsch marschierten,
auf die Seite all der fortschrittlichen Kräfte, die Teil jeder Geschichte sind
und immer sein werden.
Vereidigung in Buchenwald,
der Gedenkstätte
der Opfer und dem Mahnmal des Kampfes
gegen den Faschismus
Und im Namen dreier Generationen erklären wir:
Die Geschichte der Nationalen Volksarmee der Deutschen
Demokratischen Republik
beginnt vor ihrer Gründung, sie endet nicht mit ihrer Auflösung.
Soldaten der NVA – das ist Euer Tag, ein Festtag für
alle, die bereit sind, für den Frieden
zu kämpfen, selbst für die, die dies heute nur ahnen, nur eine Idee davon
haben.
Kurze Bemerkung zu 60 Jahre NVA
Die Würdigung der NVA ist
ausgezeichnet geschrieben. Auch ich habe als Vorsitzende der „Mütter gegen den
Krieg Berlin-Brandenburg“ die Erklärung der Generationen unterzeichnet.
Allerdings mit der Anmerkung,
dass 1989 die Mehrheit der DDR-Bevölkerung (wir waren 17 Millonen Menschen !!)
NICHT für die Übergabe der DDR war. Wir wurden überhaupt nicht gefragt, das
Politbüro und das ZK ist in Falscheinschätzung der inneren und äußeren Lage
freiwillig zurückgetreten und die Nachfolger von Honecker haben somit
Verfassungsbruch begangen !
Brigitte Queck
Unentdecktes Land e.V.
Ostdeutsches Kuratorium von Verbänden e.V.
Freie Deutsche Jugend
Verband zur Pflege der Traditionen der NVA und der Grenztruppen der DDR e.V.
Weitere Unterstützer der »Erklärung der Generationen«
(Stand: 23.2.2016):
Natalie Al-Kubaisi; Harry
Alberecht; Dieter Ammer; Hans Bauer; Dieter Becker; Joachim Bonatz; Raimon
Brete; Olaf Brühl; Michael Czech; Sophie Dagadou-Großwig; Michael Enge;
DDR-Kabinett Bochum e.V.; Frank Flegel; Harald Gampig; Frank Gauer; Albrecht
Geißler; Jürgen Geppert; Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären
Unterstützung e.V. (GRH); Dr. Gudrun Göpfert; Werner Griebel; Hans-Joachim
Gültner; Heinzjürgen Hagenmüller; Karl-Heinz Hilburg, Oberstleutnant a. D.;
Helmut Holfert; Gerd Hommel; IG Frieden–Gerechtigkeit–Solidarität DIE LINKE
Chemnitz; Sebastian Jahn; Bernhard Kößler; Erhard Kunze; Ingrid Kutschmann;
Joachim Kutschmann; Anton Latzo; Herbert Leonhardt; Dr. Dieter Luhn; Andreas
Maluga; Gerhard Matthes; Prof. Dr. Siegfried Mechler; Rudolf Menzel; Stephan
Messerschmidt; Eckehardt Möckel; Eva Maria Müller; Heinz Müller; Jörg Müller;
Maik Müller; Wolfgang Müller; Erna Nagel; Wilfried Nagel, Oberst a. D. der NVA;
offen-siv (Zeitschrift); Volkart Otto; Mario Redeker; Petra Reichel;
Revolutionärer Freundschaftsbund e.V.; Andreas Richter; Heinz Rolle; Arnold
Sabisch; Ingo Sattler; Siegfried Scholz; Karl-Heinz Schulze; Hannes Schwab;
Fred Seltrecht; Dr. Hans-Günter Szalkiewicz; Traditionsverband NVA e.V. –
Soldaten für den Frieden; Torsten Trentzsch; Uwe Ullmann; Siegfried Voigt;
Manfred Volland, Generalleutnant der NVA a.D.; Olaf Weiß; Hildegard Wendt;
Karl-Heinz Wendt; Carsten Wölk; ...
Unentdecktes Land e.V.
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