Bundesrepublik Deutschland
> Zensur in München
Presseerklärung von SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. am
24.9.2016
Wir hatten den Verleger und Publizisten Abraham („Abi“) Melzer für den 23. 9. zu einem Vortrag ins EWH eingeladen. Melzer, in Israel aufgewachsen, ist heute ein entschiedener Kritiker der zionistischen Politik dieses Staates und engagiert sich u.a. mit weiteren deutschen Juden in dem Verein „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“. Er sollte über das Thema „Antisemitismus heute“ sprechen. (siehe den angehängten Flyer).
Der Kulturreferent der Stadt München, Dr. Hans-Georg Küppers (SPD) „untersagte“ mit Schreiben vom 21. 9. , also zwei Tage vor der geplanten Veranstaltung, dem EineWeltHaus „die Überlassung der städtischen Räume an den Verein Salam Shalom“.
Die Veranstaltungsankündigung enthalte „Formulierungen, die in Richtung einer Delegitimierung Israels gehen. Dies legt nahe, dass in der Veranstaltung die Grenze zwischen Israelkritik und Antisemitismus überschritten wird. In städtischen Räumen sind solche Agitationen nicht zulässig“ [Zitate aus dem Schreiben des Kulturreferats] – eine Behauptung und Vermutungen, die weder mit der Veranstaltungsankündigung noch mit der seit Jahren geleisteten politischen Bildungsarbeit unseres Vereins zu rechtfertigen sind.
Durch wen dieser in der bisherigen Geschichte des EWH wohl einmalige Eingriff in die Autonomie der Einrichtung veranlasst worden war (Küppers: „Wir haben davon Kenntnis erhalten.“), bleibt in dem Schreiben unerwähnt.
Nachdem wir am 22. 9. im Russischen Kulturzentrum GOROD einen Ersatzraum für unsere Veranstaltung gefunden und das auch auf unserer Webseite publik gemacht hatten, veranlasste „der Vorstand der jüdischen Gemeinde“ den zuständigen Sachbearbeiter des städtischen Sozialreferats, von GOROD die Zurücknahme der vereinbarten Raumzusage zu verlangen, „weil der geplante Vortrag aus Sicht der Stadt nicht dem Neutralitätsgrundsatz gerecht wird“. [Mitteilung der Geschäftsführung an uns]
Unsere Freude, in der Eile dann doch noch einen Veranstaltungsraum im Hansa-Haus des KKV in der Briennerstraße gefunden zu haben, währte nicht lange. Am Morgen des Veranstaltungstages (23. 9.) erhielt der Vorstand des Vereins Hansa KKV ein Schreiben der Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde, in dem die im Brief des Kulturreferats geäußerten Vermutungen nunmehr als „eindeutige“ Tatsachen hingestellt wurden („derartige antisemitische Propaganda“, später heißt es „antijüdische Propaganda“). In diesem Schreiben werden nicht nur über „Salam Shalom“ [in Anführungszeichen (!)] unhaltbare unwahre Behauptungen (vulgo Lügen) aufgestellt, es wird auch die Gefahr beschworen, die der „für seine antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigte“ Abi Melzer für die „gewachsene christlich-jüdische Dialogkultur“ darstelle. Sein Auftritt würde zu einer „unerträglichen Stärkung des Antisemitismus in München“ führen. [Zitate aus dem Schreiben der Präsidentin, das übrigens mit gleicher Post dem Generalvikar des Erzbistums München und Freising zugeleitet wurde. KKV ist ein katholischer Wohlfahrtsverband.]. Derart unter Druck gesetzt, kam der Verein KKV Hansa der „inständigen Bitte“ der Präsidentin nach und kündigte uns den zugesagten Veranstaltungsraum – mit der Konsequenz, dass wir unsere Veranstaltung kurzfristig absagen mussten.
In welchem Lande leben wir?
Ist es wirklich so, dass eine kleine, aber einflussreiche Interessengruppe darüber befinden kann, wer was sagen darf? Unser Grundgesetz garantiert den Bürgern die Informations- und Meinungsfreiheit. „Eine Zensur findet nicht statt.“ (GG Art. 5) Gerade bei diesem zentralen und sensiblen Thema „Deutschland-Israel-Palästina“ wäre in unserem Land eine unbehinderte öffentliche Debatte, Immanuel Kants „öffentlicher Gebrauch des eigenen Verstands“, unbedingt erforderlich. Die jetzt wieder so eindringlich demonstrierte Unterdrückung dieser Debatte ist für die politische Kultur in dieser Gesellschaft, letztlich für unsere Demokratie, verheerend.
Die Stadtspitze muss sich – das ist unsere Überzeugung – aus der Abhängigkeit von Interessengruppen, wie der genannten, befreien und versuchen, dem von ihr, auch im Zusammenhang dieser traurigen Geschichte, wiederholt propagierten „Neutralitätsgrundsatz“ selber gerecht zu werden – eine zugegeben schwierige Aufgabe, die die Einsicht in ihre Notwendigkeit voraussetzt.
Für den Vorstand:
Eckhard Lenner und Jürgen Jung
Kommentar zur Presseerklärung:
Politiker der Bundesrepublik werden nicht müde, immer wieder auf die
Meinungsfreiheit ihrer Bundesbürger, die im Übrigen auch in unserem Grundgesetz
verbürgt ist, hinzuweisen.
Wie es aber in der Wirklichkeit aussieht, zeigt auch das Beispiel aus
München.
So kann nicht hingenommen werden, dass dort eine Veranstaltung mit dem
Verleger und Publizisten Abi Melzer durch mehrmaligen Raumentzug verhindert
wurde und sogar auf ein Benefizkonzert in der Erlöserkirche am
30.9.2016 ausgedehnt wurde, auf dem für die Kinder im Gazastreifen Geld
gesammelt werden sollte.
Dieser Angriff auf das seit der Französischen Revolution erkämpfte
weltweite Menschenrecht der MEINUNGSFREIHEIT darf nicht hingenommen werden !!
i.A. "Mütter gegen den Krieg Berlin-Brandenburg" Brigitte Queck