Meine persönlichen Bemerkungen zur
Christa Bertag, Generaldirektorin des Kosmetikkombinats Berlin von
1986-1989
In diesen und den
kommenden Wochen und Monaten häufen sich die Jahrestage, die für Deutschland
von historischer Bedeutung sind: 70. Jahre Grundgesetz der BRD, 70.
Jahrestag der Gründung der
Ich wurde gebeten, in
unserer heutigen Gesprächsrunde über meine persönlichen Erfahrungen
in der
In Vorbereitung auf
dieses Thema kam ich zu dem Schluss, dass der Zusammenbruch der
Man wirft uns zuweilen
vor, die Teilung Deutschlands - insbesondere durch den Mauerbau - manifestiert
zu haben. Das stimmt nicht. Durch die Mauer sind die Existenz und die Konflikte
zweier grundverschiedener deutscher Staaten nur öffentlich sichtbar
geworden.
Die Teilung begann mit
der Aufteilung in Sektoren durch die Alliierten und wurde durch die
Abspaltungsbestrebungen der Westmächte seit 1946 betrieben, unter anderem durch
die Währungsreform mit Einführung der DM 1947 in den Westsektoren,
das Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und dem Amtsantritt des
Adenauerkabinetts am 20. September 1949. Insofern war die Gründung der
Anmerkung: Was im
Übrigen die Währungsreform von 1947 betrifft, die die endgültige Teilung
Deutschlands einleitete, finde ich gewisse Parallelen auch in der als
Währungsunion deklarierten Einführung der DM in die
Ich zitiere "Die
Tageschau" vom Sonntag, dem Ersten Juli 1990 – dem Tag, als die D-Mark in
die
"Mit der Einführung
einer gemeinsamen Währung und der Aufhebung der Grenzkontrollen ist die Einheit
Deutschlands seit heute, Null Uhr, praktisch vollzogen. Der Staatsvertrag über
die Wirtschafts-, Sozial- und Währungsunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Deutschen Demokratischen Republik ist in Kraft getreten."
"...die Einheit
Deutschlands ist vollzogen"? Aus heutiger Sicht wage ich zu behaupten,
dass nicht die Einheit Deutschlands vollzogen wurde, sondern die Teilung
zwischen Ost und West durch Vernichtung eines deutschen Staates auf ein anderes
Niveau gehoben wurde. Die Grenze verläuft heute zwischen Gewinnern und
Verlierern, zwischen Eigentümern und Enteigneten, zwischen ökonomisch Mächtigen
und einer deindustrialisierten Ostzone, zwischen Etablierten und Enttäuschten,
zwischen Stammwählern ehemaliger Volksparteien und der AfD.
Manche wundern sich
darüber. Aber Wunder sollte man denen überlassen, die daran glauben. Zu denen
gehöre ich nicht und viele andere auch nicht.
Ich halte es an der Zeit, das Volk über die wahren
Ursachen seiner Unzufriedenheit aufzuklären, die Regierenden ihrer
Scheinheiligkeit und die Rechtsradikalen ihrer Demagogie zu überführen.
Aber zurück zur
Wirtschaft.
Als Beweis für die
Rückständig der
Dazu muss ich anmerken,
dass die beiden Wirtschaftssysteme im Grunde nicht vergleichbar sind.
Die auf Privateigentum
basierende Marktwirtschaft ist auf Profit ausgerichtet, die auf Volkseigentum
basierende sozialistische Wirtschaft auf das Gemeinwohl. Daraus erklären sich
allein schon Unterschiede in der Bewertung einer volkswirtschaftlichen
Leistung.
Anmerkung: In den
neuen Bundesländern wirken nunmehr seit 30 Jahren die Gesetze der
Marktwirtschaft, Privateigentum, Wettbewerb. Trotzdem ist der Anteil der Industrieproduktion
im Osten von 2005 bis 2018 um nur 13 % auf 9,3 % gestiegen , die
Arbeitsproduktivität beträgt ca. 73 %.
Für den Rückstand der
Ich möchte nur einige
anführen:
Da ist zuerst die
unterschiedliche Ausgangslage nach dem 2. Weltkrieg.
Die Zerstörung aller
wirtschaftlichen Grundlagen in Ostdeutschland endete nicht 1945, sondern erst
1950 mit dem Erlass der Reparationszahlungen durch die Sowjetunion. So wurden
nach Schätzungen bis 1953 Reparationsleistungen von ca. 50 Mrd. Mark durch
die
In dieser Zeit pumpten
die USA durch den Marshallplan ca. 16 Mrd. $ nach Europa, wovon die BRD etwa
ein Viertel erhielt.
(Bei diesem Vergleich
sage ich immer: Wir in der
Das war für die BRD ein
geeigneter Einstieg in das darauffolgende "Wirtschaftswunder"
und für die USA der Zugang zum europäischen Markt.
Durch die Teilung
Deutschlands war das Gebiet der
Gleichzeitig mussten
neue Grundlagen für die Sicherstellung der Ernährung geschaffen werden. Das
geschah z. B. durch die Trockenlegung großer Flächen und durch die Bereitstellung
von landwirtschaftlichen Maschinen. Es war ein Milliardenprojekt.
Durch die Einbindung der
Dazu kam das
Wirtschaftsembargo des Westens, das den Zugang zu wissenschaftlich- technischem
Fortschritt aufs äußerte erschwerte.
Ein weiterer Aspekt war
die unbedingte Verwirklichung grundlegender Menschenrechte: das Recht auf
Bildung und Wohnung, Ernährung, für Gesundheitswesen, Energie- und
Wasserversorgung und nicht zuletzt für militärische Ausgaben unter den
Bedingungen des kalten Krieges.
Es sei nur angemerkt,
dass die
Dafür stellte der
Staatshaushalt Milliarden bereit.
Die Kehrseite war,
dass die Mittel für die einfache Reproduktion in den Betrieben sehr eng
begrenzt war. Das führte in vielen Fällen zur Überalterung der Anlagen, zu
schlechten Arbeitsbedingungen und zur Vernachlässigung des Umweltschutzes.
Trotz allem wurden
arbeitsfähige Betriebe und lebenswerte Bedingungen für die Bevölkerung
geschaffen.
Den Aspekt der
Planwirtschaft möchte ich an meinem eigenen Beispiel erläutern:
Von 1986 bis zu seiner
Auflösung 1989 leitete ich als Generaldirektor des Kosmetik- Kombinat Berlin.
Das war eine Funktion,
die die Verantwortung für die Versorgung einer ganzen Nation beinhaltete. Das
Kombinat produzierte rund 95% aller kosmetischen Erzeugnisse der
Das hört sich gewaltig
an, zeigt aber auch eine tiefgreifende Schwäche der
Jede Verbrauchsgröße
war staatlich bilanziert. Das war der Rahmen, in dem die
Planerfüllung erfolgen musste und nur durch den großen Einfallsreichtum
und das persönliche Engagement aller Mitarbeiter waren auch die zusätzlichen
Forderungen der Partei zur Planübererfüllung möglich.
Andererseits hatte diese
Bilanzierung auch den Vorteil, dass die vorhandenen Ressourcen sparsam
genutzt wurden und eine Verschwendung wie wir sie heute kennen mit Massen an
Abfall vermieden wurde.
Die jährlichen
Planvorgaben waren bis ins kleinste Detail aufgeschlüsselt. Unsere vornehmste
Aufgabe bestand darin, aus den vorhandenen Ressourcen das Möglichste zu machen.
Es gelang, unsere
Produktionskapazitäten zu erweitern, vorhandene Produktionslinien zu
modernisieren und neue Betriebe aufzubauen. Das war auch eine große Stimulans
für die Leistungsbereitschaft unserer Mitarbeiter.
Die Planwirtschaft war
eine Methode zur Verwaltung der vorhandenen materiellen und finanziellen
Mittel, die nicht in dem Maße wuchsen wie die weitere Entwicklung der
Volkswirtschaft es erfordert hätte.
Die Behauptung des
Westens, die
Aber es ist fraglich, ob
wir unter den gegeben politischen Bedingungen ohne Zugang zum
internationalen Kapitalmarkt hätten überleben können. Selbst in einer
Wirtschaftskooperation mit der BRD wären wir voraussichtlich ein Billiglohnland
geworden, das unsere inneren politischen Spannungen eher verschärft hätte.
Noch eine Bemerkung zu
den Aussagen des Westens "Die
Zu Beginn der Treuhand
unter Rohwedder wurde das
Der wichtigste Auftrag
der Bundesregierung an die Treuhand war, das volkseigene Vermögen zu
privatisieren, wobei sie in ihrer Handlung straffrei gestellt wurde.
Angesichts solcher
Beute ist es doch nur zu verständlich, dass Befähigte und solche, die
sich dafür hielten, Interessierte und Glücksritter sich in Scharen aufmachten,
um sich ihren Anteil an diesem Kuchen zu sichern. Dabei leistete die
Treuhandanstalt als Vasall der Bundesregierung ganze Arbeit. Von einem
geschätztem Wert von 600 - 800 Milliarden DM verblieben zum Schluss
rund 300 Milliarden DM Verlust, die Vernichtung von 4 Mio. Arbeitsplätzen, ein
vollkommen deindustrialisiertes Land und blühende Landschaften, wo einst
Betriebe produzierten und den Menschen in der Region eine Lebensgrundlage
boten. Eine respektable Arbeit.
95 % des
Aspekt Politik
Wenn es um den Untergang
der
Die Lehre die ich daraus
ziehe ist, dass jede Regierung und jede Partei, wenn sie den Sinn für das
aktuelle Geschehen verliert, zum Scheitern verurteilt ist.
Zwei Drittel meines
Lebens habe ich in der
Was ich
feststelle, ist eine Flickschusterei, um sich von einer Wahlperiode zur
nächsten über die Runden zu retten.
Das beste Beispiel sind
neuerlich die Maßnahmen zum Klimaschutz. Hierfür sollen nach Verlautbarung bis
2023 54 Milliarden EUR zur Verfügung gestellt werden. Vergleiche ich das mit
dem Rüstungsetat der BRD 2019 in Höhe von 43,2 Milliarden fällt die
Verantwortung für den Klimaschutz doch etwas bescheiden aus.
Schlussbemerkung
"Nur wer die
Vergangenheit kennt, kann die Zukunft gestalten." In diesem Sinne
sind meine Darlegungen ein Versuch, einige Aspekte der
Das Gesellschaftsmodell
Eine der besten
Erfahrungen, die ich in meiner Wirtschaftstätigkeit gemacht habe und die mit
hoher Wahrscheinlichkeit kein Manager und Politiker von heute persönlich
erfahren wird, ist das große Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft,
der Stolz jedes Einzelnen, gebraucht zu werden und an einer
gesamtgesellschaftlichen Sache mitzuwirken.
Und nur wenigen dieser
Leute wird vielleicht bewusst sein, dass ihre Existenz von der Arbeit anderer
abhängt.
Sie sind nicht
Arbeitgeber, sie sind Arbeitnehmer. Deshalb sollten sie die Leistung anderer
gebührend achten und würdigen.
Kurzbiografie Christa Bertag
Christa Bertag
leitete von 1986 bis 1990 das Kosmetik - Kombinat Berlin und war eine der ganz
wenigen Frauen unter den Generaldirektoren.
Sie wurde im Dezember
1942 in Sondershausen geboren. Ihre Eltern waren Arbeiter.
Ab 1949 besuchte
Christa Bertag die Grundschule. Von 1957 - 1960 besuchte sie die Oberschule und
absolvierte 1961 das Abitur an der Arbeiter- und Bauernfakultät II.Danach
leistete sie ein praktisches Jahr als Schichtarbeiter im Chemiekombinat
Bitterfeld, wo sie an der Betriebsberufsschule den Abschluss als
Chemiefacharbeiter erwarb. Ab 1962 studierte sie an der Technischen Hochschule
für Chemie in Merseburg und schloss 1967 als Diplomchemiker ab. Sie heiratete
1964, hat zwei Kinder, drei Enkel und eine Urenkelin. Sie ist verwitwet. Nach
dem Studium arbeitete sie in den Leunawerken, anfänglich in der Patentabteilung,
später in der Katalysatoren- Forschung. Mit dem Neuen Ökonomischen System (NÖP)
wurde sie für die Umsetzung der Wissenschaftsorganisation in die betriebliche
Praxis eingesetzt. Nachdem das NÖP mit dem Machtantritt E. Honeckers ein
abruptes Ende fand, leitete sie den Aufbau eines Jugendobjektes
Konsumgüterproduktion zur Verarbeitung von Polyethylen zu Tapeten u.a. Christa
Bertag war aktives FDJ-Mitglied und trat 1965 der SED bei. Von 1974 bis 1977
studierte sie an der Parteihochschule "Karl Marx" in Berlin und
schloss mit dem Diplom der Gesellschaftswissenschaften ab. 1977 bis 1985
arbeitete sie als politische Mitarbeiterin in der Abteilung
Grundstoffindustrie
des Zentralkomitees der SED. Dort war sie verantwortlich für den Sektor
Leichtchemie, also für die Produktion von Lacken, Farben, Waschmitteln,
Kosmetika. Sie besuchte oft die Betriebe und lernte die Branche und ihre
Probleme sehr gut kennen. Im Umgang mit den Betriebsleitern war ihr Prinzip:
Nichts versprechen, aber alles versuchen. So erarbeitete sie sich großes
Vertrauen. Sie setzte sich mit Erfolg dafür ein, dass für die verarbeitende
Chemie schrittweise Investitionsmittel bereit gestellt wurden, durch die die
Technologien und die Arbeitsbedingungen verbessert werden konnten. Dies führte
in diesen Bereichen auch zu einer höheren Arbeitsproduktivität. 1986 wurde sie
vom Minister für Chemische Industrie zum Generaldirektor des Kosmetik-Kombinats
Berlin berufen. Sie leitete das Kombinat mit Erfolg bis zu seiner Auflösung
1990.Danach war sie im Stammbetrieb "Berlin Cosmetics GmbH" tätig,
zuerst als Geschäftsführerin später in anderen leitenden Funktionen. Sie
versuchte mit aller Kraft, die Abwicklung des Unternehmens durch die Treuhand
zu verhindern. Nach dem Verkauf des Unternehmens an einen westdeutschen
Investor verließ sie das Unternehmen. Nach drei Jahren Arbeitslosigkeit
arbeitete sie als selbständiger Unternehmensberater. Von 2006 bis 2012
arbeitete sie als Herstellungsleiter in einem im Aufbau befindlichen Pharmazie-
Betrieb im Spreewald.
Seitdem ist sie im
Ruhestand, aber nicht ruhig. Sie wirkt aktiv mit im Generaldirektorensalon, in
den Ortsgruppen der Linken und der Volkssolidarität in Lichtenberg