Bundesrepublikanische
„Demokratie“:
Paralysiert, veraltet,
störrisch und verblendet
von
Luz
María De Stéfano Zuloaga de Lenkait am 31.5.2019
Wilde
Schönheit der Demokratie
<Der Niedergang der SPD,
der traditionsreichsten deutschen Partei, ist besonders gravierend, aber auch
Teil einer grundsätzlichen Veränderung. Auch die CDU ist unterm Strich eine
klare Verliererin... Union und SPD stehen unruhige Zeiten bevor> So Nico Fried
in seinem Leitartikel: „Wahl in Deutschland – Absturz“, SZ am 27.5.19. In der
Tat steht die CDU am Anfang vom Ende ihrer langen Dominanz in der politischen
Landschaft Deutschlands. Beide Volksparteien CDU und SPD erlitten große
Verluste, die die Frage nach dem nötigen Wandel aufwerfen, den vor allem die
junge Generation erwartet. Aber der Weckruf bleibt ungehört. Weder Kevin
Kühnert noch das Rezo-Video stoßen auf eine konstruktive Reaktion bei der SPD
und CDU. Der griechische Politiker und Nationalökonom Yanis Varoufakis
beurteilt sachlich und nüchtern die paralysierte politische Lage Deutschlands:
<Hier haben wir eine tiefgreifende Geldpolitik zugunsten einiger Weniger.
Die herrschende Klasse in Deutschland wird sich niemals bereit erklären, dies
zu ändern. Wir werden sie dazu zwingen – durch die wilde Schönheit der
Demokratie...> („Es gibt keine europäische Linke“ - Ein Gespräch mit Yanis
Varoufakis, Junge Welt 24.5.19) Über diese wilde Schönheit ist weiter
nachzudenken. Welche Mittel und Wege erlaubt sie, zu den erforderlichen
Veränderungen zu kommen?
Ohne
programmatische Wende SPD und CDU am Anfang von ihrem Ende
Der Absturz der SPD bei der
EU-Parlamentswahl ist die Spitze eines Eisbergs. Unter seiner Oberfläche ist
alles eingefroren, unbeweglich, unsichtbar, ob sich etwas an Erneuerung tut.
Der fortgesetzte SPD-Wählerstimmenverlust ist Ergebnis eines langen Prozesses,
der weiter gehen wird, weil innerhalb der SPD keine richtige programmatische
Debatte stattfindet. Und innerhalb der CDU auch nicht. Deshalb haben wir kein
„Endspiel“ vor uns, sondern den Anfang vom Ende, wenn sich keine klare
programmatische Wende einstellt. Ein reaktionärer Vorstand bleibt paralysiert,
veraltet, störrisch und verblendet in Bezug auf das neoliberale Credo, dem die
SPD zusammen mit der Union anhängt. Beide Volksparteien haben seit vielen
Jahren völlig vernachlässigt, sich substantiell, programmatisch mit den
grundsätzlichen politischen Problemen des Landes zu befassen. Da die großen
Medien solche Anliegen unter den Teppich kehrten, konnte das Rezo-Video mehr
Menschen erreichen als irgendein traditionelles Medium, sei es ein
Presse-Erzeugnis oder ein Fernsehsender.
Heikle
Themen aus der Öffentlichkeit verbannt
Gerade vor der
EU-Parlamentswahl versuchte die herrschende Machtelite die Diskussion über
heikle Themen aus der Öffentlichkeit zu verbannen, nachdem der Chef der
Jungsozialisten, Kevin Kühnert, mit dem ungebotenen Thema „Demokratischer
Sozialismus“ vorpreschte und die Systemfrage im Raum stand. Aber der
SPD-Vorstand wollte sich dieser klaren Herausforderung nicht stellen und ließ
die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit fallen ebenso wie die berechtigte
Forderung, die Verteilung der Profite demokratisch-gesellschaftlich zu
kontrollieren. Bei wachsender Ungleichheit fällt die Gesellschaft auseinander.
Wofür steht die SPD? Ist sie die Partei für die soziale Gerechtigkeit, die
Partei der Arbeiter, kleinen Angestellten und einfachen Bürger? Ist die SPD die
Partei des Friedens?
Das neoliberale System
bleibt weitgehend tabu. Die letzten Politik-Sendungen wie im ZDF:
„Maybrit Illner“ (2.5.), ARD: „Presseclub“ (5.5.) und „Anne Will“ (5.5.)
beschäftigten sich mit anderen, weit weniger brennenden Anliegen, eigentlich
Nichtigkeiten, um die deutsche Öffentlichkeit von den gravierenden, wichtigsten
Problemen abzulenken, nämlich die soziale Frage und die Zukunft des korrupten
betrügerischen Euro-Finanzsystems.
Soziale
Frage der Wirtschaftspolitik in den Vordergrund stellen
Mit seinen jüngsten
Aussagen traf Kevin Kühnert, Vorsitzender der Jungsozialisten ins Mark des
barbarischen Kapitalinteressengeflechts. Hysterische Reaktionen aus der Union,
Programmatische
Richtigstellung der SPD ermöglichen
Die SPD-Basis tickt gewiss
anders als der reaktionäre Vorstand, der geschlossen – also inklusive Sigmar
Gabriel, Martin Schulz und Heiko Maas – zurücktreten sollte, um Leuten wie
Kevin Kühnert Raum zu lassen. Das würde die programmatische Richtigstellung der
SPD ermöglichen, ohne die sie nicht berechtigt ist, als Sozial-Partei zu
existieren. Die deutsche Wählerschaft hat die SPD-Verlogenheit erkannt und
wusste sie zu bestrafen.
Von
neoliberaler Politik tief enttäuscht
Das antisoziale neoliberale
Modell ist eklatant gescheitert, nicht nur in Deutschland, wo eine zunehmende
Armut offenkundig ist, sondern vor allem in Frankreich, Italien,
Großbritannien, Griechenland, Spanien und Portugal. Auch das Brexit-Votum steht
im Kontext des gescheiterten Neoliberalismus. Eine Brexit-Partei, die erst im
Februar von Nigel Farage im Vereinten Königreich gegründet wurde, geht sofort
ab wie eine Rakete und holt bei den EU-Parlamentswahlen 32% der britischen
Stimmen, während die konservativen Tories auf 9% fallen. In Frankreich
triumphiert das Rassemblement National von Marine Le Pen mit 24% deutlich über
La France en Marche von Emmanuel Macron, der nur 21% erreichte und damit eine
schallende Ohrfeige bekam. Die Franzosen sind von seiner neoliberalen Politik
tief enttäuscht. Daher die Gelbwesten-Protestbewegung (gillets jaunes).
EU-Außenpolitik
auf rechtmäßige Gleise bringen
Österreich stellt einen
Sonderfall dar, denn dort ist die Sozialpoltik weniger stark abgebaut worden
als in Deutschland und das konservative Führungspersonal ist gut in der
Bevölkerung verankert. So erlang dort die konservative Partei von Sebastian
Kurz, die ÖVP, einen historischen Sieg mit 35% der Stimmen. In Italien ist die
Lega Nord von Matteo Salvini der klare Sieger mit 32%. Folglich könnten
Italien, Großbritannien und Frankreich im Europäischen Parlament eine
rechtskonservative Allianz bilden, die die EU-Außenpolitik auf rechtmäßige
Gleise und Grundlagen bringen sollte, aber sicherlich nicht die gescheiterte
neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik wesentlich ändern würde.
Medien
lenken von richtigen Fragen und fehlenden Antworten ab
Über die Bedrohung von
rechts zu sprechen und zu schreiben und die vom Volk gewählten Rechtsparteien
als undemokratisch zu bezeichnen, ist eine Zumutung, die den Willen der Wähler
ignoriert und somit ein undemokratisches anmaßendes Verhalten bloßstellt. Die
Rechtsparteien als Nationalisten oder Populisten zu tadeln, ist nicht nur
unsachlich oberflächlich und töricht banal, sondern dient auch als Ablenkung,
um die richtigen Fragen, die die Menschen betreffen, beiseite zu lassen. Im
Presseclub von 26.5.19: „Machtkampf in Washington. Wie soll Europa mit Trump
umgehen?“ war offenkundig, dass Europa keine Antwort darauf hat: Keine Antwort
auf die willkürlichen Sanktionen gegen Völker, die sich nicht dem US-Diktat
unterwerfen, keine Antwort auf die Kriegsgefahr im Nahen-Mittleren Osten, die
von der US-Administration ausgeht, keine Antwort auf den Bruch des
Gemeinwesen
steht grundgesetzmäßig über den partikulären Interessen: Bedeutung für Medien
Warum schalten sich
Redaktionen nicht professionell ein gegen die erratische Tendenz der
Regierungsparteien SPD und CDU? Warum lenken sie die Öffentlichkeit nach dem Wunsch
und Diktat des Establishment und manipulieren an breiter Front die
Wählerschaft? Wolfgang Krach gibt eine trockene Antwort in seinem Leitartikel
„Weil es sein muss“ SZ am 25.5.19 als er schreibt: <Medien sind nicht die
vierte Gewalt.... Medien hingegen sind ... in der Regel Privatunternehmen.>
Gerade hier befindet sich das Dilemma, einerseits den wirtschaftlichen
Interessen ihrer Eigner verpflichtet zu sein und andererseits auch dem
Gemeinwesen. Sind die Interessen des Gemeinwesen vereinbar mit den Interessen
der Konsortien, den Eigentümern der Medien? Das Gemeinwesen steht
grundgesetzmäßig über den partikulären Interessen, also sind die Medien an
erster Stelle verpflichtet, ihm zu dienen. Man muss dann die Medien anders
regeln, damit sie ihre Funktion als Kontrollinstanz der Macht problemlos
erfüllen können, ohne das Diktat der Privatunternehmen und Konsortien.
Aus dem Versagen der traditionellen Medien
Presse, Radio und Fernsehen, ihre Pflicht für die Gesellschaft zu erfüllen, und
mit der Digitaltechnik bilden sich neue Medien wie Youtube und
Internet-Plattformen mit steigender Reichweite.
Volksparteien
ohne Sensorium für junge Generation
Die Grünen haben sich als
Partei der Jugend weiter gefestigt. <25.000 hochpolitisierte Schüler haben …
eine Zukunft eingefordert, die den Menschen, den Tieren, den Pflanzen und dem
Planeten eine Überlebenschance ermöglicht. Dass dafür der Kapitalismus (der
Neoliberalismus, d.A.) überwunden werden muss, war der übergroßen Mehrheit
geradezu selbstverständlich.> Cornelia und Hans-Jürgen Joseph, Berlin
(Leserbrief in Junge Welt von 18./19.5.19) An den Reaktionen der Volksparteien
lässt sich ablesen, dass diese offenbar kein Sensorium dafür haben, wie weit
sie sich nicht nur von der jungen Generation, sondern auch von großen Teilen
der gesamten Bevölkerung entfremdet haben. <Verlassen konnten sich CDU und
Es sieht nicht so aus, als
würden die angeschlagenen Koalitionäre CDU/
Dennoch gab es in der SPD
einen Lichtblick, und zwar hinsichtlich ihrer Außenpolitik, als
die SPD-Vorsitzende Andrea
Nahles gegen die völkerrechtswidrige Außenpolitik der Bundesregierung klare
Kante zeigte, indem sie im vergangenen September erklärte: „Die SPD wird weder
in der Bundesregierung noch im Parlament einer Beteiligung Deutschlands am
Krieg in Syrien zustimmen.“ Dies solle wissen, „wer auch immer heimlich an
solchen Plänen arbeitet oder auch nicht heimlich“. Zum ersten Mal hat die SPD
„jedweder militärischen Beteiligung“ an einem möglichen Vergeltungsschlag in
Syrien eine klare Absage erteilt. (Titel-Seite der Süddeutschen Zeitung am
11.9.18: „SPD lehnt Militäreinsatz gegen Assad ab“) Damit positionierte sich
die SPD endlich nach sieben Jahren Krieg gegen Syrien unter deutscher
Beteiligung für eine völkerrechtsmäßige und grundgesetzmäßige deutsche Außenpolitik.
Die impertinente tendenziöse Frage „unter welchen Voraussetzungen sich
Deutschland in der Pflicht sehen würde, Schläge nicht nur zu begrüßen, sondern
sich an ihnen zu beteiligen, beantworte die SPD-Vorsitzende gereizt klar:
„Unter gar keinen.“ Aber die SPD-Vorsitzende zog keine Konsequenzen aus ihrer
grundgesetzmäßigen Richtlinie und ließ den grundgesetzwidrigen
SPD-Außenminister Heiko Maas mit seinem Interventionstreiben ungeschoren weiter
arbeiten. Warum kann Andrea Nahles keine substantiellen politischen
Programmpunkte für eine grundsätzliche Korrektur der Politik darlegen und eine
sachliche Diskussion darüber innerhalb der SPD durchsetzen?
Peinlicher
Zustand auf höchster Ebene der Volksparteien
Ein ehemaliger
SPD-Außenminister Sigmar Gabriel versteckt seine Inkompetenz und Begrenzung
hinter Palaver, hinter banaler trügerischer Rhetorik, die niemanden überzeugt,
weil sie nur seine unglaubwürdige Haltung entlarvt. Der SPD-Politiker will
nicht einmal von Ramstein, dem US-Stationierungsort von Atomwaffen, wissen, wie
das Rezo-Video offenlegte. Der gegenwärtige Außenminister Heiko Maas tritt auf
der Lateinamerika Konferenz in Berlin am 28.5. als ein unverfrorener Putschist
auf und stellt sich damit an die Seite der größten Ganoven der Weltpolitik, die
US interventionistische Regierung. Dieser peinliche Zustand auf höchster Ebene
der Volksparteien und der Politik stellt die Inkompetenz der SPD bloß und gibt
keine Hoffnung auf ihre weitere Existenz. Mit dieser Partei wie mit der Union
ist ein wachsender Teil der Bevölkerung zu Armut und Perspektivlosigkeit
verdammt. Auf dem Boden dieses undemokratischen Elends bildet sich der
Vernichtungswahn, der sich auf Atomwaffen stützt, die hierzulande stationiert
sind. Weitere Aufrüstung soll kommen, wofür ungeheuerliche Mengen an Ressourcen
verschwendet werden sollen, anstatt sie in Bildung und soziale Bedürfnisse zu
stecken. Es reicht! Zu lange haben die Volksparteien in arroganter Haltung
den Drang nach Wandel ignoriert. Jetzt erhalten sie durch praktizierte Demokratie
die erste Quittung, aber ohne ihren fundamentalen Wandel werden sie weitere
Quittungen einstecken müssen, bis sie wirklich stürzen und aus der zerfallenden
politischen Landschaft verschwinden. Andere, neue politische Kräfte sind
gefragt, weil die unverbesserlichen alten Parteien offensichtlich nicht zu
retten sind, so wie sie sich darstellen: Wiederholt debattieren sie über
Personal und nicht über die Korrektur ihrer Programmatik, wie jetzt wieder
die SPD während ihrer langen Sitzung am 29.5. Diese reinen Personaldiskussionen
ohne irgendeine Verknüpfung mit neuer Programmatik lenkt nur die Öffentlichkeit
von den eigentlichen Herausforderungen ab, vor denen die Gesellschaft heute
steht und zu denen die Parteien endlich klare Konzepte vorzulegen haben. Aber
der SPD-Vorstand wie auch die Medien machen bei dieser ablenkenden
Personaldebatte mit.
Ferdos Forudastan hat
recht: <Das existentielle Problem der SPD wäre mit neuen Führungspersonal
nicht gelöst... Das kleine Bremen könnte der SPD helfen, darauf eine Antwort zu
finden – wenn es dort zum ersten Regierungsbündnis aus SPD, Grünen und Linken
im Westen kommen sollte. Das könnte ein Signal für den Bund sein. Und es wäre
ein kluges Signal...> ( „Deutschland – Wunsch nach Wandel“ von Ferdos
Forudastan, SZ-Leitartikel 28.5.19)
Kernproblem:
Untätigkeit, Inkompetenz oder Unwilligkeit der Volksparteien hinsichtlich der
sozialpolitischen Fragen
Stefan Ulrich irrt sich,
als er am Kernproblem vorbeigeht. Europa ist kein zentraler Schauplatz von
einem „Großkonflikt zwischen Nationalismus und Supranationalismus“. Nein. Der
große breite Konflikt, der die gesamte deutsche, europäische Gesellschaft
umfasst, ergibt sich aus der Untätigkeit, aus der Unterlassung, Inkompetenz
oder Unwilligkeit der Volksparteien, auf die wichtigen sozialpolitischen Fragen
eine Antwort zu geben und aus der Unterlassung der Medien, solche wichtigen
aktuellen Fragen zu stellen. Völlig enttäuscht und ernüchtert hat deshalb
die Gesellschaft dezidiert mit den Volksparteien abgerechnet und sucht entschlossen
nach neuen Wegen und Alternativen.
Es geht nicht darum, wie
die Volksparteien kommunizieren, sondern was sie treiben, was sich hierzulande
abspielt. Das schildert ganz hart und mit vielen Quellen dokumentiert das
Rezo-Video. Aus den beschriebenen, haarsträubenden skandalösen Tatsachen, folgt
die Mahnung an die Bevölkerung, nicht wieder für die SPD und die CDU zu wählen.
Niemand sollte sich wundern, dass das Rezo-Video die Reichweiten der
etablierten Medien erheblich übersteigt.
Für eine
Koalition der fortschrittlichen Kräfte
Die Grünen öffnen die
Möglichkeit für eine klare Wende der stagnierenden ritualisierten Politik. Aber allein werden die Grünen die
wünschenswerte Wende nicht schaffen. Sie brauchen eine zutreffende, richtige
Koalition mit fortschrittlichen Kräften, die auch einen eindeutigen
sozialpolitischen Wandel wollen. Sollten sie den Sirenen-Rufen der Union und