Bundesrepublik
Deutschland
SPD-Spitze startet Initiative gegen Nukleare Teilhabe (Zusammenfassung)
von T.Wiegold am 2.4.2020
Führende SPD-Politiker aus Partei und Bundestagsfraktion haben ein Ende der so genannten Nuklearen Teilhabe gefordert, bei der Deutschland in einem Krieg Atomwaffen der USA mit Flugzeugen der Bundeswehr ins Ziel bringen könnte. Zudem müsse die Stationierung dieser Atombomben in Deutschland beendet werden. Mit dieser Positionierung stellt sich die SPD-Spitze gegen den bisherigen Konsens in der Koalition von Union und SPD und gegen ihren Außenminister Heiko Maas.
Der Co-Vorsitzende der SPD, Norbert Walter Borjans, sprach sich am (heutigen) Samstag ebenso wie Fraktionschef Rolf Mützenich und Fraktionsvize Gabriela Heinrich dafür aus, die Nukleare Teilhabe zu beenden. Er vertrete eine klare Position gegen Stationierung, Verfügungsgewalt und erst recht gegen den Einsatz von Nuklearwaffen, sagte Borjans der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die Nukleare Teilhabe diene dem Einsatz einer menschenverachtenden Waffengattung, ohne dass eine echte deutsche Mitsprache beim Einsatz gesichert sei. Heinrich betonte in der gleichen Zeitung, Abschreckung mit Mitteln des Kalten Krieges sei ein Anachronismus.
Fraktionschef Mützenich forderte im Berliner Tagesspiegel, die Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden künftig auszuschließen. Atomwaffen auf deutschem Gebiet erhöhen unsere Sicherheit nicht, im Gegenteil, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Auch andere Staaten hätten untersagt, auf ihrem Terrritorium US-Atomwaffen zu lagern, ohne dabei die Nato infrage zu stellen.
An den Planungsprozessen in der Allianz könne Deutschland auch ohne Atomwaffen auf seinem Territorium teilhaben, argumentierte der Fraktionsvorsitzende: Wir sollten als Deutsche selbstbewusst fordern, die Nuklearstrategie der Nato auch dann mit zu prägen, wenn keine Nuklearwaffen mehr auf unserem Gebiet lagern.
Borjans wie Mützenich verwiesen zur Begründung vor allem auf die Politik der USA unter ihrem Präsidenten Donald Trump. Der Präsident sei unberechenbar, stelle das vorbehaltlose Vertrauen in die USA als Bündnispartner sehr infrage und sehe den Einsatz taktischer Atomwaffen als Option, kritisierte Borjans. Mützenich betonte, die USA sähen unter Trump Atomwaffen nicht mehr als Instrument der Abschreckung, sondern als Mittel der Kriegführung: Das Eskalationsrisiko ist damit unüberschaubar geworden.
Bislang war die Nukleare Teilhabe, in deren Rahmen in Deutschland auf dem Fliegerhorst Büchel gelagerte US-Atombomben von deutschen Kampfjets ins Ziel gebracht werden sollten, trotz aller grundsätzlichen Kritik an Nuklearwaffen von bisherigen Bundesregierungen nicht infrage gestellt worden. Nach dem Koalitionsvertrag von Union und SPD 2018 wird zwar langfristig ein Abzug dieser Waffen angestrebt, allerdings unter Vorbedingungen:
Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben. Erfolgreiche Abrüstungsgespräche schaffen die Voraussetzung für einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen.
Auch Außenminister Heiko Maas, ein Parteifreund von Borjans und Mützenich, hatte noch im November vergangenen Jahres einer einseitigen deutschen Aufkündigung der Nuklearen Teilhabe und der Stationierung der US-Atombomben in Deutschland widersprochen:
„Es nützt nichts, wenn Atomwaffen von einem Land in das andere verschoben werden. Wenn sie verschwinden sollen, dann sollen sie überall verschwinden“, sagte der SPD-Politiker zu entsprechenden Forderungen auch aus seiner eigenen Partei. „Wir brauchen, was die atomare Abrüstung angeht, vor allen Dingen Vereinbarungen auf breiter Basis, nicht nur in einzelnen Ländern.“
Allerdings ist unklar, wie die militärische Bedeutung der in Deutschland stationierten US-Bomben und die Zukunft der Nuklearen Teilhabe in Zukunft aussieht. Die NDR-Sendung Streitkräfte und Strategien hatte kürzlich darauf verwiesen, das neue seegestützte Nuklearwaffen der USA die von Flugzeugen ins Ziel gebrachten US-Atomwaffen in Europa praktisch überflüssig machen könnten. Bislang gilt aus Sicht der Bundesregierung allerdings, dass auf diesem Wege zumindest eine Mitsprache Deutschlands bei der Nuklearstrategie der NATO gesichert ist.
In diesem Sinn argumentierte auch der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz Felgentreu, mit dem Mützenichs Vorstoß nicht abgesprochen schien. Seine Position machte er in einer Serie von Tweets deutlich (der besseren Lesbarkeit halber hier als zusammenhängender Text dokumentiert):
Rolf
Mützenich spricht sich für den Ausstieg Deutschlands aus der Nuklearen Teilhabe
der NATO aus – ein Grund sei Trump, ein anderer, dass es auch andere
NATO-Staaten gebe, die dort nicht beteiligt seien. Eine nicht recht schlüssige
Argumentation:
Erstens: natürlich, Trumps fahrlässiges Gerede über den Einsatz von
Atomwaffen stimmt besorgt. Aber die USA sind nicht Trump – sie sind und bleiben
Deutschlands wichtigster Verbündeter, ihr Engagement in der NATO das Rückgrat
europäischer Sicherheit.
Zweitens: Dass andere Länder sich nicht beteiligen, stimmt auch – weil sie
kleiner und schwächer sind und den Schutz der größeren und stärkeren brauchen.
Wir sind das wirtschaftlich stärkste und bevölkerungsreichste Land und liegen
genau in der Mitte Europas. Das heißt:
Auf uns richten sich die Blicke und Erwartungen der kleineren Länder. Wenn
wir aus der nuklearen Abschreckung der NATO unilateral aussteigen, werden sie
es nicht als friedenspolitisches Signal verstehen, sondern als Desinteresse an
ihrer Sicherheit. Nukleare Teilhabe dient dem Zusammenhalt.
Drittens: Es entspricht nicht der Lebenswirklichkeit zu glauben, wer sich
nicht beteiligt, habe dennoch den gleichen Einfluss. Die SPD will, dass
Deutschland in der NATO auf Dialog, Vertrauensbildung, Rüstungskontrolle und
Abrüstung hinwirkt und so allmählich Kooperation statt Abschreckung Sicherheit
schafft. Das ist der richtige Ansatz. Zu sagen: Macht ihr mal weiter
Abschreckung, wir machen stattdessen Kooperation funktioniert aber nicht. Es
zementiert Gegensätze, verhindert den internen Dialog und schiebt Partnern den
Schwarzen Peter zu.
In einer Lage, in der die NATO mit Geschlossenheit und Stärke die beste
Chance hat, Russland und China davon zu überzeugen, dass der Dialog über
gemeinsame Sicherheit der mit Abstand beste Weg ist, wäre ein einseitiger
deutscher Ausstieg aus der nuklearen Abschreckung schädlich.
Fazit: Wir sollten diskutieren, welchen zeitgemäßen Beitrag Deutschland
nicht nur, aber auch durch Nukleare Teilhabe zum Erfolg der NATO leisten kann.
Die SPD mit ihrer Osteuropakompetenz und ihrer großen friedenspolitischen
Tradition kann dabei eine tragende Rolle spielen.
Ein schlichtes „ohne uns“ allerdings ist dafür zu wenig.
Widerspruch zur Initiative der SPD-Spitze kam auch vom Koalitionspartner. Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Johannes Wadephul, ging auf eindeutigen Gegenkurs zu den Forderungen:
Für
die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht die Fortführung der nuklearen Teilhabe
außer Frage. Sie ist aus gutem Grund im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Das
ist nicht verhandelbar. Die nukleare Abschreckung ist für die Sicherheit
Europas unverzichtbar. (…)
Nato-Generalsekretär Stoltenberg hat die nukleare Abschreckung ganz zu Recht
als ultimative Sicherheitsgarantie bezeichnet. Dazu gehört auch das Prinzip der
nuklearen Teilhabe.
Dem stimmt nicht nur diese Bundesregierung unter SPD-Beteiligung zu, sondern
SPD, CDU und CSU haben sich eindeutig im Koalitionsvertrag dazu bekannt, dass
die Nato solange auch ein nukleares Bündnis bleibt, wie dies aufgrund der
Bedrohungslage nötig ist. Vor allem aber haben wir uns ebenfalls im
Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass Deutschland an der nuklearen
Teilhabe festhält. Wenn Spitzenvertreter von Partei und Fraktion der SPD dies
infrage stellen, ist es ein verheerendes Signal für Deutschlands
Sicherheitspolitik. Damit untergräbt man Deutschlands bündnispolitische
Verlässlichkeit und Solidarität. Das kann die CDU/CSU-Fraktion nicht akzeptieren.
Kurzkommentar zum Obigen von B.Queck:
Erst einmal ist es sehr begrüßenswert, dass führende Politiker wie
der Co-Vorsitzende der SPD, Norbert Walter Borjans, ebenso wie Fraktionschef Rolf Mützenich und Fraktionsvize Gabriela Heinrich dafür aussprachen, die Nukleare Teilhabe Deutschlands zu beenden.
Schließlich widerspricht die nukleare Teilhabe Deutschlands ohnedies dem Völkerrecht (z. b. Potsdamer Abkommen 1945) sowie dem 2+ 3 Vertrag und dem sogenannten Einigungsvertrag!
Aber, dass ausgerechnet der verteidigungspolitische Sprecher
der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz Felgentreu, auf Bündnistreue mit den USA
besteht, obwohl er genau weiß, dass die USA BIS IN DIE GEGENWART MEHRFACH,
sowohl gegen internationales Recht als auch internationale Konventionen (z. B.
Genfer Konventionen) verstoßen haben, diese NOCH IN SCHUTZ NIMMT, ja, im
Gegenteil Russland und China davon überzeugen
will, “einen Dialog über gemeinsame Sicherheit“ zu führen, SCHLÄGT IM WAHRSTEN
SINNE DES WORTES DEM FASS DEN BODEN AUS!
Gerade Russland und
China sind es, die seit dem Bestehen der UNO immer wieder für die Einhaltung
der UNO-Charta, sowie internationaler Gesetze eingetreten sind, während die
NATO-Staaten in treuer Gefolgschaft mit den USA internationale Gesetze und
Abkommen laufend ausgehöhlt haben und beispielsweise das Gewaltverbot der
UNO-Charta durch ihre „Responsibility to Protect“ Deklaration zu
ersetzen suchten.
Damit bemänteln die US/NATO-Staaten seither ihre Aggressionen gegen unliebsame Staaten, DIE EINEN ANDEREN WEG ALS DEN KAPITALISTISCHEN ENTWICKLUNGSWEG GEHEN WOLLEN, wie es z. B. in Libyen der Fall war.