Bolivarischer
Präsident Morales eröffnet Alternativen Klimagipfel
Alternativer Klimagipfel: Neustart für Mutter Erde
In Bolivien eröffnet Präsident Morales einen
Gegengipfel zu den stockenden UN-Verhandlungen. Umweltaktivisten hoffen auf
neuen Schwung für Kopenhagen.
Boliviens Präsident Evo
Morales eröffnet die "Weltkonferenz der Völker zum Klimawandel" in
Cochabamba. Bild: dpa
COCHABAMBA taz | Auch über die "Rechte der Mutter Erde"
soll hier diskutiert warden: Am Dienstag eröffnet der
bolivianische Präsident Evo Morales die
“Weltkonferenz der Völker über Klimawandel und Rechte der Mutter Erde”. Das
Timing ist perfekt: Vor einer guten Woche wurde in Bonn beschlossen, alle
Vorschläge bis zum 26. April bei der Redaktion des neuen Basistextes für die
UN-Klimaverhandlungen zu berücksichtigen. Außerdem war es den Ländern des
Südens gelungen, das windelweiche “Abkommen von Kopenhagen” als Ausgangspunkt
zu verhindern. Wichtiger sind frühere Verträge, in denen die größere
historische Verantwortung der Industrieländer für den Klimawandel anerkannt
wird.
“Die Zivilgesellschaft muss wieder am Prozess beteiligt werden”, fordert
Boliviens Chefunterhändler Pablo Solón, “globale
Demokratie ist der einzige Weg für die Klimaverhandlungen und für die Rettung
der Menschheit”. Der Kontrast zwischen dem Treffen in Cochabamba und dem
blamablen Geschachere in Kopenhagen sei enorm, meint
der UN-Botschafter: “Hier gibt es keine Geheimdebatten hinter verschlossenen
Türen, hier geben die Gemeinschaften den Ton an, die vom Klimawandel betroffen
sind, aber auch engagierte Organisationen und Einzelne”.
Die Gastgeber haben viel vor. Vor allem soll der alternative Klimagipfel
den BasisaktivistInnen in aller Welt neuen Schwung
geben. Durch ein weltweites Referendum im Herbst möchten sie den Druck auf die
Regierungen verstärken. Sie fordern eine Ausweitung der Kompetenzen des
Internationalen Gerichtshofs auf Klimaverbrechen und schließlich wollen sie
eine “Charta für die Rechte der Mutter Erde” verabschieden.
Vor Ort in Cochabamba ist Tadzio Müller
vom Klimanetzwerk "climate justice
action". Er berichtet im Blog auf
bewegung.taz.de, mit einem kritischen Blick darauf, ob sich der Gipfel zu einer wirklichen
Alternative entwickelt.
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Im Flugzeug von La Paz nach Cochabamba sind wider Erwarten etliche Plätze
leer - die Vulkanwolke hat vielen potenziellen Teilnehmern aus Europa, aber
auch aus Afrika und Asien einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Nicht
betroffen war der südafrikanische Umweltanwalt Cormac
Cullinan, der schon in Kopenhagen die Bolivianer
beraten und in den letzten Monaten einen Entwurf für die Naturrechtedeklaration
ausgearbeitet hat. “Ich freue mich auf die Mischung zwischen Regierungen und
sozialen Bewegungen”, sagt er.
“Wir Lateinamerikaner und die Klimabewegten aus den anderen Teilen der Welt
brauchen eine gemeinsame Sprache ”, meint Edgardo Lander
aus Venezuela, “wir müssen die Netzwerke zur Umweltgerechtigkeit weiter
stärken”. Unter den angereisten linken Intellektuellen ist Konsens, dass der
Klimawandel nur ein Symptom der kapitalistischen Wirtschaftsweise des “immer
mehr” sei. “Das Grundübel ist der Glaube, dass wir Menschen von der Natur
getrennt und ihr überlegen seien ”, sagt Pablo Solón.
Nicht immer ziehen die Basis und die Regierung Morales an einem Strang, das
wurde bereits im Vorfeld deutlich. Viele Aktivisten hatten bereits an der
Aktionswoche zu “10 Jahren Wasserkrieg” teilgenommen, bei der an den Rauswurf
des US-Multis Bechtel aus Cochabamba im April 2000 erinnert wurde. Besonders
heftig debattierten Indígenas in einem Zelt über die
Einrichtung der umstrittenen “Arbeitsgruppe 18”, die die Regierung aus der
offiziellen Gipfelagenda verbannt hatte.
Im Kreuzfeuer stehen vor allem jene Großprojekte, die in Bolivien vorangetrieben
werden – vom Bau von Fernstraßen durch Naturschutzgebiete über die Verseuchung
von Flüssen durch Minenprojekte bin hin zu Erdölexplorationen im
Amazonasgebiet. Solche Vorhaben würden meist über die Köpfe der betroffenen
Gemeinschaften durchgezogen, lautete die häufigte
Klage. Rafael Quispe vom Indígenarat Conamaq wendete sich gegen den Entwicklungswahn im
Kapitalismus wie im bolivianischen “Sozialismus in Anführungszeichen” und
forderte, die Regierung Morales müsse sich an die Beschlüsse der Basis in
Cochabamba halten. “Große Worte auf der globalen Ebene reichen nicht”, sagte
ein Ureinwohner aus Potosí, “Evo muss auch an unsere
Rechte denken”.
https://taz.de/Alternativer-Klimagipfel/!5144189/