DDR-BRD
Freitag, 8. März 2013
Wie die Frauen der DDR um
eine ganze Epoche zurückgeworfen wurden
Zerronnenes Glück
In vielen Ländern wird der
Internationale Frauentag begangen. Zu Zeiten der DDR fanden in allen Betrieben,
Institutionen und Einrichtungen Feierstunden statt, bei denen die Rolle der
Frau im Leben der Gesellschaft gewürdigt wurde. Das entsprach einer Tradition
der internationalen Arbeiterbewegung. So unterschiedlich man Persönlichkeiten
der Klassen oder Schichten wertete, so unterschiedlich war auch die
gesellschaftliche Rolle der Frau.
Die DDR gewährte ihr die gleichen Rechte wie dem Mann – das Recht auf Arbeit
und Lohngleichheit bei gleicher Leistung, auf Bildung, Kultur, gesundheitliche
Betreuung und Erholung. Die Überwindung althergebrachter Traditionen war ein
komplizierter Prozeß, der nicht zuletzt auch die Bereitstellung erheblicher finanzieller
Mittel voraussetzte. In der DDR gab es Einrichtungen und Vergünstigungen für
Frauen, die heute leider nicht mehr existieren. Das waren keine Attraktionen,
die man in Schaufenstern hätte bewundern können. Es handelte sich vor allem um
Entwicklungsmöglichkeiten, die dem weiblichen Teil der Bevölkerung Ansehen,
Befriedigung und Selbstwertgefühl verschafften.
Schon als kleines Mädchen
wünschte ich mir, später einmal mehrere Kinder zu haben. Ob nun die Tatsache,
daß ich als 16jährige bereits auf eigenen Füßen stehen mußte, ursächlich dafür
war, unbedingt einen Beruf zu erlernen, vermag ich nicht mehr zu sagen. Das Bedürfnis, mein Geld selbst zu verdienen,
im Arbeitsleben zu stehen,
war jedenfalls sehr stark ausgeprägt. Heute bin ich in die Endphase des Lebens
eingetreten. Abgesehen davon, daß mir meine jahrzehntelange Berufstätigkeit und
die entsprechende Qualifikation über dem Durchschnitt der Ostrenten liegende
Altersbezüge bringt, kann ich mit Genugtuung auf mein Leben zurückblicken.
Meine Wünsche haben sich erfüllt: vier Kinder und Beruf, darüber hinaus Hobbys
wie Sport, Literatur, Musik und Reisen. Unbezahlte gesellschaftliche Arbeit war
für mich selbstverständlich. Übrigens wirkte sie sich im Elternbeirat günstig
auf die Erziehung auch des eigenen Nachwuchses aus.
All das war möglich, weil dafür entsprechende gesellschaftliche Voraussetzungen
bestanden. In der DDR wurde versucht, sie zu schaffen: Arbeit gab es für Frauen
wie für Männer. Bildung war sowieso groß geschrieben. Von Beginn der
Schwangerschaft bis zur Geburt des Kindes wurden die Frauen unentgeltlich
medizinisch betreut. Bei der Deckung des Bedarfs an Kindereinrichtungen nahm
die DDR international einen Spitzenrang ein. Fast jeder Betrieb organisierte im
Sommer Kinderferienlager, und an den Schulen wurden eigene Ferienspiele für
jene, die nicht mitfahren konnten, durchgeführt. Kinderkleidung war relativ
billig. Eintrittspreise für Sport- und Kulturveranstaltungen vermochten auch
Kinderreiche zu bezahlen. Der Gewerkschaftsbund FDGB, der in der DDR für den
Feriendienst zuständig war, betrieb etliche Heime für Familien mit Kindern.
Auch wenn der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel der Meinung ist, jene, welche
positiv zur DDR stünden, seien Betonköpfe – ich trage mein Haupt hoch erhoben.
Doch kehren wir aus vergangenen Tagen in das Hier und Heute zurück. Im Programm
der Partei Die Linke heißt es: „Die Frauen sollen in die Lage versetzt werden,
Familie, Beruf, Qualifikation, Hausarbeit und Hobby unter einen Hut zu
bringen.“ Bereits die erste Bedingung – die Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen
– kann in der BRD absolut nicht gewährleistet werden. Diese Forderung wird
derzeit im Osten zu 49 % erfüllt, im Westen nur zu 27 %. Wie sieht es mit der
beruflichen Qualifikation aus? Hierzu wäre erforderlich, daß Frauen für ihre
Weiterbildung zeitweilig eine ganztägige Freistellung von der Arbeit – bei
voller Bezahlung – gewährt würde. Doch auch das reicht noch nicht aus. Warum
sollte es nicht möglich sein – wie einst in der DDR – den Frauen wochentags die
Sorge um die Mittagsmahlzeit abzunehmen? In einem Drittel Deutschlands war das
gesellschaftliche Realität: Betriebs- und Schulküchen boten ein gehaltvolles
Mittagessen zu niedrigem Preis bei staatlicher Subventionierung an. Der
Nachwuchs wurde weitestgehend in Kinder-einrichtungen kostenlos erzogen und
betreut. An sämtlichen Hoch- und Fachschulen gab es im Fernstudium
Frauensonderklassen, deren spezieller Status nicht in Abstrichen am
Unterrichtsstoff bestand, sondern in der zusätzlichen ganztägigen Freistellung
von der Berufsarbeit – bei voller Bezahlung. Die Rente mit 60 für Frauen galt
als unumstößlich.
In der BRD liegen die Dinge völlig anders. Die Arbeitslosigkeit trifft
insbesondere Frauen. Sie erhalten bis zu 23 % weniger Lohn für die gleiche
Arbeit wie ihre männlichen Kollegen. Die Rente mit 60 war einmal. Durch das
Überstülpen der BRDKonditionen nach dem Anschluß der DDR an den Machtbereich
des Kapitalismus sind die Frauen im Osten – was ihre Gleichstellung betrifft –
um eine ganze Epoche zurückgeworfen worden. Daran ändert auch das Gerede von
einer Frauenquote, die ohnehin nur um Aufsichtsratsposten bei Konzernen bemühte
„Damen“ der Bourgeoisie betrifft, nicht das geringste. Marx hatte völlig recht:
„Jeder, der etwas von der Geschichte weiß, weiß auch, daß große
gesellschaftliche Umwälzungen ohne das weibliche Ferment unmöglich sind. Der
gesellschaftliche Fortschritt läßt sich exakt messen an der gesellschaftlichen
Stellung des schönen Geschlechts (die häßlichen eingeschlossen).“
Gerda Huberty, Neundorf