China-Bundesrepublik: Die
Auslandszentrale der chinesischen Opposition
12.09.2019
Mit einem groß inszenierten Empfang für den Hongkonger
Aktivisten Joshua Wong präsentiert sich Berlin vor der Weltöffentlichkeit als
Auslandszentrale der chinesischen Opposition. Wong wurde in Berlin vom
Außenminister persönlich begrüßt; er stellte seine Forderung, Maßnahmen gegen
China zu ergreifen, in der Bundespressekonferenz vor. In Deutschland hatten
schon zuvor zwei Männer aus Hongkong Asyl erhalten, die für die Abspaltung der
Stadt von China eingetreten sind und wegen ihrer Beteiligung an gewalttätigen
Krawallen vor Gericht gestellt werden sollten. Bereits seit Jahrzehnten haben
in der Bundesrepublik Verbände uigurischer Separatisten ihren Sitz, darunter
einer, dem vorgeworfen wird, in die Vorbereitung pogromartiger Ausschreitungen
involviert gewesen zu sein, denen im Juli 2009 fast 200 Menschen zum Opfer
fielen. Deutsche Politiker unterstützen zudem tibetische Separatisten - ein
Hebelpunkt, um die Volksrepublik zu schwächen. Ein chinesischer Schriftsteller,
der China zum "Müllhaufen" erklärt, ist mit dem Friedenspreis des
Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden.
Tibet abspalten
Zu den Hebelpunkten, die
die westlichen Mächte - darunter auch die Bundesrepublik - seit vielen Jahren
nutzen, um den chinesischen Staat zu schwächen, gehört der Konflikt in Tibet.
Während ein Teil des tibetischen Klerus traditionell bereit ist, mit Beijing zu
kooperieren, setzt ein anderer Teil gegenüber der Volksrepublik auf Konflikt.
Die Forderungen, die dabei vertreten werden, reichen von noch größerer
Autonomie bis hin zur Sezession, wobei manche sogar die Abspaltung eines
"Groß-Tibet" verlangen, das zusätzlich zum Autonomen Gebiet Tibet
Teile weiterer chinesischer Provinzen umfasst. Seit den 1980er Jahren ist vor
allem im Westen eine Tibet-Lobby entstanden, in der der im indischen Dharamsala
ansässige Dalai Lama eine zentrale Rolle spielt. Die Forderungen der
Tibet-Lobby finden seit Mitte der 1980er Jahre regelmäßig Eingang in die bundesdeutsche
Politik; als ihre Sprachrohre dienen vor allem Bündnis 90/Die Grünen und die
Xinjiang abspalten
Ein zweiter Hebelpunkt, den der Westen nutzt, sind die
Auseinandersetzungen im westchinesischen Xinjiang. Dort vermischen sich
zweierlei Konflikte: Zum einen sind in dem Autonomen Gebiet, in dem
turksprachige Uiguren leben, seit langem uigurische Separatisten aktiv, die die
Abspaltung Xinjiangs als "Ost-Turkestan", zum Teil sogar einen
Zusammenschluss mit weiteren turksprachigen Regionen Zentralasiens bis hin zur
Bildung eines großtürkischen Reiches fordern. Zum anderen sind besonders in
Xinjiangs sozialkonservativen ländlichen Gebieten seit den 1990er Jahren
islamistische Kräfte im Aufschwung; Terroranschläge uigurischer Jihadisten
forderten im Lauf der vergangenen Jahrzehnte zahlreiche Todesopfer. Noch heute
kämpft im syrischen Idlib die Turkistan Islamic Party, ein Zusammenschluss
uigurischer Jihadisten, an der Seite des Al Qaida-Ablegers Hayat Tahrir al Sham
(german-foreign-policy.com berichtete [3]). Schon seit den späten 1970er Jahren
sind uigurische Exilorganisationen in der Bundesrepublik aktiv und setzen sich
von hier aus für Xinjiangs Abspaltung von China ein. Eine zentrale Rolle spielt
dabei der World Uyghur Congress, ein global operierender Verband uigurischer
Aktivisten, der seinen Sitz in München hat. Ihm wird vorgeworfen, in die
Vorbereitung pogromartiger Angriffe auf Han-Chinesen im Juli 2009 in Xinjiangs
Hauptstadt Urumqi involviert gewesen zu sein, bei denen mindestens 197 Menschen
ums Leben kamen, darunter mindestens 134 Han-Chinesen.[4] Am 8. Mai 2019
berichtete der Präsident des World Uyghur Congress, Dolkun Isa, im
Menschenrechtsausschuss des Bundestags über die Lage in Xinjiang.[5] Zu ihren
loyalsten deutschen Unterstützern zählt die Organisation die
Grünen-Bundestagsabgeordnete Margarete Bause, Sprecherin für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe ihrer Fraktion.
China zerschlagen
Neben den Separatisten aus Tibet und Xinjiang
unterstützt Berlin seit je auch Personen aus dem Milieu chinesischer
Mittelschichten, die aus politischen Gründen in Konflikt mit der chinesischen
Regierung geraten. So hat das Auswärtige Amt im Oktober 2010 ausdrücklich die
Verleihung des Friedensnobelpreises an den chinesischen Oppositionellen Liu
Xiaobo gelobt. Ein von Liu mitverfasstes politisches Programm, die
"Charter 08", forderte unter anderem den Umbau der Volksrepublik
China in einen föderativen Bundesstaat nach dem Modell der Bundesrepublik, dazu
das Rückgängigmachen der Nationalisierungsmaßnahmen, die Beijing seit 1949
durchgeführt hat.[6] Liu Xia, die Witwe des am 13. Juli 2017 verstorbenen
Nobelpreisträgers, lebt seit Juli 2018 im Exil in Berlin. Eine Zeitlang ist der
oppositionelle Künstler Ai Weiwei, der im Jahr 2015 seinen Wohnsitz in die
deutsche Hauptstadt verlegte, als Kronzeuge gegen Beijing gefeiert worden; dazu
taugt er allerdings nur noch eingeschränkt, seit er scharfe Kritik an den
Zuständen in Deutschland geübt und seine Ausreise angekündigt hat: Die deutsche
Gesellschaft wolle zwar "offen sein", beschütze aber "vor allem
sich selbst", urteilt Ai; sie akzeptiere "nicht wirklich andere Ideen
und Argumente" und biete "kaum Respekt für abweichende
Stimmen".[7] Nach wie vor die Treue hält der Bundesrepublik hingegen der
chinesische Dichter Liao Yiwu, der seit 2011 in Berlin lebt. In seiner Rede zur
Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels erklärte Liao im
Oktober 2012, China sei ein "unendlich große(r) Müllhaufen", in dem
"viele Gebiete und Völker zwangshalber aneinandergekettet" seien und
der in zahlreiche Kleinstaaten zerlegt werden müsse.[8] Nach Liaos Aufruf zur
Zerschlagung der Volksrepublik klatschten bei der Preisverleihung zahlreiche
prominente deutsche Amtsträger Beifall, darunter der Bundespräsident.
Hongkong abspalten
Spätestens im vergangenen Jahr hat die Bundesrepublik
begonnen, sich auch als Exilplattform für die Opposition aus Hongkong zu
profilieren. So haben im Mai 2018 erstmals zwei Männer aus der südchinesischen
Metropole in Deutschland Asyl erhalten. Die beiden Mitglieder der Organisation
"Hong Kong Indigenous", die die Stadt von China abspalten will, waren
in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 2016 festgenommen worden, weil sie sich an
blutigen Ausschreitungen im Distrikt Mong Kok beteiligt hatten. Dort hatten
mehrere hundert Personen Polizisten mit Flaschen und Steinen angegriffen, Autos
in Brand gesteckt und dabei über 80 Beamte verletzt.[9] In der Nacht von Montag
auf Dienstag ist nun der Hongkonger Aktivist Joshua Wong in Berlin eingetroffen
und umgehend von Außenminister Heiko Maas begrüßt worden. Wong ist
Generalsekretär der Partei Demosisto, die ein Referendum verlangt, in dem auch
Hongkongs künftige Abspaltung von China zur Wahl stehen soll. Er hat bereits
vor seinem Eintreffen verlauten lassen, er wolle erkunden, ob die
Bundesrepublik sich als Exilland für weitere Oppositionelle aus Hongkong
eignet. Dort sind in der Tat zahlreiche Demonstranten von Strafen bedroht, weil
sie U-Bahn-Stationen und das lokale Parlament verwüstet, Polizisten mit Steinen
und Brandsätzen angegriffen sowie Feuer neben Polizeistationen gelegt haben.
Erst am Wochenende hatten Tausende Demonstranten US-Präsident Donald Trump zur
Intervention aufgerufen.[10] Ihre Proteste folgen einer erprobten, zuletzt zum
Beispiel Anfang 2014 in der Ukraine angewandten Eskalationsstrategie.
Deutschland mischt sich ein
Mit dem professionell inszenierten Empfang für Wong
präsentiert sich Berlin als Auslandszentrum der chinesischen Opposition. Dabei
teilen die disparaten Milieus, die in Deutschland Zuflucht und Unterstützung
finden - buddhistische sowie muslimische Separatisten, umstrittene Künstler,
Liberale, mutmaßliche Randalierer -, nur ein einziges Ziel: der Volksrepublik
in ihrer derzeitigen Form ein Ende zu setzen, sie womöglich gar zu zerschlagen.
Indem Berlin ihnen einen Auftritt vor der Weltöffentlichkeit ermöglicht und
Zugang zum Außenminister verschafft, mischt es sich in eklatanter Weise in die
inneren Angelegenheiten der Volksrepublik ein. Dass die Bundesregierung sich
ihrerseits eine vergleichbare Einmischung fremder Staaten kategorisch verbitten
würde, zeigt der modische - wenngleich in vielen Fällen unbewiesene - Vorwurf,
Russland mische sich in die inneren Angelegenheiten der westlichen Staaten ein.
Der Eklat, den es verursachen würde, erhielte etwa ein führender Aktivist der
Hamburger G20-Proteste in Moskau Asyl oder würde vom chinesischen Außenminister
zum Gespräch begrüßt, ist leicht vorstellbar.
Vergessene Verbrechen
Die Berliner Einmischung in die inneren
Angelegenheiten Chinas erfolgt, obwohl Deutschland im späten 19. und frühen 20.
Jahrhundert an der inneren Zerstörung des damaligen chinesischen Reichs führend
beteiligt war - bis hin zum kolonialen Massenmord. In der Volksrepublik gehören
die damaligen Ereignisse zum Allgemeinwissen; in der Bundesrepublik sind sie
kaum bekannt. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze.
Quelle: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8042/