Einige Beispiele, wie China als sozialistischer Staat innenpolitisch auftritt:

 

Gespräch mit Wolfram Elsner

Zur kommunistische Entwicklung in China

Sie waren bis zu Ihrer Emeritierung Professor für Ökonomie an der Universität Bremen. Nun lehren Sie in China. Wohin hat es Sie dort verschlagen?

Ich habe bislang dreimal in China unterrichtet und werde im Juli den nächsten Anlauf nehmen.

 

2012 endete die Phase des zweiten Entwicklungsmodells, das auf Dengs Bestrebungen der Marktöffnung und Liberalisierung fußte. Der Status Chinas als

verlängerte Werkbank der Welt ist damals beendet worden. Die chinesische Führung erklärte: Wir sind nun ein Land mit bescheidenem Wohlstand, dass die ersten Schritte auf dem Weg zum Sozialismus geht. Damit einher ging auch die Wiederbelebung des ideologischen Kampfes. An den Unis ist der Anteil marxistischer Grundbildung für alle erhöht worden.

 

Jeder Student, egal welcher Fachrichtung, muss vier Lehrveranstaltungen in marxistischer politischer Ökonomie absolvieren

 

Seitdem versucht die chinesische Regierung den Einfluss des Kapitals im Lande zu hemmen und China geht den Weg des entwickelten Sozialismus !!

 

Woran ist diese Entwicklung zu einer sozialistischen Gesellschaft erkennbar ?

 

1. Es gibt kein Privateigentum an Boden, an der Natur und den Ressourcen

 

2. Konzerne, selbst der größte Konzern, kann in China höchstens über eine Pacht verfügen. Immer zeitlich befristet. Es gibt mittlerweile, und das hat sich innerhalb der vergangenen, zehn Jahre dramatisch geändert, einen staatlichen Produktionssektor, der nicht mehr aus den alten verkorksten Staatsunternehmen besteht, sondern enorm modernisiert und strategisch ausgerichtet wurde. Es sind heute die Unternehmen, die den Privatsektor bei Forschung und Entwicklung vor sich hertreiben.

 

3. Das Finanzsystem ist streng reguliert. Meldungen, dass der Sektor für westliche Firmen und Banken geöffnet wird, sind zwar richtig, jedoch liegt dieser Anteil bei unter 1 Prozent.

 

In China läuft finanziell nichts aus dem Ruder. Viele Ökonomen, etwa politisch grün orientierte, US-Wirtschaftswissenschaftler Jack Rasmus sind der Ansicht, dass die nächste Finanzkrise nicht China treffen wird, denn China ist nicht in Dollar verschuldet. China ist nur in Yuan verschuldet und kann deshalb jede Krise in eigener Regie ausbremsen. Deshalb spielt auch die hohe Verschuldung der chinesischen Unternehmen keine bedeutende Rolle, weil sie gleichzeitig auch bedeutende Investitionen tätigen.

 

Die Internetkonzerne müssen einen großenTeil ihrer Profite in die Bereitstellung der IT-Infrastruktur investieren – was nicht heißt, dass diese Typen keine Milliardäre wären. In China gibt es überall kostenloses WLAN ! Handy- Akkus können an U-Bahn-Stationen kostenlos aufgeladen werden. Alles wird bezahlt von Baidu, We- Chatt und wie die IT-Konzerne alle heißen.

 

4. Zum Informationafluss in China:

In China gibt es eine die Sozialisierung der Information.

 

Im Westen gibt es großes Geschrei: Die Chinesen klauen unsere Patente. Dabei klauen die Chinesen ihre Patente vor allem innerhalb Chinas. Dutzende neuer Firmen im Bereich der E-Mobilität bauen nicht nur Elektrofahrräder, -mopeds und -roller sondern auch E-Autos. Meistens sind diese noch nicht für den Straßenverkehr zugelassen, sondern fahren auf Firmengeländen und Golfplätzen. Im vergangenen Jahr ist die vereinigte chinesische Automobilindustrie zur chinesischen Regierung gegangen und haben gebeten, dass ihre Patente beachtet werden.

 

Die Regierung hat die Firmenvertreter jedoch komplett abblitzen lassen.

Das war eine große Geschichte, es wurde viel in der Bevölkerung darüber gelacht. Die Regierung hat gesagt: »Klärt das unter euch. Handelt Entschädigungen aus, die gezahlt werden müssen, wenn Patente verletzt wurden. Wir machen kein Lobbying für euch.« Im Gegenteil, hat sich die Regierung eher vor die kleinen Unternehmen gestellt, die Produkte kopieren.

Was bei uns »Klauen von Patenten« heißt, ist in China Strategie: Die Informationen müssen fließen und jedem bereitstehen.

 

5.Millionäre in der KP Chinas ?

Zum Einwand, dass es keinen Sozialismus in China gäbe, da auch einige Milliardäre im Politbüro sitzen. Oligarchen im Zentrum der Macht, die dem Imperialismus das Fürchten lehren sollen !

Das stimmt. Davon gibt es ein paar. Z.B. den Chef des Onlineferdienstes Alibaba, Jack Ma ist ein gutes Beispiel dafür, wie das Verhältnis zur kommunistischen Partei ist. Ma hat gesagt: »Ich liebe die Partei# wie meine Mutter. Aber mit meiner Mutter gehe, nicht ins Bett« Das zeigt die Ambivalenz eines Großkapitalisten gegenüber der Partei.

 

6 Zur Arbeiterklasse in China:

Was die Arbeiterschaft in China betrifft, sie ist die streikfreudigste der Welt. Auch intensitätsmäßig, also pro Kopf, nicht nur in absoluten Zahlen. Und die Streiks werden fast immer politisch unterstützt. Es sind Streiks für höhere Löhne, die in China seit Jahren um sechs bis neun Prozent jährlich steigen. Im vergangenen Jahr hat China zu den Ländern aufgeschlossen, die von der Weltbank mit mittleren Durchschnittseinkommen geführt werden. 9.000 -Dollar Jahreseinkommen bezieht ein Chinese im Jahr pro Kopf. Als Ziel der Paneiführung wurde ausgegeben: Bis 2021 soll das Land über einen bescheidenen Wohlstand verfügen und damit den ersten Schritt zum Sozialismus erreicht haben. In Arbeitskämpfen geht es häufig um die Beiträge der Unternehmer zur Kranken- und Gesundheitsversicherung. Erst Ende der 90er Jahre wurde in China mit dem Aufbau einer flächendeckenden Kranken- und Rentenversicherung begonnen. Inzwischen sind 1,3 Milliarden Menschen renten- und 900 Millionen krankenversichert.

 

7. Zum Gefälle zwischen Stadt und Land in China.

Im Westen wird gesagt, dass die chinesischen Bauern in mittelalterlichen Verhältnissen leben würden, während in den Sonderwirtschaftszonen Hightech-Produkte das Straßenbild prägen. Diese Bild galt noch vor Jahren. Es gab Riesenprobleme mit Wanderarbeitern, die aus dem ländlich geprägten Westen kamen und mehr oder minder in den Ballungszentren an der Ostküste gestrandet sind. Das Problem war das alte Registrierungssystem Hukou. Nur dort. wo die Wanderarbeiter registriert waren, hatten sie auch Zugang zu Bildung und anderen öffentlichen Leistungen. 290 Millionen Menschen arbeiteten als Wanderarbeiter. Inzwischen sind es noch etwa 180 Millionen.

Mehr als 100 Millionen von ihnen wurden zurückgeführt. Das Hukou wurde so geändert, dass an sich auch in den Zielorten ansiedeln kann. Die Wanderarbeiter können auch ihre Familien nachholen.

In den vergangenen drei Jahren wurden zudem große Investitionen der IT Unternehmen in ländlichen Regionen getätigt.

Uber Computer, Handy und WLAN soll auch im allerletzten Dorf verfügt werden. Das ist die Basis dafür, dass die Arbeiter wieder aufs Land zurückgehen. Es wurden unglaublich viele alte Industriekomplexe um Beijing und im Süden des Landes zerstört und im Westen neu aufgebaut. Es ist unglaublich, wieviel Fabrikruinen allein in den Vororten Beijings stehen.

 

8. zu den Gewerkschaften in China

Die Gewerkschaften in Deutschland erkennen chinesische Arbeitervertreter nicht an, weil gerade sie es in den westlichen Staaten sind, die die treibende Kraft bei Streiks darstellen. In Bezug auf China sagt man, dass die Arbeitervertreter in den chinesischen Betrieben nur als verlängerter Arm der kommunistischen Partei dienen würden. Wie steht es also in China wirklich um die Freiheit der Lohnabhängigen ?

Die Gewerkschaften sind nicht die treibende Kraft bei den Streiks. Zum großen Teil sind es die betrieblichen Paneigruppen, zum Teil sind es aber auch die Beschäftigten selber.

 

Die Chinesen sind selbstbewusst, weil sie keine Existenzängste haben.

 

Die deutsche Industrie in China klagt darüber, dass die Betriebe in China politisiert werden. Na klar. Die Partei geht in die Betriebe und ruft zu Streiks für kürzere Arbeitszeiten auf.

Laut offiziellem Regierungsbeschluss sollen die Beschäftigten viereinhalb Tage arbeiten.

 

Die Partei hat außerdem den Entschluss gefasst, den Gini-Koeffzient, das Maß für Einkommens- und Vermögensverteilung, zu senken.

 

China hat mit 0,46 einen für OECD-Länder ziemlich hohen Weit.

 

Auf der Gini-Skala bedeutet eins das größte Maß der Ungleichheit und null dementsprechend gleiche Verteilung.

 

Wie hat sich langfristig die Eínkommensschere einwickelt?

 

Beijing hat zwischen 1991 und 2013 mehr als 700 Millionen Menschen aus der Armut geholt. Mehr als 70 Prozent der weltweiten Armutsreduktion ist in China passiert. 2021 soll es im Land keine Armut mehr geben.

 

Offiziell leben heute noch 80 Millionen arme Menschen im Land.

 

Der chinesische Armutsindikator ist schärfer gefasst als der der Weltbank. Die Weltbank definiert Armut mit einem Einkommen von 1,90 Dollar am Tag. Beijing setzt die Definition bereits bei 5,90 Dollar an.

 

Bis sich der Gini-Koeffizient als hochaggregiertes Maß verändert, müssen schon etliche Milliarden in die Hand genommen werden.

Die Beschlusslage lautet: Der Gini-Koeffizient soll auf 0,32 sinken. Das ist ein Wert wie in den besten Jahren des sozialstaatlich regulierten Schweden. Das ist atemberaubend.

 

Während die neoliberalen Politiker im Westen ja nicht einmal mehr in der Lage sind, die kleinste Umverteilung in Gang zu bringen !!

 

Deutschland liegt auch im 0,3 Bereich, bei steigender Tendenz. Mit anderen Worten, während in China der Unterschied zwischen Arm und Reich sinkt, ist es in Deutschland genau umgekehrt !!

 

9. Auslandsinvestitionen Chinas

Interessant ist auch, dass die chinesische Regierung ein Verbot erlassen hat, unproduktive und irrationale Auslandsinvestitionen zu tätigen. Unternehmen, die ihr Geld im Ausland angelegt haben, sind gezwungen, Beteiligungen an Hotels, Kinos, Filmproduktionsfirmen, Fußballclubs und Freizeitparks abzustoßen

 

10. Zur Umweltproblematik in China:

Man merkt in den letzten Jahren einen Wandel hin zu mehr Umweltbewusstsein.

 

China ist laut OECD das einzige Land der Welt, das es geschafft hat, Wüsten zurückzudrängen. In der Wüste Gobi wurde auf mehreren hundert Quadratkilometern Wald geschaffen. Xi hat einmal gesagt: ››Der amerikanische Traum ist ausgeträumt. Wir träumen jetzt den chinesischen Traum.« Die Leute in China sagen mir: Jetzt merken wir endlich, dass etwas passiert.

 

Was können Linke in Deutschland von China lernen?

Die sollen endlich anfangen und wahrnehmen, was da abgeht. Natürlich gehen die Chinesen nicht den klassischen, eurozentrierten Weg. Das mindeste, was man erwarten darf, ist kritische Solidarität.

Diese Fakten wurden von Professor Wolfram Elsner aufgezeichnet, der bis zu seiner Emeritierung Professor für Ökonomie an der Universität Bremen war und seit einigen Jahren an einer Universität in China unterreichtet.