Gegen die Aushöhlung der Meinungs- und
Pressefreiheit –
Solidarität mit Jürgen Grässlin!
16.
Mai 2016
Sie haben das Buch
„Netzwerk des Todes. Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und
Behörden“ verfasst und darin auszugsweise in Zitaten und partiellen Auszügen
aus Dokumenten auf mögliche Straftaten von Vertretern des Waffenproduzenten und
-exporteurs Heckler & Koch (H&K) in Zusammenarbeit mit dem
Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und dem Bundesausfuhramt (Bafa)
hingewiesen.
Gegen die drei AutorInnen ermittelt gegenwärtig die Staatsanwaltschaft München
wegen des Verdachts verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen gemäß
Paragraf 353d Strafgesetzbuch – gemeint ist die verbotene
Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke. Der Straftatbestand sieht eine
Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor. Geprüft wird,
ob noch andere Straftatbestände in Betracht kommen.
Nach Auffassung des BundessprecherInnenkreises der DFG-VK ist dies der ebenso
durchsichtige wie üble Versuch, Jürgen Grässlin und seine MitstreiterInnen für
ihre Veröffentlichungen über mögliche kriminelle Machenschaften von
H&K-Beschäftigen sowie über die Unterstützung dieser Machenschaften durch
ranghohe Ministerialbeamte abzustrafen und zu diskriminieren.
Grässlin hatte bereits im April 2010 Strafanzeige gegen Heckler & Koch
wegen des Verdachts der Lieferung von ca. 10.000 G36-Sturmgewehren und
MP5-Maschinenpistolen in Unruheprovinzen Mexikos erstattet, was die zuständige
Stuttgarter Staatsanwaltschaft dazu zwang, Ermittlungen einzuleiten. Diese
Strafanzeige wurde von Rechtsanwalt Holger Rothbauer 2012 auf alle beteiligten
Behördenvertreter erweitert.
Allerdings erhoben die Ermittler – trotz klarer Beweislage dank Grässlins und
Harrichs Recherchen – erst nach fünfeinhalb Jahren Anklage gegen zwei ehemalige
Geschäftsführer und vier Mitarbeiter von Heckler & Koch, in fünf dieser
Fälle wegen des bandenmäßigen Waffenexports von Kriegswaffen. Dagegen weigerte
sich die Staatsanwaltschaft, gegen das BMWi und die Bafa Ermittlungen
einzuleiten. Und das obwohl die AutorInnen im „Netzwerk-des-Todes"-Buch
belegen, wie H&K den tödlichen Mexiko-Deal mit Unterstützung der
Kontrollbehörden durchführen konnte.
Dieselbe Staatsanwaltschaft ist es, die gegen Grässlin, Harrich und
Harrich-Zandberg Vorermittlungen veranlasste, die jetzt zu den Ermittlungen der
Münchener Staatsanwälte geführt haben. Die offensichtlich als inhaltlich und
politisch äußerst brisant angesehenen Schriftstücke im Netzwerk-Buch, die die
drei AutorInnen der Staatsanwaltschaft Stuttgart für deren Ermittlungen zur
Verfügung stellten, vereinnahmen die Stuttgarter Staatsanwaltschaft als ihre
Ermittlungsakten. Diese hätten nach ihrer Ansicht nicht medial verwendet werden
dürfen. Wer so agiert, gefährdet die Meinungs- und Pressefreiheit in
Deutschland!
Der BundessprecherInnenkreis der DFG-VK verurteilt die politisch wie juristisch
höchst anrüchigen Machenschaften, RüstungsexportkritikerInnen mundtot machen zu
wollen, auf das Schärfste. Dieses Vorgehen erinnert uns in fataler Weise daran,
wie am Vorabend des deutschen Faschismus die damalige Justiz in der Weimarer
Republik Mitglieder der Deutschen Friedensgesellschaft verfolgte und
verurteilte, weil sie illegale Aufrüstungsbestrebungen öffentlich machten – am
bekanntesten dabei Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky, der 1931
zusammen mit dem Journalisten Walter Kreiser wegen Landesverrats und Verrats
militärischer Geheimnisse zu je 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Dieser Skandal, Musterbeispiel damaliger politischer Justiz, zieht sich bis
heute hin, denn eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor bundesdeutschen
Gerichten scheiterte 1992.
Offenbar gibt es in Deutschland eine unheilvolle Verquickung zwischen Justiz
und Rüstungsinteressen, deren Opfer nun Jürgen Grässlin, Daniel Harrich und
Danuta Harrich-Zandberg werden könnten. Dagegen wird sich die DFG-VK mit allen
ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzen.
Der BundessprecherInnenkreis der DFG-VK ruft deswegen alle Gruppen und
Landesverbände auf, jetzt praktische Solidarität mit Jürgen Grässlin, Daniel
Harrich und Danuta Harrich-Zandberg zu zeigen: Überall muss die Öffentlichkeit
vom skandalösen Vorgehen der Stuttgarter und Münchener Staatsanwaltschaften
erfahren! Wir fordern, dass das Ermittlungsverfahren gegen die drei AutorInnen
sofort eingestellt wird. Stattdessen müssen Ermittlungen gegen das
Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesausfuhramt wegen des Verdachts der Mitwirkung
an illegalen Waffengeschäften von Heckler & Koch mit Mexiko eingeleitet
werden.
Der BundessprecherInnenkreis der DFG-VK im Mai 2016