Belarus Außenministerium
verurteilt EU-Parlaments-Resolution
18.09.2020
Mit überwältigender Mehrheit haben am Donnerstag
Abgeordnete des EU-Parlaments in Brüssel eine Resolution verabschiedet, die
spätestens ab dem 6. November Lukaschenkos im litauischen Exil weilende
Gegenkandidatin Swetlana Tichanowskaja zur
Übergangspräsidentin erklärt.
Mit 574 Ja-Stimmen verabschiedete das EU-Parlament die
Resolution
RC9-0271/2020, die hauptsächlich von osteuropäischen Abgeordneten
eingebracht wurde. 37 Abgeordnete stimmten dagegen, 82 enthielten sich. Darin
wurde die Gewalt und politisch motivierten Verhaftungen verurteilt sowie die
Freilassung von Oppositionellen verlangt. Außerdem bekräftigt das Parlament
darin den Vorwurf des Wahlbetrugs: Es sei bei der Präsidentschaftswahl vom 9.
August zu "Einschüchterung von Wählern" und "Fälschung von
Protokollen aus Bezirken in massivem Maßstab" gekommen.
Mehr lesen:Weißrussland: Lukaschenko schließt Grenze zu Polen und Litauen
Nach dem Rat für Auswärtige Angelegenheiten der EU und
der Kommissionspräsidentin erklärte nun auch das EU-Parlament den Wahlausgang
für ungültig. Die Legitimität von Präsident Alexander Lukaschenko sei nur noch
bis zum Ende seiner regulären Amtszeit am 5. November gegeben, danach gelte er
zumindest für das Parlament in Brüssel nicht mehr als legitimer Präsident
Weißrusslands. Der von dessen Herausforderin Swetlana Tichanowskaja
gegründete Koordinationsrat, dem sie auch vorsteht, soll die Amtsgeschäfte
anschließend übernehmen.
Damit folgen die Initianten der Resolution dem Weg
Litauens, dessen Parlament bereits am 10. September diesen Schritt unternommen
hatte. Sie übernahmen ebenfalls nahezu Wort für Wort die Erklärung, dass
Lukaschenko keinerlei Abkommen mehr eingehen dürfe, "einschließlich mit
russischen Behörden, die die Souveränität und territoriale Integrität
Weißrusslands bedrohen könnten". Damit ist insbesondere die Umsetzung des
Unionsabkommens gemeint, das zwischen Minsk und Moskau in der zweiten Hälfte
der 1990er-Jahre geschlossen wurde.
Das weißrussische Außenministerium reagierte prompt
mit einer scharf formulierten Erklärung.
Minsk sei vom "Versagen des EU-Parlaments enttäuscht", das sich
selbst als eine "seriöse, objektive und demokratische Organisation
darstellt, das über genügend politischen Willen
verfügt, um weiter als nur bis zur Nasenspitze zu blicken".
Wir haben auch gesehen, dass diese Organisation die
Prozesse in Weißrussland nicht versteht und absolut realitätsfern ist, weswegen
sie oft von den Bürgern der EU kritisiert wird. Es ist bemerkenswert, dass das
Dokument aggressiver Natur ist und nicht einen einzigen konstruktiven oder
vernünftigen Punkt enthält.
Das Außenministerium in Minsk kritisierte zudem, dass
die Abgeordneten, die für diese Resolution gestimmt haben, nicht mit den
Konsequenzen leben müssten, sondern die Menschen in Weißrussland und der
Europäischen Union. Jene Abgeordneten sollten sich lieber Gedanken machen, wie
man die "Souveränität, Unabhängigkeit und Stabilität" des Landes
stärken kann, statt "solche Dokumente" zu veröffentlichen. Die
Resolution selbst ist rechtlich nicht bindend, kann aber durchaus das weitere
Vorgehen der EU beeinflussen.
Am Montag wird Tichanowskaja
in Brüssel zu Gesprächen mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell erwartet.
Es soll sich um ein informelles Treffen handeln, bevor der Außenministerrat
anschließend über Sanktionen gegen Weißrussland berät, erklärte Borrells
Sprecher.