China: BlackRock in China

 

Weg zum Kommunismus?“, und von R. Bauer, „Roter Stern oder Schwarzer Fels“
Kommentar und Hintergründe zu "BlackRock in China"

von Wolfram Elsner


http://www.nrhz.de/flyer/media/27577/anreisser.jpgAnneliese Fikentscher und Andreas Neumann (F/N) haben kürzlich das neue Engagement der US Firma BlackRock, des weltgrößten „Vermögensverwalters“ und zugleich „Investmentgesellschaft“, beides natürlich sehr euphemistische Begriffe, also weltgrößter Spekulant, in China thematisiert. Ein Vorgang, der zweifellos Fragen aufwirft: Was sind Hintergrund, Ursachen und Logik der Tatsache, dass China dieses Monster, das über ein größeres Finanzvolumen verfügt als die Sozialprodukte der meisten Staaten, offiziell zulässt und registriert? Zumal dieses kapitalistische Finanz-Spekulations-Konstrukt auch noch außerordentlich „erfolgreich“ ist im Sinne einer überdurchschnittlichen Profitrate und seiner bewiesenen Fähigkeit, auch noch in der globalen Pandemiekrise zu profitieren, ein Krisengewinnler eben der oberen 0,1%. Soweit, so typisch für den verrottenden, niedergehenden finanzialisierten Kapitalismus des Ex-Hegemons und seines plutokratischen Systems.

Irritierende Fragen für Linke

Aber wie passt das zusammen mit China, das sich anschickt, die ersten Strukturen eines künftigen sozialistischen Gesellschaftssystems zu errichten (dazu unten)? F/N formulieren die irritierenden Fragen, die sich für fortschrittliche, kritisch denkende und suchende Menschen ergeben, und rufen auf, mögliche Antworten zu geben und zu diskutieren.

Der Kontext von „Reform&Öffnung 2.0“

Die Fakten: BlackRock hat im Frühjahr 2021 eine chinesische Lizenz erhalten, um als Vermögensverwalter tätig zu werden, also Vermögen chinesischer Privathaushalte einzusammeln und sie (spekulativ) zu verwerten und möglichst maximal zu vermehren. Damit realisiert China eine der Vereinbarungen, die es u.a. auch im EU-China-Investitionsschutzabkommen von 2020 (Comprehensive Agreement on Investment CAI) abgeschlossen hat: Die Öffnung weiterer Branchen und Sektoren für Investitionsmöglichkeiten ausländischen Kapitals, d.h. die deutliche Reduzierung der jahrzehntealten sog. Negativliste, hier eben eine weitgehende Öffnung des chinesischen Finanzsektors. Das CAI signalisiert nicht mehr und nicht weniger als eine „Reform&Öffnung 2.0“ nach der ersten „Reform&Öffnung“ 1978ff. Dazu unten mehr.

Einschub: EU schießt sich unter grüner Anführung in China ins Aus …

Während die EU sich unter grüner und rechtsextremistischer außenpolitischer Aufhetzung zu einer Sanktionsorgie gegen China hat verleiten lassen und, nach überraschend deutlichen Gegensanktionen, das CAI „auf Eis“ gelegt hat – ein Sieg Washingtons und seiner grün-rechten transatlantischen U-Boote in der EU –, wird dieses CAI auf Druck der EU-Industrie und v.a. der deutschen Industrie nach der Bundestagswahl schnellstens wieder auf den Tisch kommen und ein erstes großes Konfliktthema der neuen Bundesregierung werden.

… und die Wall Street greift zu …

Aber während die Grünen, Rechten und geopolitischen Extremisten in der EU und in dessen „Parlament“, à la Balten, Polen, Maas, Borrell & Co., zu blöd sind zu verstehen, dass sie trotz ihrer dicken geopolitischen Hose nur kleine, lächerliche Bäuerchen (und Bauernopfer) auf dem Washingtoner Schachbrett sind, die mit den Extremisten der DEM-REP-Einheitspartei im US-Kongress mal symbolisch auf Augenhöhe mithetzen und gegen die Interessen der eigenen Völker agieren dürfen, hat Washington mit China im April des Jahres im Rahmen eines vorläufigen chinesisch-amerikanischen Abkommens (s. F/N) genau diese Präferenzen, die Öffnung von chinesischen Sektoren für Anlagen überschüssigen US-Kapitals, für sich gesichert. Seit Frühjahr 2021 gibt es daher einen ungekannten Run von US-Banken und -Schattenbanken an die chinesischen Börsen, und nun nicht mehr nur nach Hongkong (dahin auch) sondern v.a. nach Shanghai und Shenzhen.

China hat immer gelernt – warum nicht auch von BlackRock

Das Ganze ist ja angesichts der hohen Einkommenssteigerungen und hohen privaten Sparquoten der chinesischen Haushalte zweifellos lukrativ für BlackRock. Und die eigene chinesische Privathaushalts-Vermögensverwaltung ist noch unterentwickelt. Hier bringt BlackRock natürlich zugleich seine sagenumwobene KI-basierte Technik und Strategie mit. Sollte es diese in China auf Dauer geheimhalten können? Dann wäre es die erste Branche mit ausländischen hereinkommenden Investitionen (Incoming Foreign Direct Investment, iFDI), in denen China nicht einen erheblichen Lerneffekt erzielen würde. Was sehr unwahrscheinlich ist. In wenigen Jahren wird China also auch ein eigenes Vermögensverwaltungs-Management, eingebettet in die makroökonomische Steuerung seiner Geldwirtschaft, der Ersparnisse, der Real- und der Finanz-Investitionen entwickelt haben.

„Negativlisten“ drastisch reduziert, Joint-Venture-Zwang beendet

Und eine weitere neue Qualität ist nun auch noch in der Lizenz an BlackRock zu erkennen, chinesische Privathaushalts-Vermögen einsammeln und investieren zu dürfen. Die Bedingungen dafür haben sich durch eine zweite erhebliche Neuerung verbessert, die eine jahrzehntelange Tradition beendet: den Joint-Venture-Zwang (JVZ) für iFDI. Konkret: BlackRock muss kein Joint Venture (JV) mit irgendeiner chinesischen Bank oder Finanzfirma mehr eingehen sondern darf 50,1% und mehr an seiner chinesischen Niederlassung besitzen (dazu auch F/N). Eine weitere Sensation, die ich an anderer Stelle, ebenso wie die reduzierte Negativliste (s.o.) aber bereits als ein Handeln aus einer strategischen Stärkeposition Chinas heraus charakterisiert habe. Nanu! Wie das?

Grüne: EU von China abkoppeln und Gürtel enger schnallen


Und nochmal: Auch das ist natürlich im CAI vereinbart worden. Die europäische Industrie und Banken lechzen danach, das auch umzusetzen (Allianz hatte eine erste Lizenz dieser Art 2019 schon mal vorab erhalten), aber die Grünen, „Liberalen“, Transatlantiker und Rechtsextremisten in allen Parteien der EU verlangen nun die „Abkopplung“ (Trumps De-Coupling) von China, verlangen konsequenterweise von den EU-Konzernen, nun „auf Gewinn zu verzichten“, d.h. am Ende natürlich, wenn sich die Konzerne wie immer schadlos gehalten haben werden, von den BürgerInnen, wie in jedem Krieg und bei jeder Kriegsvorbereitung, „die Gürtel enger zu schnallen“. Soweit übrigens zur „Wahrung und Mehrung des Wohles des deutschen Volkes“ (und der EU-Völker) durch die Geostrategie der grünen U-Boote einer fremden Macht ...

Nun, die Wall Street freut sich ob der fortgesetzten und eskalierenden Selbst-Demontage der EU.

Nochmal: Joint-Venture Zwang

Nun gibt es beispielsweise das Ende des JVZ für die Automobilindustrie bereits seit Ende 2018 – und kein einziges Automobil-JV wurde seitdem beendet. Tesla und BMW haben zwar sofort jeweils eine eigene 1-Mrd-Dollar-Fabrik gebaut, Mercedes und VW haben an einzelnen Produktionsstandorten Mehrheitsanteile von chinesischen Autokonzernen übernommen, aber alle Auto-JVs blieben bestehen, und auf der AutoChina in Shanghai im April 2021 wurden eher weitere JVs eingegangen, nun v.a. mit kleineren und jüngeren chinesischen Tech- und GreenTech-„Einhörnern“ als Kooperanden und Zulieferer, deren Aktienkurse seit einiger Zeit übrigens „durch die Decke“ gehen.

Neue Kanäle des Lernens

Wenn der JVZ nun aber auch für Finanzinvestments und somit auch für BlackRock entfallen ist, wird China andere Kanäle des Lernens nutzen. Den direkten erzwungenen Wissenstransfer innerhalb einer Produktionsstätte braucht China nicht mehr, das in den meisten Technologiebereichen inzwischen führend ist. Und die Transferkanäle in einer hochgradig lernfähigen, lernenden und experimentierenden Gesellschaft, wie es China heute ist, sind vielfältig. So etwa über die strikte Regulierung und Kontrolle des gesamten Finanzsektors, die seit 2017 besteht und beim Staatspräsidenten angesiedelt wurde. Anlass dieser Reform der Regulierung des gesamten chinesischen Finanzsektors (Banken, Versicherungen, Börsen, Schattenbanken, P2P-Kreditsektor) im Jahr 2016 waren die bis in die 2000er hinein anhaltenden Wildwüchse v.a. des ehemals informellen, hochspekulativen, destabilisierenden, asozialen und halbkriminellen P2P-Finanzsektors, der in der Phase des „Wilden Ostens“ in den 1980ern und 1990ern völlig aus dem Ruder gelaufen und für größere Finanzturbulenzen bis in die frühen 2000er verantwortlich war.

Die strikte Regulierung und Kontrolle heute transferiert natürlich jede Menge Informationen in die Aufsichtsbehörden und somit in den kollektiven Wissensbestand und die hochgradig effektiven Informationsflüsse Chinas. Wie BlackRock das verhindern könnte, ist nicht erkennbar. BlackRock wird es hinnehmen müssen, um gute Renditen zu machen, so wie die Industriekonzerne es (über den JVZ) über Jahrzehnte hinnehmen mussten, um zunehmende Gewinnanteile in China realisieren zu können.

Vor allem aber greift heute der Wissenstransfer-Kanal der Fachkräfte-Mobilität und -Kommunikation, der Zulieferer- und der User-Kommunikationen, alles altbekannte ökonomische Wissenstransfer-Mechanismen, auf denen hochentwickelte Ökonomien mit ihren Industrie-Agglomerationen, ihren lokalen Cluster- und ihren Netzwerk-Strukturen (etwa in ihren Prototypen im Silicon Valley oder „Dritten Italien“ der 1970er und 1980er) beruhen. Da ist China ja längst angekommen ...

Reform&Öffnung 2.0“ eben aus der strategischen Position der Stärke …

Besorgte Fragen

Nun ist BlackRock kein strategischer Nobody. Eine interessante strategische „Interaktionsdynamik“ zwischen China und BlackRock (und dem übrigen US-Finanzkapital) dürfte daher sicher sein. Wer aber wird im latenten, wenn auch mit Freundlichkeiten geführten Machtkampf gewinnen? F/N formulieren die Sorgen, die fortschrittliche Menschen haben sollten. Und manchmal bleiben uns dabei nur die ironischen Fragen: Mit BlackRock auf dem Weg zum Sozialismus? BlackRock als „Partner“ der KPCh? In Kooperation mit BlackRock also „eines Tages – vollkommen unerwartet und überraschend – in die Höhen des Kommunismus empor(zu)schnellen“?

Natürlich nichts von alledem! Das wissen F/N auch. Ihre Frage aber ist: Wie soll ein farbiger System-Change nach dem bekannten Drehbuch Washingtons und seiner Soros, Finks & Co., das schon Dutzende Male erfolgreich und tragisch für die Völker angewendet wurde, in China verhindert werden?

Warum ich hier optimistisch bin, will ich weiter begründen.

„Krisengewinner“? Ja, aber nicht in China

Zunächst: BlackRock wird zu Recht als Krisengewinner charakterisiert. Das aber trifft auf alle Milliardäre in den „westlichen“ Finanz-Plutokratien zu, die ihre Vermögen im Krisenjahr 2020 in den USA um ein Drittel steigern konnten. Sie sind allerdings wie immer die Gewinner der Krisen nur in der Plutokratie der 0,1%. China hatte bekanntlich keine strukturelle Pandemie-Krise, hat keine und wird keine haben. Die Krisen, bei denen „das Blut durch die Straßen fließt“ (Baron Rothschild) ist immer die Chance der Mächtigen auf mehr Macht, aber eben nur im Finanzkapitalismus und je mehr der verrottet, absteigt und nichts mehr gebacken bekommt, also je mehr allgemeines Chaos umso mehr.

BlackRock&Co gewinnt in China, sogar mit überdurchschnittlichen Renditen im Vergleich zum Heimathafen Wall Street, wie sie nun durch anhaltend hohe Lohn- und Einkommenssteigerungen in China und durch die Hunderte von jungen Entrepreneuren an Chinas Börsen auch für Vermögensverwalter wie BlackRock realisierbar sind. Auch deutsches Finanzkapital rennt wie nie auf die chinesischen Tech- und GreenTech-Fonds.

Sie machen feine Renditen, ja, aber unter Kontrolle, Regulierung und Kapitalverkehrs-Beschränkungen, müssen also Kompromisse eingehen. Sie dürfen Mitgewinner an der erfolgreichen chinesischen Entwicklung werden, an Millionen von jungen Entrepreneuren, an sozialer Mobilisierung und an Arbeitern, die, mit Unterstützung der KP-Betriebsgruppen (wie deutsche Industrieverbände klagen), ihre Unternehmer u.a. zu High-Tech-Investitionen zwingen. Sie werden aber in jedem Fall kein „Krisengewinner“ in China werden.

Und ob, dass, wie und wie schnell China sich dabei in ein Frühstadium eines neuartigen Sozialismus hineinentwickelt, wird weder BlackRock mitentscheiden dürfen noch gar verhindern können. Was aber noch plausibel zu machen ist, dazu noch unten. Hier aber bin ich ähnlich optimistisch wie Rudolph Bauer (RB) in seiner Stellungnahme zu F/N. Aber aus etwas anderen Gründen.

Greift die KPCh ein?

RB begründet ausführlich, dass und wie es die KPCh als aktive Massenorganisation sein kann, die hier eingreifen kann und eine potentielle schleichende US-BlackRock&Co-initiierte Farbenrevolution verhindern könnte. Dafür spricht, dass, wie RB argumentiert, die KPCh eine lokal und an der Basis tatsächlich verankerte, mobilisierte und mobilisierende Partei ist, deren Ansehen in der chinesischen Bevölkerung nach allen international vergleichenden Umfragen amerikanischer (!) Unis (Stanford/U Cal. San Diego, Harvard/Boston U, die diese Umfragen z.T. seit Jahrzehnten machen) so hoch ist wie seit Jahrzehnten nicht, während das allgemeine soziale Vertrauen wieder auf Spitzenwerte gewachsen ist und sogar das Glücks-Empfinden der ChinesInnen nach den repräsentativen internationalen Erhebungen des globalen Markforschungskonzerns Ipsos seit Jahren wieder zu den höchsten in der Welt zählt (Ende 2020war China demnach das glücklichste Land der Welt, noch vor Bhutan). Gleiches gilt für das Ansehen der chinesischen Regierung (weniger dagegen für die Provinzregierungen).

RB kann auch zugestimmt werden, dass die KPCh eine im Innern hochaktive, auch jünger gewordene Partei ist, die Demokratie für sich und mit der Bevölkerung lebt. Ich habe an anderer Stelle auf die Massenprozesse der Kandidatenaufstellungen für die Nationalen Volkskongresse (NVKs) und die Politischen Konsultativkonferenzen des Chinesischen Volkes (PKKCVs) auf allen Ebenen verwiesen. Eine partizipative Demokratie mit zunehmender sozialer Mobilisierung ist im Wachsen. Dahinter steht auch das, was auch RB beschreibt und was man heute politologisch als Meritokratie bezeichnet: Nur die professionell Ausgewiesenen, Aktiv(i)sten und Erfahrensten kommen mit ihren Ideen und Vorschlägen durch die Diskussionsprozesse in den Shequ der Wohngebiete oder den Basis-(Partei-)-Organisationen und werden Repräsentanten.

M.E. kann es aber nicht die KPCh als Massenorganisation sein, die sich im Falle einer Unterminierung des chinesischen Weges durch BlackRock unmittelbar einmischen könnte, das halte ich angesichts der generellen Schwierigkeiten unmittelbaren kollektiven Handelns für unrealistisch. Es wird ja absehbar nicht etwa zu einem Volksaufstand gegen eine US-Invasion aufgerufen werden. Wenn ich trotzdem optimistischer bin als F/N und ähnlich wie RB (und vermutlich auch Werner Rügemer), dann nur vermittelt über den Staat, der wie gesagt auch den Spekulationssektor reguliert und kontrolliert. Aber viel mehr kann und tut als nur das.

In anderen Worten:
„Das Unterwerfungs- und Ausbeutungsinteresse des westlichen Imperialismus ist ungebrochen“ (RB), ja, aber nicht mehr seine Fähigkeiten, es zu realisieren

Wo der Hammer hängt: Das antimonopolistische Verfahren gegen Alibaba und die größten chinesischen IT-Oligopole – und die Nachhilfeunterrichts-Konzerne

Während jetzt die US-Banken, -Schattenbanken und -„Vermögensverwalter“ in China ihre 15- oder 20%-Profitraten machen können, und zwar trotz stärkerer Regulierung und Kontrolle als an der Wall Street, und die grünen Aktienfonds umwerben und die vielen neuen Techs und GreenTechs, deren Aktien boomen,
sind die Aktien von Chinas Ex-Börsen-Stars, den Großkonzernen der Plattform-Ökonomie, in den letzten Monaten und Wochen z.T. deutlich gefallen:

Hintergrund sind die Anti-Monopol-Verfahren der chinesischen Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörden gegen Alibaba seit Ende letzten Jahres und im Anschluss daran gegen die 37 größten chinesischen Plattform-Unternehmen, die Tencents, Baidus, DiDis oder Meituans. Sie alle sind unter Anti-Monopol-Druck geraten und haben an den Börsen verloren. Was der chinesische Staat da alles gegen die Mächtigsten kann, hat er im Fall Alibaba und seiner Finanzgruppe Ant Group seit Ende 2020 gezeigt. Bei Didi wurde staatlicherseits zudem exzessives Datensammeln kritisiert, beim Lieferservice Meituan die Arbeitsbedingungen der Fahrer …

Alibaba, das ist Amazon plus PayPal plus eBay plus Finanzdienstleister plus Cloud-Betreiber plus Filminvestor … mit Marktanteilen bei Online-Groß- und -Einzelhandel (etwa der Plattform Taobao) oder Bezahldienst (Alipay) von bis zu 70%. Nun glaubte die Ant Group in der Pandemiekrise 2020 die Gunst der Stunde nutzen zu können und Haushalten Kredite vermitteln zu können, ohne selbst Bank zu sein. Es wurden am Ende an etwa 200 Mio. Haushalts-Kredite im Umfang von ca. 330 Mrd. $ vergeben, das Risiko trickreich an die Banken weitergereicht, mit nur 2% des Kreditvolumens an hinterlegtem Eigenkapital und mit Knebelverträgen für die Haushalte, die nicht leicht aus diesen Verträgen herauskommen konnten. Zudem waren die Verträge für die Millionen KMU und Bauern, die ihre Produkte über Taobao vermarkten, restriktiv und banden sie exklusiv an Alibaba. Alle Plattformen von Alibaba/Ant Group waren zudem wenig interoperabel mit den Plattformen anderer Unternehmen.

Wiederholte Warnungen seitens der Behörden wurden nicht wirklich beachtet. Wenige Tage vor einem lange geplanten Börsengang der Ant Group im November 2020, im erwarteten Rekordumfang von 37 Mrd. $, obwohl erstmals nicht für die Wall Street sondern für Shanghai und Hongkong geplant,
grätschte Chinas Anti-Monopol-Behörde dazwischen und untersagte den Börsengang. Die Enttäuschung im Westen war riesig. Jack Ma und die Leitung der Ant Group wurden vorgeladen. Die nachfolgende Strafe i.H.v. 2,3 Mrd. € war das eine. Das andere war die Entflechtung des Konzerns:

Die Ant Group muss nun ihr Kreditgeschäft als reguläre Bank betreiben, wird legalisiert und registriert sowie reguliert und kontrolliert, wie alle Banken. Und hat 20% Eigenkapital zu hinterlegen. Die Kreditverträge sind umzuschreiben zugunsten der Haushalte, und die Plattformen des Konzerns sind mit den Plattformen der anderen Konzerne interoperabel zu machen. Getreu der Parole der chinesischen Regierung:

„Informationen haben zu fließen!“

Letzteres gilt nun auch für die anderen IT-Oligopole, denen nach Vorladung für die Öffnung ihrer Plattformen eine Frist von einem Monat (!) gegeben wurde.

Man stelle sich vor, die „westlichen“ Regierungen würden innerhalb von drei Monaten Amazon für seine Knebelverträge gegenüber den Einzelhändlern und seine sonstigen Monopolpraktiken (alles in der „freien“ Kartellpresse praktisch tabuisiert) bestrafen, entflechten, regulieren und kontrollieren … Forget it, es wird nicht passieren.

Kein Wunder, dass die ChinesInnen ihrer Regierung heute mehr vertrauen als je zuvor. Wir haben in China inzwischen Quoten allgemeinen Sozialvertrauens von über 80%, mit steigender Tendenz, in den westlichen Hauptländern haben wir Werte von 20 bis 40% mit eher sinkender Tendenz ... Sozialvertrauen aber ist das eigentliche „Öl“ einer Sozio-Ökonomie …

Dauerhaft geringere chinesische Konzern-Profitraten

Alibabas Ant Group reiht sich also nun ein in das chinesische Bankensystem, über das McKinsey in seinen Asien-Reports seit Jahren bedauernd berichtet, dass es dauerhaft geringere Renditen habe, da es von der Regierung gezwungen werde, etwa in der Pandemie notleidende Kredite für Haushalte und KMU zu halten, umzuschulden oder gar zu erlassen und junge Entrepreneure liquide zu halten, eben auch zulasten ihres betriebswirtschaftlichen Ergebnisses.

Das Gleiche berichtet McKinsey übrigens auch für die Profitraten aller chinesischen Konzerne, seien es Staatsunternehmen (die sowieso) oder private Industrie- oder IT-Konzerne. Der Hintergrund:

Diese haben stets Teile ihrer Profite in die chinesische Entwicklung i.w.S. zu stecken, Infrastrukturen mit bereitzustellen, ein Vielfaches an Sozialleistungen in die Kollektivfonds zu zahlen wie deutsche Unternehmen usw., ob sie wollen oder nicht. Jack Ma war dabei übrigens immer konstruktiv mit dabei und hat fantastische ökologische Ideen realisiert, wie etwa die spielerische Öko-App Ant Forest, mit der seit 2017 schon ca. 200 Mio. Bäume gepflanzt werden konnten.

Im „freien Westen“ aber beschränkte sich die „Informationsqualität“ der „freien“ Kartellpresse zu dem ganzen Fall, bis auf wenige Ausnahmen von Finanzern, die in Interviews sagten „Das war angemessen“, auf die gute alte antikommunistische Kaffeesatzleserei à la „Jack Ma ist verschwunden!“ „Wo ist Jack Ma?“ „Ist Jack Ma im Gefängnis? Tot?“ Jack Ma war natürlich einige Wochen zu Hause, weil er Hausaufgaben zu machen hatte …

Und die Alibaba-Gruppe wird künftig in der Summe, wie bei so vielen Fällen von Entflechtung früher auch im Westen, als der Kapitalismus noch historische Leistungen vollbringen konnte, effektiver sein als zuvor und zusammengenommen absehbar höhere Börsenwerte erzielen als zuvor. Und auch der Börsengang der Ant Group dürfte keineswegs aufgehoben sein.

Aktuell zeigt die chinesische Regierung auch am
Beispiel der De-Kommerzialisierung der Schulbildung, wie weit sie für die nationale und soziale Entwicklung bereit ist, die Rendite-Wünsche des Kapitals zurückzuweisen.

So machte zum Beispiel die 7. Volkszählung 2020 deutlich, dass die Bevölkerungspolitik aktiviert werden muss und damit die Familien-, Alters- und Kindes-bezogene Sozialpolitik. Damit wird nun u.a. das sehr konkurrenzliche und für die Eltern teure Schulbildungssystem reformiert. Nachhilfe-Konzerne beispielsweise sind nun kürzlich einfach mal eben von der Börse genommen worden (obligatorischer Aufschrei in der westlichen „freien“ Presse, die diesen systemischen Kontext ohnehin tabuisiert), damit das Schulbildungs-System weiter „sozialisiert“ werden kann.

Ähnliches passierte 2020 bereits in der Hochschulbildung: Rankings von Fakultäten und Unis sowie akademische Karrieren von Wissenschaftlern gehen nicht mehr ausschließlich danach, wie viele Veröffentlichungen man in den Top-(US-)-Journals vorzuweisen hat. Dafür gibt es auch keine Geldprämien mehr wie bisher.
Wissenschaftler müssen nun ihre Erkenntnisse auch verständlich machen und in die Gesellschaft transferieren. Auch das gibt nun Ehre und Punkte für Ranking und Karriere.

Ähnliche „Kollektivierungen“ erfahren z.Zt. Renten- und Krankenversicherungen (mehr Kollektivfonds als Privatversicherungsanteile). An all diesen Entwicklungen kann sogar ein BlackRock nicht kratzen. Und wer Alibaba entflechten kann, kann auch BlackRock im Zweifel die Zähne zeigen.

Das strategische Ziel Chinas im 21. Jahrhundert: Das Imperium in seinem Abstieg vom heißen Krieg abhalten

Ein weiterer Hintergrund für „BlackRock in China“: Sich weiterentwickeln, Zähne zeigen – und zugleich die globale finale System-Eskalation verhindern.

Das unübersehbar und unvermeidlich niedergehende Imperium ist seit der Enttäuschung über Chinas Rolle in der WTO in den 2000ern, über die herbe Niederlage in der Finanzkrise 2008ff. und den Aufstieg Chinas als Weltkonjunkturlokomotive (und mehr) in den 2010ern seit Mitte der 2010er endgültig im Amok- und Kriegs-Modus.

Da können die UNO 1000 mal die Sanktionspolitik als völkerrechtwidrig verurteilen, kann die WTO die selektiven Schutzzölle gegen China zehnmal als illegal verurteilen,

das politische Washington der DEM-REP-Einheitspartei lebt weitgehend in seinem eigenen Kosmos, und schießt um sich (und sich selbst dabei so oft ins Knie), wie es nur kann.

Die verbliebenen Herrschaftssäulen des Ex-Hegemons

Die verbliebenen Säulen des Ex-Weltbeherrschers sind drei:

Militär, IT-Monopole und das Wall Street-Dollar-System.

In welch erbärmlichem Zustand Industrie und wirtschaftsnahe wie soziale Infrastrukturen wirklich sind, zeigt sich daran, dass die Rettungsprogramme von Trump und Biden, der gleiche Scheck für jeden Kopf, zwar die Nachfrage belebt hat, diese sich aber sofort in einen Inflationssprung von 0,6 auf 5,4% umgewandelt hat, und zwar schlicht,

weil die US-Industrie keine zusammenhängenden Wertschöpfungsketten mehr besitzt, mit denen Güterangebote in den USA selbst noch generiert werden könnten.

Die Trumpschen Schutzzölle gegen China wurden daher auch konsequent nicht von China sondern von der US-VerbraucherIn gezahlt, schlicht,

weil die Abhängigkeit von chinesischen Lieferungen, so wenig nachhaltig und zukunftsfähig diese internationale Arbeitsteilung auch sein mag, mittelfristig unaufhebbar ist.

Militär

Die militärische Herrschafts-Säule: Die durchgeknallten Extremisten im US-Kongress reden sich seit Jahren heiß, und in den finalen rassistischen heißen „Krieg der Kulturen“ hinein. Höchste Militärs verkünden, in spätestens drei bis fünf Jahren sei man im Krieg mit China. Für was brauchen sie noch so viel Zeit? Warum nicht sofort loslegen? Die Flugzeugträgerflotten stehen im südchinesischen Meer, die Raketen und Bomber im Westpazifik, China ist umringt von Hunderten von US-Militärbasen. Kriegsmanöver vor Chinas Stränden finden inzwischen in Permanenz statt. Symbolträchtig dürfen jetzt übrigens auch die Vasallen der NATO und des „Quad“ mit dabei sein. Und vor der deutschen Fregatte „Bayern“ zittert ganz Beijing sowieso. Worauf also noch warten?

Aber Trump wusste genau, warum er den Angriff auf den Iran im Juni 2019 in letzter Minute abgebrochen hat. Und das US-Militär weiß es auch.

Gegen die einfachen, billigen, aber im Überschallbereich von bis zu Mach 20 fliegenden chinesischen (und russischen) Hypergleiter ist kein US-Kraut mehr gewachsen.

Alle Ingenieure und Militärs wissen es: Bei Geschwindigkeiten von bis zu 30.000km/h ist die Versenkung der 12 Flugzeugträgerflotten der USA eine Frage von einer halben Stunde.

Und die Quanten-Fernkommunikation Chinas macht jeden Stealth-Bomber frühzeitig erkennbar und abschießbar.

Und die B52 sind fliegende lahme Enten. Die alte symbolische dicke Hose zur Selbstbefriedigung einfacher Cowboy-Gemüter.

China und Russland bewegen sich in ihren sich kombinierenden Militärtechnologien heute generell in einem deutlich höheren Mach-Bereich als die USA es können, mit Waffentechnologien, die nur einen kleinen Bruchteil der US-Waffen für die alten Bombenkriege kosten. Dass es inzwischen nicht nur defensiv sondern auch interkontinental kann, hat China zum 70. Jahrestag der VR angedeutet:

Washington zu erreichen, wenn es sein muss, ist nicht mehr Tabu.

Womöglich die einzige Sprache, die das Imperium noch versteht. Und die USA müssen absolut die russischen S-300- bis S-600-Raktetenabwehr fürchten, wie die Israelis, die USA, Frankreich und GB in Syrien erfahren müssen. Die chinesischen und russischen Kampfflugzeuge neuester Generation schließlich sind nach allen ingenieurmäßigen Vergleichen, die man im Netz nachlesen kann, weit überlegen. Die strategische Kooperation China-Russland ist für Washington und seine symbolischen NATO- und Quad-Anhängsel auf absehbare Zeit unüberwindbar.

Falls in Washington noch eine Rest-Rationalität besteht und ein Rest-Überlebenswille, wird der große heiße Krieg nicht kommen.

Aber darauf kann sich China eben nicht mehr verlassen. Abschreckung, aber auch Deeskalation und Kooperationsangebote Chinas an die USA sind die strategische Aufgabe der Menschheitsrettung im 21. Jahrhundert.

Und dazu gehört nun integral die kontrollierte Einbindung des US-Kapitals in die chinesische Entwicklung.

Bis hin zur Oberkrake BlackRock. Das Risiko scheint, wie oben deutlich geworden sein sollte, für China händelbar – und das Jahrhundert-Ziel, die unvermeidliche Aufstiegs-Abstiegs-Konstellation des 21. Jahrhunderts ohne großen heißen Krieg zu bewältigen, das absteigende Imperium vom kriegerischen Amoklauf abzuhalten, ist es sicher wert, dieses Risiko einzugehen.

Der IT- und Chip-Krieg

Wir reden hier nicht mehr über die Herrschaftssäule der US-IT-Monopole. Sie haben im Wesentlichen in China nichts mehr zu sagen. Dieser Teil des Aufstiegs-Abstiegs-Kampfes wurde ebenso wie der Industriesektor (s.o.), vor langem ausgetragen und i.W. entschieden.
Was nicht heißt, dass das Imperium nicht immer noch massiv zurückschlagen könnte:

Nicht nur hatten die Trumpschen Maßnahmen China am Anfang (2017/18) zeitweise sehr unvorbereitet und auf dem falschen Fuß erwischt. Der zweitgrößte chinesische Netzwerkausrüster ZTE wäre fast bankrott gegangen an den US-Strafmaßnahmen.

Ihn retteten die Zehntausende von Arbeitsplätzen, die er in den USA hatte, die mit den Bach runtergegangen wären. Hier drehte Trump noch mal bei. Huawei ist mit Marktausschluss in den USA und bei seinen Vasallen und mit Chip-Boykott, dem letzten großen „Asset“ in den Händen Washingtons, derart massiv geschädigt worden, dass es sein gesamtes Geschäftsmodell umstellen musste.

Der generelle Chip-Boykott Washingtons und seiner hier relevanten Follower, Südkorea, Taiwan, Japan, hat China immerhin so hart getroffen, dass es seine gesamte Grundstrategie im 14. Fünf-Jahres-Plan (2021-25) auf „Dualen Kreislauf“ umgestellt hat.

Nach dem Abschied vom Exportweltmeister-Konzept seit Mitte der 2010er, mit einem Exportüberschuss gegenüber den USA von inzwischen weniger als 1% des Sozialprodukts, wird China 2030 praktisch jedes herstellbare Produkt selbst herstellen können (innerer Kreislauf).

Wer verlässlich und minimal kooperationsfähig ist, und das sind die über 140 Partnerländer der Neuen Seidenstraßen, mit denen wird China die Globalisierung neu, und alternativ und nachhaltiger, und nun intensiv mit intra-industriellem Handel mit Eurasien und den sich mit chinesischer Hilfe industrialisierenden Afrika und Lateinamerika, wieder aufbauen (äußerer Kreislauf).

Da kann es offenbar nicht schaden, wenigstens die US-Banken und -Finanzkonzerne an die chinesischen Börsen und Finanzsektoren zu binden.

Wenn die bald so wesentliche Teile ihrer Profite in China realisieren, wie schon VW, Siemens, Bosch oder SAP, wie wird der Amok- und Kriegs-Modus der Extremisten in Washington und Straßburg dann in einigen Jahren aussehen? Vielleicht sogar von den US-Kapitalisten selbst gebändigt werden, wie es sich in Washington schon mehrfach gezeigt hat? Auch der European Roundtable for Industry (ERT) hat den EU-Extremisten in Bezug auf das Verhältnis zu China jüngst schon Tacheles in ihr Poesiealbum geschrieben.

Das Wall-Street/Dollar-System

Schließlich bröckelt auch die Herrschaftssäule „Wall Street/Dollar“ des Ex-Hegemons. Sie beruhte jahrzehntelang darauf, dass die Wall Street mit ihren allseitigen Enthemmungen („De-Regulierungen“) und ihrem Aufsaugen aller globalen Ressourcen in der Lage war, höhere Renditen als anderenorts zu versprechen und so das gesamte Überschusskapital der Welt an sich zu ziehen. Und darauf, dass die internationalen Kredit- und -Währungsausgleichs-Institutionen IWF und Weltbank (WB) fast ausschließlich in Dollar operierten. So wurde der Dollar sowohl internationales Transaktions-(Zahlungs-)-Mittel als auch Reservewährung und konnte sowohl den exzessiven kreditfinanzierten Konsum der US-BürgerInnen als auch den der US-Regierung mit ihren exzessiven Militärausgaben finanzieren. Mit beiden Funktionen von Wall Street und IWF/WB und mit beiden Rollen des Dollar geht es zu Ende.

Viele Länder schichten ihre Währungsreserven um, in Gold, Euro, und auch in Yuan (Renminbi – RMB), und viele Handelstransaktionen werden zunehmend in anderen Währungen fakturiert (Euro, RMB). Das Vertrauen in die Tragfähigkeit des Dollar schwindet aufgrund der exorbitanten US-Staatsverschuldung von nun 30 Billionen USD (127% des ohnehin überschätzten US-Sozialprodukts), aber auch der gefährlichen Privatverschuldung.

IWF/WB haben inzwischen erhebliche Konkurrenz aus Südostasien bekommen: Allein die chinesische Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB, an der übrigens etliche westliche Länder beteiligt sind) hat inzwischen ein internationales Kreditvolumen in der gleichen Größenordnung wie der IWF. Der IWF mag aktuell nun sein Kapital aufgestockt bekommen, viele Länder meiden ihn inzwischen wegen seiner politischen Kreditbedingungen und seiner Rigidität gegenüber Umschuldungen oder Schuldenerlassen.

Chinas Banken (AIIB, ExIm-Bank, China Development Bank, BRICs Bank u.a.) haben schon allein aufgrund der chinesischen Währungsreserven in Höhe von über 3 Bio. $ ein mittelfristiges Kreditpotential von weit über 15 Bio. $, das in die alternative Re-Globalisierung im Rahmen der Partnerschaften der Neuen Seidenstraßen (Belt and Road Initiative—BRI) fließen kann. Die Kredite sind transparent und im Rahmen der BRI multilateral diskutiert, begleitet und begutachtet, ohne politische Auflagen, sowie tolerant und flexibel gegenüber den armen Ländern der Welt. Die meisten Infrastrukturinvestitionen in der Welt werden heute von südostasiatischen und chinesischen Banken finanziert – und von den Kreditnehmern den westlichen imperialen Kreditvergaben vorgezogen.

China, Russland und andere steigen außerdem aus dem US-dominierten und imperial missbrauchten SWIFT-System aus und in eigene staatliche e-Währungsausgleichs- und Zahl-Systeme ein. Der e-Yuan ist hier am weitesten fortgeschritten und wird das internationale Zahlsystem in den nächsten Jahren weiter revolutionieren.

Ist es da ein Wunder, dass die US-Banken nach China drängen und sogar BlackRock es sich nicht leisten kann, China links liegen zu lassen? Kommen sie aus einer Position der strategischen Stärke, oder verlassen sie ein sinkendes Schiff? Auf jeden Fall können sie sich nicht mehr allein auf ihre Wall Street stützen und müssen ihr Risiko „diversifizieren“. Würden sie ernsthaft die Kuh schlachten wollen, die sie melken wollen? Eher nein. Abgesehen davon, dass sie das vermutlich nicht mehr könnten.

In einem Frühstadium eines neuartigen Sozialismus …

Mit einem Wort: China wird vermutlich sogar von BlackRock&Co. nicht abzubringen sein von seinem Weg in das, was dort als Frühstadium des Sozialismus charakterisiert wird,

einem Sozialismus, der sicher keiner im herkömmlichen, Europa-zentrierten Sinn ist. Aber ist es wirklich auf diesem Weg, fragen F/N. Eine Voraussetzung für die Gültigkeit der obigen Argumentationen ist in der Tat, dass China tatsächlich auf einem solchen Weg ist. Was also deutet darauf hin, dass es sich um einen künftigen Sozialismus handelt?

Es wäre in jedem Fall ein Sozialismus, der von allen Schwächen des alten europäischen Sozialismuskonzepts gelernt hätte, vieles anders macht, das Verhältnis von Produktivkräften (einschl. seiner Märkte) und Produktionsverhältnissen dialektisch und dynamisch neu organisiert.

Ein Sozialismus aber auch, der mit seiner eigenen Entwicklung die Welt so verändert hat, dass seine eigenen globalen Entwicklungsbedingungen heute wesentlich besser sind als die, unter denen die Sowjetunion existieren musste. Die konnte ja schließlich vom weit überlegenen imperialen Weltsystem finanziell, ökonomisch und ideologisch in den Erschöpfungstod getrieben werden.

Ein Sozialismus daher auch, der kein Armutssozialismus und kein Top-Down-Staatssozialismus mehr wäre, der, dank eines funktionierenden Geld- und Kapitalsektors, einen Finanzüberschuss generiert und nicht mehr finanziell niederkonkurriert werden kann.

Und ein Sozialismus schließlich, der „chinesische Merkmale“ hätte, also die Merkmale der Tausende Jahre alten Hochkultur(en) Chinas und Südostasiens enthielte und dadurch das Verhältnis von Individualität und Kollektivität so neu definieren könnte, dass die Menschheit eine Überlebenschance bekäme, während Kapitalismus, Europa-zentrierter Werte-Imperialismus und verlogener Hyper-Individualismus („Freiheit“) sich, unter unendlichen sozialen Kosten, aus der Geschichte verabschieden müsste. Ein Sozialismus also, den wir so noch nicht kennen. Ist der in China auf dem Weg?

Wir sehen in der Tat überall ein neuartiges Verhältnis von Staat und Märkten, von Produktivkraftentwicklung und Produktionsverhältnissen, ein flexibles, dynamisches Regulierungsverhältnis, mit Gehenlassen, freiem Experimentieren, parallelem Lernen von privaten und öffentlichen Akteuren, Standardsetzung und Regulierung und wieder Gehenlassen und Lernen. Im Ergebnis gibt es eine massive Produktivkraftentwicklung, soziale Mobilisierung von Arbeitern und Bürgern, millionenfache junge und an der nationalen Entwicklung engagierte Unternehmer, Experimentierfreudigkeit und eine Leichtigkeit des Wandels mit der berühmten „China-Speed“. Wenn das nicht systemische Grundlagen hat …

Im Ergebnis hat China Marktwirtschaft und Kapitalismus, aber ist als System nicht Marktwirtschaft und nicht Kapitalismus. Wäre China als Gesamtsystem kapitalistisch, wäre es ein miserabler Kapitalismus:

Die Kapitalrenditen sind, weil national und sozial verpflichtet (s.o.), dauerhaft unter der globalen Durchschnittsrendite, die Löhne steigen dauerhaft überproportional (wie auch die Produktivität), und die Ungleichverteilung aus der Phase des „Wilden Ostens“ (1978 bis ca. 2008) wird seit Jahren systematisch in Richtung auf mehr Gleichheit korrigiert (technisch: der sog. Gini-Koeffizient ist von 0,49 schon nahe 0,42 gebracht worden; mittelfristiges Ziel ist etwa 0,32). Die Steuerreform 2020 hat kleinere und mittlere Einkommen um bis zu 50% entlastet,

die Reichsten, die in der chinesischen Hurun-Liste (entspricht Forbes) gelistet sind, werden stets auf ihre Einkommensquellen überprüft. Zahlreiche korrupte Milliardäre sind seit 2012 nach Hongkong, dann in die Londoner City und an die Wall Street geflohen.

Und chinesische Kapitalisten sind ohne realistische Chance, ihre ökonomische und Finanzmacht in politische Macht umzusetzen (s.o. die Fälle Alibaba u.a.).

Es gibt unverändert kein Privateigentum an Grund und Boden.

Nur die Genossenschaften auf dem Land sind Landeigentümer; ansonsten gibt es nur Pachtformen. Landnutzungs- und Unternehmensformen sind vielfältig, oft informell (von wegen: „Ohne starke Property Rights geht nichts!“), es gibt große Bereiche an kollektiven und genossenschaftlichen Formen. Eine sehr große und vielfältige Sharing-Ökonomie ist entstanden.

Der direkte staatliche Produktionsanteil (Staatsunternehmen) ist zwar nach 1978 quantitativ kleiner geworden, aber nach den 2000ern systematisch qualitativ bedeutsamer und vorantreibender gemacht worden.

Staatliche Banken finanzieren wie erwähnt millionenfaches Gründertum und müssen junge Innovatoren und KMU gegen Konzerne und andere Risken schützen. Eine agile Industriepolitik setzt auf die Innovation durch Millionen Gründer und KMU. Schutzrechte und Patente finden ihre Grenzen an der Forderung: „Informationen müssen fließen!“.

Westliche Unternehmen beklagen den gewachsenen Einfluss der Arbeiter und der Betriebsgruppen der KPCh („Politisierung“).

Das Arbeitsrecht ist eines der fortschrittlichsten der Welt (lt. ILO)

und lässt dem einzelnen Arbeiter ein unmittelbares betriebliches Klagerecht.

Vorsitz über die betrieblichen Klageverhandlungen führen die Gewerkschaften, und Recht wird innerhalb von zwei Wochen gesprochen.

Korruption, der Kern vom Kern des realen Kapitalismus, ist seit 2008 drastisch reduziert.

KP und Regierung haben, auch deshalb, heute mehr Ansehen als je, das allgemeine soziale Vertrauen ist mit das höchste unter den Ländern der Welt, und das „glaubwürdige China“ ist Alltagsphilosophie geworden.

80% der ChinesInnen bezeichnen sich als „ziemlich glücklich“ oder „sehr glücklich“ (Ipsos 2020). Und in China sagen über 70% der Menschen, dass sie in einer Demokratie leben (!), in den USA sagen das nur noch 49%.

Die soziale Mobilisierung und lokale Partizipation, die Rolle der Shequ und die NVK-Prozesse, etwa im Lockdown 2020 oder bei jeder Kandidatenaufstellung im Kontext inhaltlicher Politikdiskussionen, hat zugenommen und weist insgesamt Merkmale einer aktiven partizipativen Demokratie auf.

Für Auslandsinvestitionen und -aktivitäten gibt es für chinesische Unternehmen inzwischen strikte Verhaltenskodexe, „irrationale“ (etwa spekulative Finanz-)

Investitionen (oder z.B. in Unterhaltungs- oder „ideologische“ Sektoren) im Ausland werden zunehmend untersagt.

Das Sozialversicherungswesen wird aktuell weiter „kollektiviert“, das Bildungswesen aktuell entkommerzialisiert und weniger konkurrenzlich gemacht (s.o.),

höhere Anteile an marxistischer Politischer Ökonomie sind in der Hochschulausbildung vorgeschrieben und nicht mehr abwählbar. Neo-Konfuzianische und marxistische Philosophie verschmelzen zu einer neuen Alltagsethik …

Aktive Diskussionsprozesse und Willensbildung in den sozialen Medien sind massiv und interaktiv mit reagiblen öffentlichen Akteuren auf allen Ebenen. Das betrifft z.B. die Diskussionen um die Sozialkreditpunkte-Systeme, deren Ausgestaltungen und deren Grenzen (es dürfen z.B. keine Gesundheitsdaten einfließen). Das neue Bürgerliche Gesetzbuch (Civil Code 2021) und die Informationsschutz- und Datenschutz-Gesetzgebung (ursprünglich nach deutschen Vorbild) weisen klar in Richtung auf eine entwickelte Zukunftsdemokratie.

Dies alles und mehr deutet nicht auf ein kapitalistisches, auch kein „turbo“-, „staats“- oder sonstwie „kapitalistisches“ System hin. Wir sehen etwas Neues im Entstehen, das aus einer Europa-zentrierten mentalen Käseglocke heraus nicht mehr begriffen werden kann, das aber Hoffnungen enthält für die Zukunft der Menschheit.

Das kann sogar ein BlackRock nicht mehr aufhalten …


Technische Anmerkung: Ich beziehe mich auf die Informationsgrundlagen und Quellenangaben in meinen beiden Büchern "Das Chinesische Jahrhundert. Die neue Nummer 1 ist anders", Frankfurt (Westend) 2020 und "Die Zeitenwende. China, USA und Europa 'nach Corona'", Köln (PapyRossa) 2021, und habe daher hier auf detaillierte Quellenangaben verzichtet.


Wolfram Elsner: geboren 1950, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bremen, war Leiter des Bremer Landesinstituts für Wirtschaftsforschung. Autor und Herausgeber zahlreicher internationaler Publikationen und Lehrbücher. Präsident der European Association for Evolutionary Political Economy – EAEPE (2012 -2016), ist Editor-in-Chief des ›Review of Evolutionary Political Economy – REPE‹. Lehraufenthalte und Gastprofessuren in Europa, den USA, Südafrika, Australien, Mexiko und China, Adjunct Professor an der University of Missouri, Kansas City und seit 2015 Gastprofessor der Jilin Universität, Changchun, China.



Artikel, auf die Wolfram Elsner Bezug nimmt:

Eine Frage insbesondere für die Linke
China mit BlackRock auf dem Weg zum Kommunismus?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 773 vom 07.07.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27519

Anmerkungen zur Niederlassung des weltgrößten Vermögensverwalter-Konzerns in der Volksrepublik China
Roter Stern oder Schwarzer Fels
Von Rudolph Bauer
NRhZ 774 vom 27.07.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27567


Siehe auch:

Debatte um den Artikel "China mit BlackRock auf dem Weg zum Kommunismus?" von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Xi Jinping: gewiefter Marxist oder Gorbatschow Chinas?
Von NRhZ-LeserInnen
NRhZ 774 vom 21.07.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27544

Zur Debatte um die Rolle Chinas
Die Kommunistische Partei Chinas, die Menschenrechte und das Völkerrecht
Von Werner Rügemer
NRhZ 774 vom 21.07.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27562

IFF-Tagung im Mai 2021 in Peking - Medien unterschlagen dieses richtungsweisende Treffen
Bereiten chinesisch-amerikanische Finanz-Eliten digitale Zentralbankwährung vor?
Von Ernst Wolff
NRhZ 776 vom 08.09.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27608