China: BlackRock in China
Weg zum
Kommunismus?“, und von R. Bauer, „Roter Stern oder Schwarzer Fels“
Kommentar und Hintergründe zu "BlackRock in China"
von Wolfram Elsner
Anneliese Fikentscher und
Andreas Neumann (F/N) haben kürzlich das neue Engagement der US Firma BlackRock, des weltgrößten „Vermögensverwalters“ und
zugleich „Investmentgesellschaft“, beides natürlich sehr euphemistische
Begriffe, also weltgrößter Spekulant, in China thematisiert. Ein Vorgang, der
zweifellos Fragen aufwirft: Was sind Hintergrund, Ursachen und Logik der
Tatsache, dass China dieses Monster, das über ein größeres Finanzvolumen
verfügt als die Sozialprodukte der meisten Staaten, offiziell zulässt und
registriert? Zumal dieses kapitalistische Finanz-Spekulations-Konstrukt auch
noch außerordentlich „erfolgreich“ ist im Sinne einer überdurchschnittlichen
Profitrate und seiner bewiesenen Fähigkeit, auch noch in der globalen
Pandemiekrise zu profitieren, ein Krisengewinnler eben der oberen 0,1%. Soweit,
so typisch für den verrottenden, niedergehenden finanzialisierten
Kapitalismus des Ex-Hegemons und seines
plutokratischen Systems.
Irritierende Fragen für Linke
Aber wie passt das zusammen mit China, das sich anschickt, die ersten
Strukturen eines künftigen sozialistischen Gesellschaftssystems zu errichten
(dazu unten)? F/N formulieren die irritierenden Fragen, die sich für
fortschrittliche, kritisch denkende und suchende Menschen ergeben, und rufen
auf, mögliche Antworten zu geben und zu diskutieren.
Der Kontext von „Reform&Öffnung 2.0“
Die Fakten: BlackRock hat im Frühjahr 2021 eine
chinesische Lizenz erhalten, um als Vermögensverwalter tätig zu werden, also
Vermögen chinesischer Privathaushalte einzusammeln und sie (spekulativ) zu
verwerten und möglichst maximal zu vermehren. Damit realisiert China eine der
Vereinbarungen, die es u.a. auch im EU-China-Investitionsschutzabkommen von
2020 (Comprehensive Agreement on Investment CAI)
abgeschlossen hat: Die Öffnung weiterer Branchen und Sektoren für
Investitionsmöglichkeiten ausländischen Kapitals, d.h. die deutliche
Reduzierung der jahrzehntealten sog. Negativliste, hier eben eine weitgehende
Öffnung des chinesischen Finanzsektors. Das CAI signalisiert nicht mehr und
nicht weniger als eine „Reform&Öffnung 2.0“ nach
der ersten „Reform&Öffnung“ 1978ff. Dazu unten
mehr.
Einschub: EU schießt sich unter grüner Anführung in China ins Aus …
Während die EU sich unter grüner und rechtsextremistischer außenpolitischer
Aufhetzung zu einer Sanktionsorgie gegen China hat verleiten lassen und, nach
überraschend deutlichen Gegensanktionen, das CAI „auf Eis“ gelegt hat – ein
Sieg Washingtons und seiner grün-rechten transatlantischen U-Boote in der EU –,
wird dieses CAI auf Druck der EU-Industrie und v.a. der deutschen Industrie
nach der Bundestagswahl schnellstens wieder auf den Tisch kommen und ein erstes
großes Konfliktthema der neuen Bundesregierung werden.
… und die Wall Street greift zu …
Aber während die Grünen, Rechten und geopolitischen Extremisten in der EU und
in dessen „Parlament“, à la Balten, Polen, Maas, Borrell & Co., zu blöd
sind zu verstehen, dass sie trotz ihrer dicken geopolitischen Hose nur kleine,
lächerliche Bäuerchen (und Bauernopfer) auf dem Washingtoner Schachbrett sind,
die mit den Extremisten der DEM-REP-Einheitspartei im US-Kongress mal
symbolisch auf Augenhöhe mithetzen und gegen die Interessen der eigenen Völker
agieren dürfen, hat Washington mit China im April des Jahres im Rahmen eines
vorläufigen chinesisch-amerikanischen Abkommens (s. F/N) genau diese
Präferenzen, die Öffnung von chinesischen Sektoren für Anlagen überschüssigen
US-Kapitals, für sich gesichert. Seit Frühjahr 2021 gibt es daher einen
ungekannten Run von US-Banken und -Schattenbanken an die chinesischen Börsen,
und nun nicht mehr nur nach Hongkong (dahin auch) sondern v.a. nach Shanghai
und Shenzhen.
China hat immer gelernt – warum nicht auch von BlackRock
…
Das Ganze ist ja angesichts der hohen Einkommenssteigerungen und hohen privaten
Sparquoten der chinesischen Haushalte zweifellos lukrativ für BlackRock. Und die eigene chinesische
Privathaushalts-Vermögensverwaltung ist noch unterentwickelt. Hier bringt BlackRock natürlich zugleich seine sagenumwobene
KI-basierte Technik und Strategie mit. Sollte es diese in China auf Dauer geheimhalten können? Dann wäre es die erste Branche mit
ausländischen hereinkommenden Investitionen (Incoming
Foreign Direct Investment, iFDI), in denen China nicht einen erheblichen Lerneffekt
erzielen würde. Was sehr unwahrscheinlich ist. In wenigen Jahren wird China
also auch ein eigenes Vermögensverwaltungs-Management, eingebettet in die
makroökonomische Steuerung seiner Geldwirtschaft, der Ersparnisse, der Real-
und der Finanz-Investitionen entwickelt haben.
„Negativlisten“ drastisch reduziert, Joint-Venture-Zwang beendet
Und eine weitere neue Qualität ist nun auch noch in der Lizenz an BlackRock zu erkennen, chinesische Privathaushalts-Vermögen
einsammeln und investieren zu dürfen. Die Bedingungen dafür haben sich durch
eine zweite erhebliche Neuerung verbessert, die eine jahrzehntelange Tradition
beendet: den Joint-Venture-Zwang (JVZ) für iFDI.
Konkret: BlackRock muss kein Joint Venture (JV) mit
irgendeiner chinesischen Bank oder Finanzfirma mehr eingehen
sondern darf 50,1% und mehr an seiner chinesischen Niederlassung besitzen (dazu
auch F/N). Eine weitere Sensation, die ich an anderer Stelle, ebenso wie die
reduzierte Negativliste (s.o.) aber bereits als ein Handeln aus einer
strategischen Stärkeposition Chinas heraus charakterisiert habe. Nanu! Wie das?
Grüne: EU von China abkoppeln und Gürtel enger schnallen
Und nochmal: Auch das ist natürlich im CAI vereinbart worden. Die europäische
Industrie und Banken lechzen danach, das auch umzusetzen (Allianz hatte eine
erste Lizenz dieser Art 2019 schon mal vorab erhalten), aber die Grünen,
„Liberalen“, Transatlantiker und Rechtsextremisten in
allen Parteien der EU verlangen nun die „Abkopplung“ (Trumps De-Coupling) von China, verlangen konsequenterweise von den
EU-Konzernen, nun „auf Gewinn zu verzichten“, d.h. am Ende natürlich, wenn sich
die Konzerne wie immer schadlos gehalten haben werden, von den BürgerInnen, wie in jedem Krieg und bei jeder
Kriegsvorbereitung, „die Gürtel enger zu schnallen“. Soweit übrigens zur
„Wahrung und Mehrung des Wohles des deutschen Volkes“ (und der EU-Völker) durch
die Geostrategie der grünen U-Boote einer fremden Macht ...
Nun, die Wall Street freut sich ob der fortgesetzten und eskalierenden
Selbst-Demontage der EU.
Nochmal: Joint-Venture Zwang
Nun gibt es beispielsweise das Ende des JVZ für die Automobilindustrie bereits
seit Ende 2018 – und kein einziges Automobil-JV wurde seitdem beendet. Tesla
und BMW haben zwar sofort jeweils eine eigene 1-Mrd-Dollar-Fabrik gebaut,
Mercedes und VW haben an einzelnen Produktionsstandorten Mehrheitsanteile von
chinesischen Autokonzernen übernommen, aber alle Auto-JVs blieben bestehen, und
auf der AutoChina in Shanghai im April 2021 wurden
eher weitere JVs eingegangen, nun v.a. mit kleineren und jüngeren chinesischen
Tech- und GreenTech-„Einhörnern“ als Kooperanden und Zulieferer, deren Aktienkurse seit einiger
Zeit übrigens „durch die Decke“ gehen.
Neue Kanäle des Lernens
Wenn der JVZ nun aber auch für Finanzinvestments und somit auch für BlackRock entfallen ist, wird China andere Kanäle des
Lernens nutzen. Den direkten erzwungenen Wissenstransfer innerhalb einer
Produktionsstätte braucht China nicht mehr, das in den
meisten Technologiebereichen inzwischen führend ist. Und die Transferkanäle in
einer hochgradig lernfähigen, lernenden und experimentierenden Gesellschaft,
wie es China heute ist, sind vielfältig. So etwa über die strikte Regulierung
und Kontrolle des gesamten Finanzsektors, die seit 2017 besteht und beim
Staatspräsidenten angesiedelt wurde. Anlass dieser Reform der Regulierung des
gesamten chinesischen Finanzsektors (Banken, Versicherungen, Börsen,
Schattenbanken, P2P-Kreditsektor) im Jahr 2016 waren die bis in die 2000er
hinein anhaltenden Wildwüchse v.a. des ehemals informellen, hochspekulativen,
destabilisierenden, asozialen und halbkriminellen P2P-Finanzsektors, der in der
Phase des „Wilden Ostens“ in den 1980ern und 1990ern völlig aus dem Ruder
gelaufen und für größere Finanzturbulenzen bis in die frühen 2000er
verantwortlich war.
Die strikte Regulierung und Kontrolle heute transferiert natürlich jede Menge
Informationen in die Aufsichtsbehörden und somit in den kollektiven
Wissensbestand und die hochgradig effektiven Informationsflüsse Chinas. Wie BlackRock das verhindern könnte, ist nicht erkennbar. BlackRock wird es hinnehmen müssen, um gute Renditen zu
machen, so wie die Industriekonzerne es (über den JVZ) über Jahrzehnte
hinnehmen mussten, um zunehmende Gewinnanteile in China realisieren zu können.
Vor allem aber greift heute der Wissenstransfer-Kanal der Fachkräfte-Mobilität
und -Kommunikation, der Zulieferer- und der User-Kommunikationen, alles
altbekannte ökonomische Wissenstransfer-Mechanismen, auf denen hochentwickelte
Ökonomien mit ihren Industrie-Agglomerationen, ihren lokalen Cluster- und ihren
Netzwerk-Strukturen (etwa in ihren Prototypen im Silicon Valley oder „Dritten
Italien“ der 1970er und 1980er) beruhen. Da ist China ja längst angekommen ...
„Reform&Öffnung 2.0“ eben aus der strategischen
Position der Stärke …
Besorgte Fragen
Nun ist BlackRock kein strategischer Nobody. Eine
interessante strategische „Interaktionsdynamik“ zwischen China und BlackRock (und dem übrigen US-Finanzkapital) dürfte daher
sicher sein. Wer aber wird im latenten, wenn auch mit Freundlichkeiten
geführten Machtkampf gewinnen? F/N formulieren die Sorgen, die fortschrittliche
Menschen haben sollten. Und manchmal bleiben uns dabei nur die ironischen
Fragen: Mit BlackRock auf dem Weg zum Sozialismus? BlackRock als „Partner“ der KPCh?
In Kooperation mit BlackRock also „eines Tages –
vollkommen unerwartet und überraschend – in die Höhen des Kommunismus
empor(zu)schnellen“?
Natürlich nichts von alledem! Das wissen F/N auch. Ihre Frage aber ist: Wie
soll ein farbiger System-Change nach dem bekannten Drehbuch Washingtons und
seiner Soros, Finks & Co., das schon Dutzende Male erfolgreich und tragisch
für die Völker angewendet wurde, in China verhindert werden?
Warum ich hier optimistisch bin, will ich weiter begründen.
„Krisengewinner“? Ja, aber nicht in China
Zunächst: BlackRock wird zu Recht als Krisengewinner
charakterisiert. Das aber trifft auf alle Milliardäre in den „westlichen“
Finanz-Plutokratien zu, die ihre Vermögen im Krisenjahr 2020 in den USA um ein
Drittel steigern konnten. Sie sind allerdings wie immer die Gewinner der Krisen
nur in der Plutokratie der 0,1%. China hatte bekanntlich keine strukturelle
Pandemie-Krise, hat keine und wird keine haben. Die Krisen, bei denen „das Blut
durch die Straßen fließt“ (Baron Rothschild) ist immer die Chance der Mächtigen
auf mehr Macht, aber eben nur im Finanzkapitalismus und je mehr der verrottet,
absteigt und nichts mehr gebacken bekommt, also je mehr allgemeines Chaos umso
mehr.
BlackRock&Co gewinnt in China, sogar mit
überdurchschnittlichen Renditen im Vergleich zum Heimathafen Wall Street, wie
sie nun durch anhaltend hohe Lohn- und Einkommenssteigerungen in China und
durch die Hunderte von jungen Entrepreneuren an
Chinas Börsen auch für Vermögensverwalter wie BlackRock
realisierbar sind. Auch deutsches Finanzkapital rennt wie nie auf die
chinesischen Tech- und GreenTech-Fonds.
Sie machen feine Renditen, ja, aber unter Kontrolle, Regulierung und
Kapitalverkehrs-Beschränkungen, müssen also Kompromisse eingehen. Sie dürfen
Mitgewinner an der erfolgreichen chinesischen Entwicklung werden, an Millionen
von jungen Entrepreneuren, an sozialer Mobilisierung
und an Arbeitern, die, mit Unterstützung der KP-Betriebsgruppen (wie deutsche
Industrieverbände klagen), ihre Unternehmer u.a. zu High-Tech-Investitionen
zwingen. Sie werden aber in jedem Fall kein „Krisengewinner“ in China werden.
Und ob, dass, wie und wie schnell China sich dabei in ein Frühstadium eines
neuartigen Sozialismus hineinentwickelt, wird weder BlackRock
mitentscheiden dürfen noch gar verhindern können. Was aber noch plausibel zu
machen ist, dazu noch unten. Hier aber bin ich ähnlich optimistisch wie Rudolph
Bauer (RB) in seiner Stellungnahme zu F/N. Aber aus etwas anderen Gründen.
Greift die KPCh ein?
RB begründet ausführlich, dass und wie es die KPCh
als aktive Massenorganisation sein kann, die hier eingreifen kann und eine
potentielle schleichende US-BlackRock&Co-initiierte
Farbenrevolution verhindern könnte. Dafür spricht, dass, wie RB argumentiert,
die KPCh eine lokal und an der Basis tatsächlich
verankerte, mobilisierte und mobilisierende Partei ist, deren Ansehen in der
chinesischen Bevölkerung nach allen international vergleichenden Umfragen
amerikanischer (!) Unis (Stanford/U Cal. San Diego, Harvard/Boston U, die diese
Umfragen z.T. seit Jahrzehnten machen) so hoch ist wie seit Jahrzehnten nicht,
während das allgemeine soziale Vertrauen wieder auf Spitzenwerte gewachsen ist
und sogar das Glücks-Empfinden der ChinesInnen nach
den repräsentativen internationalen Erhebungen des globalen Markforschungskonzerns
Ipsos seit Jahren wieder zu den höchsten in der Welt
zählt (Ende 2020war China demnach das glücklichste Land der Welt, noch vor
Bhutan). Gleiches gilt für das Ansehen der chinesischen Regierung (weniger
dagegen für die Provinzregierungen).
RB kann auch zugestimmt werden, dass die KPCh eine im
Innern hochaktive, auch jünger gewordene Partei ist, die Demokratie für sich
und mit der Bevölkerung lebt. Ich habe an anderer Stelle auf die Massenprozesse
der Kandidatenaufstellungen für die Nationalen Volkskongresse (NVKs) und die
Politischen Konsultativkonferenzen des Chinesischen Volkes (PKKCVs) auf allen
Ebenen verwiesen. Eine partizipative Demokratie mit zunehmender sozialer
Mobilisierung ist im Wachsen. Dahinter steht auch das, was auch RB beschreibt
und was man heute politologisch als Meritokratie
bezeichnet: Nur die professionell Ausgewiesenen, Aktiv(i)sten
und Erfahrensten kommen mit ihren Ideen und Vorschlägen durch die
Diskussionsprozesse in den Shequ der Wohngebiete oder
den Basis-(Partei-)-Organisationen und werden Repräsentanten.
M.E. kann es aber nicht die KPCh als
Massenorganisation sein, die sich im Falle einer Unterminierung des
chinesischen Weges durch BlackRock unmittelbar
einmischen könnte, das halte ich angesichts der generellen Schwierigkeiten
unmittelbaren kollektiven Handelns für unrealistisch. Es wird ja absehbar nicht
etwa zu einem Volksaufstand gegen eine US-Invasion aufgerufen werden. Wenn ich
trotzdem optimistischer bin als F/N und ähnlich wie RB (und vermutlich auch
Werner Rügemer), dann nur vermittelt über den Staat,
der wie gesagt auch den Spekulationssektor reguliert und kontrolliert. Aber
viel mehr kann und tut als nur das.
In anderen Worten: „Das Unterwerfungs- und
Ausbeutungsinteresse des westlichen Imperialismus ist ungebrochen“ (RB), ja,
aber nicht mehr seine Fähigkeiten, es zu realisieren …
Wo
der Hammer hängt: Das antimonopolistische Verfahren gegen Alibaba
und die größten chinesischen IT-Oligopole – und die
Nachhilfeunterrichts-Konzerne
Während jetzt die US-Banken, -Schattenbanken und -„Vermögensverwalter“ in China
ihre 15- oder 20%-Profitraten machen können, und zwar trotz stärkerer
Regulierung und Kontrolle als an der Wall Street, und die grünen Aktienfonds
umwerben und die vielen neuen Techs und GreenTechs, deren Aktien boomen, sind die Aktien von Chinas Ex-Börsen-Stars, den Großkonzernen der
Plattform-Ökonomie, in den letzten Monaten und Wochen z.T. deutlich gefallen:
Hintergrund sind die Anti-Monopol-Verfahren der
chinesischen Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörden gegen Alibaba seit Ende letzten Jahres und im Anschluss daran gegen die 37
größten chinesischen Plattform-Unternehmen, die Tencents,
Baidus, DiDis oder Meituans. Sie alle sind unter Anti-Monopol-Druck geraten
und haben an den Börsen verloren. Was der chinesische Staat da alles gegen die
Mächtigsten kann, hat er im Fall Alibaba und seiner
Finanzgruppe Ant Group seit Ende 2020 gezeigt. Bei
Didi wurde staatlicherseits zudem exzessives Datensammeln kritisiert, beim
Lieferservice Meituan die Arbeitsbedingungen der
Fahrer …
Alibaba, das ist Amazon plus PayPal plus eBay plus
Finanzdienstleister plus Cloud-Betreiber plus Filminvestor … mit Marktanteilen
bei Online-Groß- und -Einzelhandel (etwa der Plattform Taobao)
oder Bezahldienst (Alipay) von bis zu 70%. Nun
glaubte die Ant Group in der Pandemiekrise 2020 die
Gunst der Stunde nutzen zu können und Haushalten Kredite vermitteln zu können,
ohne selbst Bank zu sein. Es wurden am Ende an etwa 200 Mio. Haushalts-Kredite
im Umfang von ca. 330 Mrd. $ vergeben, das Risiko trickreich an die Banken
weitergereicht, mit nur 2% des Kreditvolumens an hinterlegtem Eigenkapital und
mit Knebelverträgen für die Haushalte, die nicht leicht aus diesen Verträgen
herauskommen konnten. Zudem waren die Verträge für die Millionen KMU und
Bauern, die ihre Produkte über Taobao vermarkten,
restriktiv und banden sie exklusiv an Alibaba. Alle
Plattformen von Alibaba/Ant
Group waren zudem wenig interoperabel mit den Plattformen anderer Unternehmen.
Wiederholte Warnungen seitens der Behörden wurden nicht wirklich beachtet.
Wenige Tage vor einem lange geplanten Börsengang der Ant Group im November 2020, im erwarteten Rekordumfang von
37 Mrd. $, obwohl erstmals nicht für die Wall Street sondern für Shanghai und
Hongkong geplant, grätschte Chinas Anti-Monopol-Behörde
dazwischen und untersagte den Börsengang. Die
Enttäuschung im Westen war riesig. Jack Ma und die Leitung der Ant Group wurden vorgeladen. Die
nachfolgende Strafe i.H.v. 2,3 Mrd. € war das eine.
Das andere war die Entflechtung des Konzerns:
Die Ant Group muss
nun ihr Kreditgeschäft als reguläre Bank betreiben, wird legalisiert und
registriert sowie reguliert und kontrolliert, wie alle Banken. Und hat 20% Eigenkapital zu hinterlegen. Die Kreditverträge sind
umzuschreiben zugunsten der Haushalte, und die Plattformen des Konzerns sind
mit den Plattformen der anderen Konzerne interoperabel zu machen. Getreu der
Parole der chinesischen Regierung:
„Informationen haben zu fließen!“
Letzteres gilt nun auch für die anderen IT-Oligopole, denen nach Vorladung für
die Öffnung ihrer Plattformen eine Frist von einem Monat (!) gegeben wurde.
Man stelle sich vor, die „westlichen“ Regierungen würden innerhalb von drei
Monaten Amazon für seine Knebelverträge gegenüber den Einzelhändlern und seine
sonstigen Monopolpraktiken (alles in der „freien“ Kartellpresse praktisch
tabuisiert) bestrafen, entflechten, regulieren und kontrollieren … Forget it, es wird nicht passieren.
Kein Wunder, dass die ChinesInnen
ihrer Regierung heute mehr vertrauen als je zuvor. Wir haben in China
inzwischen Quoten allgemeinen Sozialvertrauens von über 80%, mit steigender Tendenz, in den westlichen Hauptländern haben wir
Werte von 20 bis 40% mit eher sinkender Tendenz ... Sozialvertrauen aber ist
das eigentliche „Öl“ einer Sozio-Ökonomie …
Dauerhaft geringere chinesische Konzern-Profitraten
Alibabas Ant Group reiht
sich also nun ein in das chinesische Bankensystem, über das McKinsey in seinen
Asien-Reports seit Jahren bedauernd berichtet, dass es dauerhaft geringere
Renditen habe, da es von der Regierung gezwungen werde, etwa in der Pandemie
notleidende Kredite für Haushalte und KMU zu halten, umzuschulden oder gar zu
erlassen und junge Entrepreneure liquide zu halten,
eben auch zulasten ihres betriebswirtschaftlichen Ergebnisses.
Das Gleiche berichtet McKinsey übrigens auch für die Profitraten aller
chinesischen Konzerne, seien es Staatsunternehmen (die sowieso) oder private
Industrie- oder IT-Konzerne. Der Hintergrund:
Diese haben stets Teile ihrer Profite in die
chinesische Entwicklung i.w.S. zu stecken,
Infrastrukturen mit bereitzustellen, ein Vielfaches an Sozialleistungen in die
Kollektivfonds zu zahlen wie deutsche Unternehmen
usw., ob sie wollen oder nicht. Jack Ma war dabei übrigens immer konstruktiv
mit dabei und hat fantastische ökologische Ideen realisiert, wie etwa die
spielerische Öko-App Ant Forest,
mit der seit 2017 schon ca. 200 Mio. Bäume gepflanzt werden konnten.
Im „freien Westen“ aber beschränkte sich die „Informationsqualität“ der
„freien“ Kartellpresse zu dem ganzen Fall, bis auf wenige Ausnahmen von
Finanzern, die in Interviews sagten „Das war angemessen“, auf die gute alte
antikommunistische Kaffeesatzleserei à la „Jack Ma ist verschwunden!“ „Wo ist
Jack Ma?“ „Ist Jack Ma im Gefängnis? Tot?“ Jack Ma war natürlich einige Wochen
zu Hause, weil er Hausaufgaben zu machen hatte …
Und die Alibaba-Gruppe wird künftig in der Summe, wie
bei so vielen Fällen von Entflechtung früher auch im Westen, als der
Kapitalismus noch historische Leistungen vollbringen konnte, effektiver sein
als zuvor und zusammengenommen absehbar höhere Börsenwerte erzielen als zuvor.
Und auch der Börsengang der Ant Group dürfte
keineswegs aufgehoben sein.
Aktuell zeigt die chinesische Regierung auch am Beispiel
der De-Kommerzialisierung der Schulbildung, wie weit sie für die nationale und
soziale Entwicklung bereit ist, die Rendite-Wünsche des Kapitals
zurückzuweisen.
So machte zum Beispiel die 7. Volkszählung 2020
deutlich, dass die Bevölkerungspolitik aktiviert werden muss und damit die
Familien-, Alters- und Kindes-bezogene Sozialpolitik. Damit wird nun u.a. das
sehr konkurrenzliche und für die Eltern teure
Schulbildungssystem reformiert. Nachhilfe-Konzerne beispielsweise sind nun
kürzlich einfach mal eben von der Börse genommen worden (obligatorischer
Aufschrei in der westlichen „freien“ Presse, die diesen systemischen Kontext
ohnehin tabuisiert), damit das Schulbildungs-System weiter „sozialisiert“
werden kann.
Ähnliches passierte 2020 bereits in der Hochschulbildung: Rankings von
Fakultäten und Unis sowie akademische Karrieren von Wissenschaftlern gehen
nicht mehr ausschließlich danach, wie viele Veröffentlichungen man in den
Top-(US-)-Journals vorzuweisen hat. Dafür gibt es auch keine Geldprämien mehr
wie bisher. Wissenschaftler müssen nun ihre Erkenntnisse
auch verständlich machen und in die Gesellschaft transferieren. Auch das gibt nun Ehre und Punkte für Ranking und Karriere.
Ähnliche „Kollektivierungen“
erfahren z.Zt. Renten- und Krankenversicherungen (mehr
Kollektivfonds als Privatversicherungsanteile). An all diesen Entwicklungen
kann sogar ein BlackRock nicht kratzen. Und wer Alibaba entflechten kann, kann auch BlackRock
im Zweifel die Zähne zeigen.
Das strategische Ziel Chinas im 21. Jahrhundert: Das Imperium in seinem
Abstieg vom heißen Krieg abhalten
Ein weiterer Hintergrund für „BlackRock in China“:
Sich weiterentwickeln, Zähne zeigen – und zugleich die globale finale
System-Eskalation verhindern.
Das unübersehbar und unvermeidlich niedergehende Imperium ist seit der
Enttäuschung über Chinas Rolle in der WTO in den 2000ern, über die herbe
Niederlage in der Finanzkrise 2008ff. und den Aufstieg Chinas als
Weltkonjunkturlokomotive (und mehr) in den 2010ern seit Mitte der 2010er
endgültig im Amok- und Kriegs-Modus.
Da können die UNO 1000 mal
die Sanktionspolitik als völkerrechtwidrig verurteilen, kann die WTO die
selektiven Schutzzölle gegen China zehnmal als illegal verurteilen,
das politische Washington der
DEM-REP-Einheitspartei lebt weitgehend in seinem eigenen Kosmos, und schießt um
sich (und sich selbst dabei so oft ins Knie), wie es nur kann.
Die verbliebenen Herrschaftssäulen des Ex-Hegemons
Die verbliebenen Säulen des Ex-Weltbeherrschers sind drei:
Militär, IT-Monopole und das Wall
Street-Dollar-System.
In welch erbärmlichem Zustand Industrie und
wirtschaftsnahe wie soziale Infrastrukturen wirklich sind, zeigt sich daran,
dass die Rettungsprogramme von Trump und Biden, der gleiche Scheck für jeden
Kopf, zwar die Nachfrage belebt hat, diese sich aber sofort in einen Inflationssprung von 0,6 auf 5,4% umgewandelt hat, und
zwar schlicht,
weil die US-Industrie keine
zusammenhängenden Wertschöpfungsketten mehr besitzt, mit denen Güterangebote in den USA selbst noch generiert werden
könnten.
Die Trumpschen Schutzzölle
gegen China wurden daher auch konsequent nicht von China sondern von der US-VerbraucherIn gezahlt, schlicht,
weil die Abhängigkeit
von chinesischen Lieferungen, so wenig nachhaltig und zukunftsfähig
diese internationale Arbeitsteilung auch sein mag, mittelfristig
unaufhebbar ist.
Militär
Die militärische Herrschafts-Säule: Die durchgeknallten Extremisten im
US-Kongress reden sich seit Jahren heiß, und in den finalen rassistischen
heißen „Krieg der Kulturen“ hinein. Höchste Militärs verkünden, in spätestens
drei bis fünf Jahren sei man im Krieg mit China. Für was brauchen sie noch so
viel Zeit? Warum nicht sofort loslegen? Die Flugzeugträgerflotten stehen im
südchinesischen Meer, die Raketen und Bomber im Westpazifik, China ist umringt
von Hunderten von US-Militärbasen. Kriegsmanöver vor Chinas Stränden finden
inzwischen in Permanenz statt. Symbolträchtig dürfen jetzt übrigens auch die
Vasallen der NATO und des „Quad“ mit dabei sein. Und vor der deutschen Fregatte
„Bayern“ zittert ganz Beijing sowieso. Worauf also noch warten?
Aber Trump wusste genau, warum er den Angriff auf den Iran im Juni 2019 in
letzter Minute abgebrochen hat. Und das US-Militär weiß es auch.
Gegen die einfachen, billigen, aber im
Überschallbereich von bis zu Mach 20 fliegenden chinesischen (und russischen)
Hypergleiter ist kein US-Kraut mehr gewachsen.
Alle Ingenieure und Militärs wissen es: Bei
Geschwindigkeiten von bis zu 30.000km/h ist die Versenkung der 12
Flugzeugträgerflotten der USA eine Frage von einer halben Stunde.
Und die Quanten-Fernkommunikation Chinas macht
jeden Stealth-Bomber frühzeitig erkennbar und abschießbar.
Und die B52 sind fliegende lahme Enten. Die
alte symbolische dicke Hose zur Selbstbefriedigung einfacher Cowboy-Gemüter.
China und Russland bewegen sich in ihren sich kombinierenden
Militärtechnologien heute generell in einem deutlich höheren Mach-Bereich als
die USA es können, mit Waffentechnologien, die nur einen kleinen Bruchteil der
US-Waffen für die alten Bombenkriege kosten. Dass es inzwischen nicht nur defensiv sondern auch interkontinental kann, hat China zum
70. Jahrestag der VR angedeutet:
Washington zu erreichen, wenn es sein muss, ist
nicht mehr Tabu.
Womöglich die einzige Sprache, die das Imperium
noch versteht. Und die USA müssen absolut die russischen S-300- bis
S-600-Raktetenabwehr fürchten, wie die Israelis, die USA, Frankreich und GB in
Syrien erfahren müssen. Die chinesischen und russischen Kampfflugzeuge neuester
Generation schließlich sind nach allen ingenieurmäßigen Vergleichen, die man im
Netz nachlesen kann, weit überlegen. Die strategische Kooperation
China-Russland ist für Washington und seine symbolischen NATO- und
Quad-Anhängsel auf absehbare Zeit unüberwindbar.
Falls in Washington noch eine
Rest-Rationalität besteht und ein Rest-Überlebenswille, wird der große heiße
Krieg nicht kommen.
Aber darauf kann sich China eben nicht mehr
verlassen. Abschreckung, aber auch Deeskalation und
Kooperationsangebote Chinas an die USA sind die strategische Aufgabe der Menschheitsrettung
im 21. Jahrhundert.
Und dazu gehört nun integral die kontrollierte
Einbindung des US-Kapitals in die chinesische Entwicklung.
Bis hin zur Oberkrake BlackRock.
Das Risiko scheint, wie oben deutlich geworden sein sollte, für China händelbar
– und das Jahrhundert-Ziel, die unvermeidliche Aufstiegs-Abstiegs-Konstellation
des 21. Jahrhunderts ohne großen heißen Krieg zu bewältigen, das absteigende
Imperium vom kriegerischen Amoklauf abzuhalten, ist es sicher wert, dieses
Risiko einzugehen.
Der IT- und Chip-Krieg
Wir reden hier nicht mehr über die Herrschaftssäule der US-IT-Monopole. Sie
haben im Wesentlichen in China nichts mehr zu sagen. Dieser Teil des
Aufstiegs-Abstiegs-Kampfes wurde ebenso wie der Industriesektor (s.o.), vor
langem ausgetragen und i.W. entschieden. Was nicht heißt, dass das Imperium nicht immer noch massiv
zurückschlagen könnte:
Nicht nur hatten die Trumpschen
Maßnahmen China am Anfang (2017/18) zeitweise sehr unvorbereitet und auf dem
falschen Fuß erwischt. Der zweitgrößte chinesische Netzwerkausrüster ZTE wäre
fast bankrott gegangen an den US-Strafmaßnahmen.
Ihn retteten die Zehntausende von
Arbeitsplätzen, die er in den USA hatte, die mit den Bach
runtergegangen wären. Hier drehte Trump noch mal bei. Huawei
ist mit Marktausschluss in den USA und bei seinen Vasallen und mit
Chip-Boykott, dem letzten großen „Asset“ in den Händen Washingtons, derart
massiv geschädigt worden, dass es sein gesamtes Geschäftsmodell umstellen
musste.
Der generelle Chip-Boykott Washingtons und seiner hier relevanten Follower,
Südkorea, Taiwan, Japan, hat China immerhin so hart getroffen, dass es seine
gesamte Grundstrategie im 14. Fünf-Jahres-Plan (2021-25) auf „Dualen Kreislauf“
umgestellt hat.
Nach dem Abschied vom Exportweltmeister-Konzept
seit Mitte der 2010er, mit einem Exportüberschuss
gegenüber den USA von inzwischen weniger als 1% des Sozialprodukts, wird China 2030 praktisch jedes herstellbare Produkt selbst
herstellen können (innerer Kreislauf).
Wer verlässlich und minimal kooperationsfähig
ist, und das sind die über 140 Partnerländer der Neuen Seidenstraßen, mit denen wird China die Globalisierung neu, und alternativ und
nachhaltiger, und nun intensiv mit intra-industriellem Handel mit Eurasien und
den sich mit chinesischer Hilfe industrialisierenden Afrika und Lateinamerika,
wieder aufbauen (äußerer Kreislauf).
Da kann es offenbar nicht schaden,
wenigstens die US-Banken und -Finanzkonzerne an die chinesischen Börsen und
Finanzsektoren zu binden.
Wenn die bald so wesentliche
Teile ihrer Profite in China realisieren, wie schon VW, Siemens, Bosch
oder SAP, wie wird der Amok- und Kriegs-Modus der Extremisten in Washington und
Straßburg dann in einigen Jahren aussehen? Vielleicht sogar von den
US-Kapitalisten selbst gebändigt werden, wie es sich in Washington schon
mehrfach gezeigt hat? Auch der European Roundtable for Industry (ERT) hat den
EU-Extremisten in Bezug auf das Verhältnis zu China jüngst schon Tacheles in
ihr Poesiealbum geschrieben.
Das Wall-Street/Dollar-System
Schließlich bröckelt auch die Herrschaftssäule „Wall Street/Dollar“ des Ex-Hegemons. Sie beruhte jahrzehntelang darauf, dass die Wall
Street mit ihren allseitigen Enthemmungen („De-Regulierungen“) und ihrem
Aufsaugen aller globalen Ressourcen in der Lage war, höhere Renditen als
anderenorts zu versprechen und so das gesamte Überschusskapital der Welt an
sich zu ziehen. Und darauf, dass die internationalen Kredit- und
-Währungsausgleichs-Institutionen IWF und Weltbank (WB) fast ausschließlich in
Dollar operierten. So wurde der Dollar sowohl internationales
Transaktions-(Zahlungs-)-Mittel als auch Reservewährung und konnte sowohl den
exzessiven kreditfinanzierten Konsum der US-BürgerInnen
als auch den der US-Regierung mit ihren exzessiven Militärausgaben finanzieren.
Mit beiden Funktionen von Wall Street und IWF/WB und mit beiden Rollen des
Dollar geht es zu Ende.
Viele Länder schichten ihre Währungsreserven um, in Gold, Euro, und auch in
Yuan (Renminbi – RMB), und viele Handelstransaktionen
werden zunehmend in anderen Währungen fakturiert (Euro, RMB). Das Vertrauen in
die Tragfähigkeit des Dollar schwindet aufgrund der exorbitanten
US-Staatsverschuldung von nun 30 Billionen USD (127% des ohnehin überschätzten
US-Sozialprodukts), aber auch der gefährlichen Privatverschuldung.
IWF/WB haben inzwischen erhebliche Konkurrenz aus Südostasien bekommen: Allein
die chinesische Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB, an der übrigens
etliche westliche Länder beteiligt sind) hat inzwischen ein internationales
Kreditvolumen in der gleichen Größenordnung wie der IWF. Der IWF mag aktuell
nun sein Kapital aufgestockt bekommen, viele Länder meiden ihn inzwischen wegen
seiner politischen Kreditbedingungen und seiner Rigidität gegenüber
Umschuldungen oder Schuldenerlassen.
Chinas Banken (AIIB, ExIm-Bank, China Development
Bank, BRICs Bank u.a.) haben schon allein aufgrund der chinesischen
Währungsreserven in Höhe von über 3 Bio. $ ein mittelfristiges Kreditpotential
von weit über 15 Bio. $, das in die alternative Re-Globalisierung im Rahmen der
Partnerschaften der Neuen Seidenstraßen (Belt and
Road Initiative—BRI) fließen kann. Die Kredite sind transparent und im Rahmen
der BRI multilateral diskutiert, begleitet und begutachtet, ohne politische
Auflagen, sowie tolerant und flexibel gegenüber den armen Ländern der Welt. Die
meisten Infrastrukturinvestitionen in der Welt werden heute von
südostasiatischen und chinesischen Banken finanziert – und von den
Kreditnehmern den westlichen imperialen Kreditvergaben vorgezogen.
China, Russland und andere steigen außerdem aus dem
US-dominierten und imperial missbrauchten SWIFT-System aus und in eigene
staatliche e-Währungsausgleichs- und Zahl-Systeme ein. Der e-Yuan ist hier am
weitesten fortgeschritten und wird das internationale Zahlsystem in den nächsten
Jahren weiter revolutionieren.
Ist es da ein Wunder, dass die US-Banken nach China drängen und sogar BlackRock es sich nicht leisten kann, China links liegen zu
lassen? Kommen sie aus einer Position der strategischen Stärke, oder verlassen
sie ein sinkendes Schiff? Auf jeden Fall können sie sich nicht mehr allein auf
ihre Wall Street stützen und müssen ihr Risiko „diversifizieren“. Würden sie
ernsthaft die Kuh schlachten wollen, die sie melken wollen? Eher nein.
Abgesehen davon, dass sie das vermutlich nicht mehr könnten.
In einem Frühstadium eines neuartigen Sozialismus …
Mit einem Wort: China wird vermutlich
sogar von BlackRock&Co. nicht abzubringen sein
von seinem Weg in das, was dort als Frühstadium des Sozialismus charakterisiert
wird,
einem Sozialismus, der sicher keiner im
herkömmlichen, Europa-zentrierten Sinn ist. Aber ist es wirklich auf diesem
Weg, fragen F/N. Eine Voraussetzung für die Gültigkeit der obigen
Argumentationen ist in der Tat, dass China tatsächlich auf einem solchen Weg ist.
Was also deutet darauf hin, dass es sich um einen künftigen Sozialismus
handelt?
Es wäre in jedem Fall ein Sozialismus, der von
allen Schwächen des alten europäischen Sozialismuskonzepts gelernt hätte, vieles anders macht, das Verhältnis von Produktivkräften
(einschl. seiner Märkte) und Produktionsverhältnissen dialektisch und dynamisch
neu organisiert.
Ein Sozialismus aber auch, der mit seiner
eigenen Entwicklung die Welt so verändert hat, dass seine eigenen globalen
Entwicklungsbedingungen heute wesentlich besser sind als die, unter denen die
Sowjetunion existieren musste. Die konnte ja schließlich vom weit überlegenen
imperialen Weltsystem finanziell, ökonomisch und ideologisch in den
Erschöpfungstod getrieben werden.
Ein Sozialismus daher auch, der kein
Armutssozialismus und kein Top-Down-Staatssozialismus mehr wäre, der, dank eines funktionierenden Geld-
und Kapitalsektors, einen Finanzüberschuss generiert und nicht mehr finanziell
niederkonkurriert werden kann.
Und ein Sozialismus schließlich, der „chinesische Merkmale“ hätte, also
die Merkmale der Tausende Jahre alten Hochkultur(en) Chinas und Südostasiens
enthielte und dadurch das Verhältnis von Individualität und Kollektivität so
neu definieren könnte, dass die Menschheit eine Überlebenschance bekäme,
während Kapitalismus, Europa-zentrierter Werte-Imperialismus und verlogener
Hyper-Individualismus („Freiheit“) sich, unter unendlichen sozialen Kosten, aus
der Geschichte verabschieden müsste. Ein Sozialismus also, den wir so noch
nicht kennen. Ist der in China auf dem Weg?
Wir sehen in der Tat überall ein neuartiges Verhältnis von Staat und Märkten,
von Produktivkraftentwicklung und Produktionsverhältnissen, ein flexibles,
dynamisches Regulierungsverhältnis, mit Gehenlassen, freiem Experimentieren,
parallelem Lernen von privaten und öffentlichen Akteuren, Standardsetzung und
Regulierung und wieder Gehenlassen und Lernen. Im Ergebnis gibt es eine massive
Produktivkraftentwicklung, soziale Mobilisierung von Arbeitern und Bürgern,
millionenfache junge und an der nationalen Entwicklung engagierte Unternehmer,
Experimentierfreudigkeit und eine Leichtigkeit des Wandels mit der berühmten
„China-Speed“. Wenn das nicht systemische Grundlagen hat …
Im Ergebnis hat China Marktwirtschaft
und Kapitalismus, aber ist als System nicht Marktwirtschaft und nicht
Kapitalismus. Wäre China als Gesamtsystem kapitalistisch, wäre es ein
miserabler Kapitalismus:
Die Kapitalrenditen sind, weil national und
sozial verpflichtet (s.o.), dauerhaft unter der globalen Durchschnittsrendite, die Löhne steigen dauerhaft
überproportional (wie auch die Produktivität), und die Ungleichverteilung
aus der Phase des „Wilden Ostens“ (1978 bis ca. 2008) wird seit Jahren
systematisch in Richtung auf mehr Gleichheit korrigiert (technisch: der sog. Gini-Koeffizient ist von 0,49 schon nahe 0,42 gebracht
worden; mittelfristiges Ziel ist etwa 0,32). Die Steuerreform 2020 hat kleinere und mittlere Einkommen um bis zu 50%
entlastet,
die Reichsten, die in der chinesischen Hurun-Liste (entspricht Forbes) gelistet sind, werden stets
auf ihre Einkommensquellen überprüft. Zahlreiche korrupte Milliardäre sind seit
2012 nach Hongkong, dann in die Londoner City und an die Wall Street geflohen.
Und chinesische
Kapitalisten sind ohne realistische Chance, ihre ökonomische und Finanzmacht in
politische Macht umzusetzen (s.o. die Fälle Alibaba
u.a.).
Es gibt unverändert kein
Privateigentum an Grund und Boden.
Nur die Genossenschaften auf dem Land sind
Landeigentümer; ansonsten gibt es nur Pachtformen. Landnutzungs- und
Unternehmensformen sind vielfältig, oft informell (von wegen: „Ohne starke
Property Rights geht nichts!“), es gibt große
Bereiche an kollektiven und genossenschaftlichen Formen. Eine sehr große und
vielfältige Sharing-Ökonomie ist entstanden.
Der direkte staatliche
Produktionsanteil (Staatsunternehmen) ist zwar nach 1978 quantitativ kleiner
geworden, aber nach den 2000ern systematisch qualitativ bedeutsamer und
vorantreibender gemacht worden.
Staatliche Banken finanzieren wie erwähnt
millionenfaches Gründertum und müssen junge
Innovatoren und KMU gegen Konzerne und andere Risken
schützen. Eine agile Industriepolitik setzt auf die Innovation durch Millionen
Gründer und KMU. Schutzrechte und Patente finden ihre Grenzen an der Forderung:
„Informationen müssen fließen!“.
Westliche Unternehmen beklagen den
gewachsenen Einfluss der Arbeiter und der Betriebsgruppen der KPCh („Politisierung“).
Das Arbeitsrecht ist eines der fortschrittlichsten der Welt (lt. ILO)
und lässt dem einzelnen Arbeiter ein unmittelbares betriebliches
Klagerecht.
Vorsitz über die betrieblichen Klageverhandlungen führen die
Gewerkschaften, und Recht wird innerhalb von zwei Wochen
gesprochen.
Korruption, der Kern vom Kern des realen
Kapitalismus, ist seit 2008 drastisch reduziert.
KP und Regierung haben, auch deshalb, heute mehr Ansehen als je, das allgemeine soziale Vertrauen ist mit das höchste unter den
Ländern der Welt, und das „glaubwürdige China“ ist Alltagsphilosophie geworden.
80% der ChinesInnen bezeichnen sich als
„ziemlich glücklich“ oder „sehr glücklich“ (Ipsos 2020). Und in China sagen über 70% der Menschen, dass
sie in einer Demokratie leben (!), in den USA sagen das nur noch 49%.
Die soziale Mobilisierung und lokale Partizipation, die Rolle der Shequ und die NVK-Prozesse, etwa im Lockdown
2020 oder bei jeder Kandidatenaufstellung im Kontext inhaltlicher
Politikdiskussionen, hat zugenommen und weist insgesamt Merkmale einer aktiven
partizipativen Demokratie auf.
Für Auslandsinvestitionen und -aktivitäten
gibt es für chinesische Unternehmen inzwischen strikte Verhaltenskodexe,
„irrationale“ (etwa spekulative Finanz-)
Investitionen (oder z.B. in Unterhaltungs- oder „ideologische“
Sektoren) im Ausland werden zunehmend untersagt.
Das Sozialversicherungswesen wird
aktuell weiter „kollektiviert“, das Bildungswesen aktuell entkommerzialisiert
und weniger konkurrenzlich gemacht (s.o.),
höhere Anteile an marxistischer Politischer Ökonomie sind in der
Hochschulausbildung vorgeschrieben und nicht mehr abwählbar. Neo-Konfuzianische und marxistische Philosophie verschmelzen zu
einer neuen Alltagsethik …
Aktive Diskussionsprozesse und
Willensbildung in den sozialen Medien sind massiv und interaktiv mit reagiblen
öffentlichen Akteuren auf allen Ebenen. Das betrifft z.B. die Diskussionen
um die Sozialkreditpunkte-Systeme, deren Ausgestaltungen und deren Grenzen (es
dürfen z.B. keine Gesundheitsdaten einfließen). Das neue Bürgerliche Gesetzbuch
(Civil Code 2021) und die Informationsschutz- und
Datenschutz-Gesetzgebung (ursprünglich nach deutschen Vorbild) weisen klar in
Richtung auf eine entwickelte Zukunftsdemokratie.
Dies alles und mehr deutet nicht auf
ein kapitalistisches, auch kein „turbo“-, „staats“- oder sonstwie
„kapitalistisches“ System hin. Wir sehen etwas Neues im
Entstehen, das aus einer Europa-zentrierten mentalen Käseglocke heraus nicht
mehr begriffen werden kann, das aber Hoffnungen enthält für die Zukunft der
Menschheit.
Das kann sogar ein BlackRock nicht mehr aufhalten …
Technische Anmerkung:
Ich beziehe mich auf die Informationsgrundlagen und Quellenangaben in meinen
beiden Büchern "Das Chinesische Jahrhundert. Die neue Nummer 1 ist
anders", Frankfurt (Westend) 2020 und "Die Zeitenwende. China, USA
und Europa 'nach Corona'", Köln (PapyRossa)
2021, und habe daher hier auf detaillierte Quellenangaben verzichtet.
Wolfram Elsner: geboren 1950, Professor für
Volkswirtschaftslehre an der Universität Bremen, war Leiter des Bremer
Landesinstituts für Wirtschaftsforschung. Autor und Herausgeber zahlreicher
internationaler Publikationen und Lehrbücher. Präsident der European Association for Evolutionary Political Economy – EAEPE (2012 -2016), ist
Editor-in-Chief des ›Review of Evolutionary
Political Economy – REPE‹. Lehraufenthalte und Gastprofessuren in Europa, den
USA, Südafrika, Australien, Mexiko und China, Adjunct
Professor an der University of Missouri, Kansas City
und seit 2015 Gastprofessor der Jilin Universität, Changchun, China.
Artikel, auf die Wolfram Elsner Bezug nimmt:
Eine Frage insbesondere für die Linke
China mit BlackRock auf dem Weg zum Kommunismus?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 773 vom 07.07.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27519
Anmerkungen zur Niederlassung des weltgrößten Vermögensverwalter-Konzerns in
der Volksrepublik China
Roter Stern oder Schwarzer Fels
Von Rudolph Bauer
NRhZ 774 vom 27.07.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27567
Siehe auch:
Debatte um den Artikel "China mit BlackRock auf
dem Weg zum Kommunismus?" von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Xi Jinping: gewiefter
Marxist oder Gorbatschow Chinas?
Von NRhZ-LeserInnen
NRhZ 774 vom 21.07.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27544
Zur Debatte um die Rolle Chinas
Die Kommunistische Partei Chinas, die Menschenrechte und das Völkerrecht
Von Werner Rügemer
NRhZ 774 vom 21.07.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27562
IFF-Tagung im Mai 2021 in Peking - Medien unterschlagen dieses
richtungsweisende Treffen
Bereiten chinesisch-amerikanische Finanz-Eliten digitale Zentralbankwährung
vor?
Von Ernst Wolff
NRhZ 776 vom 08.09.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27608