BRICS und RUSSLAND
Wie werden die BRICS Russland helfen,
den Westen zu besiegen?
von Geworg
Mirsajan
September 2023
Im Westen ist man empört, dass eine Reihe wichtiger Länder
Moskau dabei hilft, die Sanktionen zu umgehen. Die Rede ist zunächst von den
BRICS-Ländern, wobei Indien zum Beispiel tatsächlich entsprechende Erklärungen
abgab. Die Unterstützung ist vorhanden – aber welcher Art? Und warum sind
einige andere Länder für Russland noch wichtiger?
Die BRICS sind dabei, Russland
behilflich zu sein, die Sanktionen zu umgehen. Zu dieser Schlussfolgerung
gelangten einige russische und westliche Experten nach den Worten von Purnima Anand, der Leiterin der indischen Delegation auf
dem russischen Technoprom-Forum. "Die
BRICS-Partner eröffnen Russland eine Chance, die Auswirkungen der Sanktionen zu
überwinden", sagte sie.
"Die meisten Länder schaffen verschiedene Mechanismen, um Sanktionen zu
umgehen. Diese reichen vom Tauschhandel bis hin zum Handel in eigener Währung.
Insbesondere gilt dies für Brasilien, China, Südafrika und Indien (die
BRICS-Gruppe), deren gemeinsames BIP mehr als 24 Prozent des weltweiten BIP
ausmacht und deren Anteil am internationalen Handel etwa 16 Prozent
beträgt", so The Hill.
In Wirklichkeit ist die Sache ein wenig komplizierter. Tatsächlich verlässt
sich Moskau auf seine BRICS-Partner, um den Schaden der westlichen Sanktionen
zu mindern, allerdings ist diese Unterstützung ziemlich vielseitig.
Zuallererst geht es selbstverständlich
um einen Zahlungsverkehr in nationalen Währungen (worauf Anand in ihrem
Zitat eingeht, indem sie behauptet, dass nach der Einführung eines Mechanismus
des gegenseitigen Zahlungsverkehrs in Rubel und Rupien die Notwendigkeit einer
Verwendung des Dollars wegfällt). "Der Zahlungsausgleich in nationalen
Währungen ist der grundlegende Mechanismus zur Anpassung an die Sanktionen, der
heute gefragt ist", erklärte Iwan Timofejew,
Programmdirektor des Waldai-Klubs, der Zeitung Wsgljad. Grundlegend ist er deshalb, weil er es
ermöglicht, den Dollar als Zahlungsmittel zu umgehen – und damit auch das
US-Finanzministerium, das die Dollar-Transaktionen überwacht.
"Die Handels- und
Wirtschaftsbeziehungen mit den BRICS-Ländern können unabhängig vom Westen sein,
und von der westlichen Finanzinfrastruktur, die vom US-Finanzministerium
kontrolliert wird.
"Erfolgt die Handelsabwicklung in nationalen
Währungen, so entzieht sie sich der Kontrolle der Vereinigten Staaten, und das
US-Finanzministerium kann die entsprechenden Überweisungen nicht
blockieren", erklärte Dmitri Suslow,
stellvertretender Direktor des Zentrums für Europäische und Internationale
Studien der Nationalen Forschungsuniversität HSE, der Zeitung Wsgljad.
Selbstverständlich verhindern diese Maßnahmen einerseits die Umsetzung des
Konzepts einer einheitlichen globalen Handelswährung (deren Existenz den
Prozess des internationalen Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit
stark vereinfacht). Allerdings gibt es in einer Situation, in der diese Währung
von einem einzigen Staat für seine eigenen egoistischen Zwecke kontrolliert
wird, keine andere Möglichkeit.
Des Weiteren tragen die BRICS-Länder dazu bei, dass Russland die Sanktionen
umgehen kann, indem sie weiterhin seine Waren importieren – und diese Importe
trotz des US-Drucks sogar noch steigern. "Die BRICS-Länder sind
tatsächlich äußerst wertvolle Partner für Russland, um die Auswirkungen der
westlichen Sanktionen zu minimieren.
1.weil die BRICS-Länder die Einfuhren russischer Energieträger und anderer russischer Handelsgüter erhöht haben und weiter erhöhen.
2.weil die
BRICS-Länder weiterhin mit russischen Unternehmen der Rüstungsindustrie
zusammenarbeiten und russische Rüstungsprodukte importieren", fährt Suslow fort.
Was die Russen unter der Umgehung der Sanktionen verstehen, ist jedoch nicht so
sehr der Handel in Landeswährung und der Kauf russischer Waren, sondern die
Einrichtung von "Parallelimporten", d. h., vereinfacht gesagt, die
Einfuhr von Technologien und Waren aus dem Westen nach Russland über
Drittländer. Und hier liegt das Problem.
"Einen einheitlichen Standpunkt der BRICS zur Anpassung Russlands an die
Sanktionen gibt es nicht. Alles hängt davon ab, woraus die Zusammenarbeit
besteht und wo sie verlangt wird. Dort, wo das Risiko besteht, auf
US-Sanktionen zu stoßen und westliche Märkte zu verlieren, wird die Kooperation
sehr vorsichtig sein – wenn sie überhaupt stattfindet", sagt Timofejew.
"Sicher, theoretisch könnten die BRICS-Länder einen offenen Verstoß gegen
die westlichen Sanktionen wagen, jedoch werden sie größtenteils versuchen, dies
zu vermeiden. Vor allem die Privatunternehmen werden es versuchen – aus Angst,
von sekundären US-Sanktionen getroffen zu werden und den Zugang zum
US-Binnenmarkt zu verlieren", stimmt Suslow zu.
Die indischen, chinesischen und andere Unternehmen sind nicht bereit, wegen
ihres Handels mit Russland unter den Hammer der westlichen Sanktionen zu
geraten, und die Regierungen dieser Länder sind nicht bereit, ihre Unternehmen
vor diesem Hammer zu schützen.
In der Tat gibt es bereits Präzedenzfälle für die Verteidigung ihrer Handels-
und Wirtschaftsbeziehungen mit Russland gegenüber dem US-Druck.
"Das hat bereits Indien getan –
ungeachtet der US-Sanktionen gegen nahezu alle Unternehmen der russischen
Rüstungsindustrie importiert Neu-Delhi weiterhin russische Waffen und
militärische Technik. Die USA drohen den Indern dabei mit Sanktionen, führen
sie aber nicht ein, weil Indien der wichtigste Partner der USA im pazifischen
Raum ist", sagt Suslow.
"Dennoch ist dies etwas anderes. Denn die eine Sache ist die Verteidigung
des nationalen Rechts auf die Einfuhr russischer Produkte, und die andere das
Recht auf die Wiederausfuhr westlicher Waren und Technologien nach Russland (d.
h. im Grunde zu schmuggeln). Insbesondere in einer Situation, in der die
Bestrafung Russlands für die Vereinigten Staaten eine Frage des Prestiges und
des Prinzips ist", wie Iwan Lisan, Leiter der
Denkfabrik SONAR-2050, gegenüber Wsgljad
treffend feststellt.
Theoretisch gibt es natürlich auch hier die Möglichkeit der Umgehung. "So
gibt es beispielsweise in China Unternehmen, die sich vollständig in
Staatsbesitz befinden, und diese sind nicht von den internationalen Märkten und
den Vereinigten Staaten abhängig. Gerade sie dürften bereit sein, mit Russland
in Bereichen zusammenzuarbeiten, die durch den Westen sanktioniert sind",
sagt Suslow. Das wäre allerdings eher die Ausnahme
als die Regel.
Es gibt noch eine andere Möglichkeit. "Dabei geht es um die Verwendung von
Technologien und Gütern, deren Herstellung keiner Exportkontrolle der USA
unterliegt. Güter, bedingt sie werden von chinesischen Arbeitskräften in China
hergestellt, könnten von den Lizenzanforderungen der USA unabhängig sein",
erklärt Timofejew.
"Durch die BRICS sind wir in der
Lage, die westlichen Sanktionen zu umgehen, aber auch westliche Technologie und
verschiedene Hightech-Produkte zu ersetzen, die uns gerade unzugänglich sind.
So hat der Rückzug von Nokia und Ericsson aus Russland die
Bedeutung der Huawei-Technologie in der
Mobilkommunikation drastisch erhöht. In Indien sind wir an pharmazeutischen
Produkten und Chemikalien mit geringer Tonnage interessiert", sagt Lisan.
"Nicht alles kann aber ersetzt werden. Zum Beispiel verfügt China nicht
über eine Technologie zur Erdgasverflüssigung.
Was kann Südafrika, was kann Brasilien uns an Technologie zur Verfügung
stellen? Zwar gibt es in Brasilien Embraer, das
Unternehmen wurde aber von Boeing aufgekauft, sodass wir kaum etwas von dort
bekommen werden", fährt Lisan fort.
Generell besteht seiner Ansicht nach die Hauptunterstützung durch die
BRICS-Länder im Ersatz westlicher Absatzmärkte und in einer Zusammenarbeit zur
Entwicklung eigener Technologien. Im Rahmen dieses Ziels konzentriert sich
Moskau keineswegs auf der BRICS-Organisation.
Für uns sind Indien und China nicht so sehr von Interesse, weil sie Mitglieder
der BRICS sind, sondern wegen der Größe ihrer Volkswirtschaften und der
strategischen partnerschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen und Russland.
"Wir sind auch an anderen Ländern interessiert – sofern sie bereit sind,
mit uns zusammenzuarbeiten", sagt Timofejew.
Doch hier ist zu beachten, dass Brasilien und Südafrika einen geringen
Handelsumsatz mit uns haben. Die Türkei dagegen, die kein Mitglied der BRICS,
sondern der NATO ist, hat mit uns einen hohen Handelsumsatz. Deshalb ist der
Handel mit der Türkei für uns sehr wichtig. Übrigens gilt das für jeden, der
bereit ist, mit uns zusammenzuarbeiten – und unsere Interessen zu respektieren.
https://pressefreiheit.rtde.tech/meinung/148531-wie-werden-die-brics-russland-helfen-den-westen-zu-besiegen/
9.9.2022
Übersetzt aus dem Russischen.
Geworg Mirsajan
ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der
Regierung der Russischen Föderation. Er ist zudem Politikwissenschaftler und
eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in
Taschkent. Er machte seinen Abschluss an der Staatlichen Universität in Kuban. Promotion in Politikwissenschaft mit Schwerpunkt
Vereinigte Staaten. Mirsajan war von 2005 bis 2016
Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada der Russischen
Akademie der Wissenschaften.