Antikriegsbewegung
Zur Rolle der "Progressiven" in der
Antikriegsbewegung
Die "linken Intellektuellen" des Imperiums
fordern Regime-Change
von Michel Chossudovsky / LUFPOST
In Nordamerika und in Westeuropa ist ein auf Täuschung beruhender sozialer
Aktivismus entstanden, der vom Konzern-Establishment gefördert und kontrolliert
wird. Dieser manipulierte Prozess hat die Bildung einer neuen Massenbewegung
gegen den Krieg, gegen Rassismus und gegen soziale Ungerechtigkeit unmöglich
gemacht. Dass die Antikriegsbewegung tot ist, zeigt sich auch daran, dass
Leute, die sich als "Kriegsgegner" bezeichnen, den Krieg gegen
Syrien für einen "Bürgerkrieg" halten. Für sie ist auch der Krieg
gegen den Jemen ein "Bürgerkrieg". Weil dieses Land vor allem von
Saudi-Arabien bombardiert wird, versuchen US-Kriegsgegner die verdeckte
Beteiligung der USA am Krieg gegen den Jemen zu ignorieren oder
herunterzuspielen. Diese Haltung lässt sich in dem Satz zusammenfassen:
"Weil keine direkte Beteiligung der USA vorliegt, besteht auch keine
Notwendigkeit für eine Kampagne gegen den Krieg im Jemen". Krieg und
Neoliberalismus stehen nicht mehr im Mittelpunkt des zivilgesellschaftlichen
Widerstandes.
Ein von konzerneigenen Stiftungen finanziertes Netz
nichtstaatlicher Organisationen hat den gesellschaftlichen Widerstand
zerstückelt. Die Bewegungen gegen die Globalisierung und gegen den Krieg wurden
gespalten. Die Wirtschaftskrise wird nicht mehr in Zusammenhang
mit den imperialistischen Kriegen der USA gebracht.
Infolgedessen wurde der gemeinsame Widerstand zersplittert. An Teilproblemen
orientierte Protestbewegungen – zum Schutz der Umwelt, gegen die
Globalisierung, für den Frieden, für die Rechte von Frauen, Schwulen, Lesben,
Bi-und Transsexuellen – werden gezielt und großzügig gefördert, um eine
Massenbewegung gegen den globalen Kapitalismus zu verhindern.
Dieses Bewegungsspektrum war bereits bei den Demonstrationen gegen die
G7-Gipfel und gegen die Alternativen Klimagipfel der 1990er Jahre präsent und
hat von Beginn an, also seit dem Jahr 2000, auch das Weltsozialforum dominiert,
das nur ganz selten engagiert gegen den Krieg protestiert hat.
Konzerneigene Stiftungen lassen also durch von ihnen finanzierte NGOs
gesponserte Proteste inszenieren, mit denen eigentlich nur ein einziges Ziel
verfolgt wird: Die westliche Gesellschaft soll gespalten werden, damit die
bestehende Gesellschaftsordnung erhalten bleibt und bestehende militärische
Planungen durchgezogen werden können.
Syrien
Es lohnt sich, die Rolle der so genannten "progressiven
Intellektuellen" zu untersuchen, die sich offen zur Militäragenda der USA
und der NATO bekennen. Diese Haltung ist keineswegs neu.
Teile der Antikriegsbewegung, die noch gegen die Invasion des Iraks im Jahr
2003 opponiert hatten, begrüßen heute Trumps Luftschläge gegen das
"Assad-Regime" in Syrien und werfen Assad vor, "seine eigenen
Leute mit Giftgas zu ersticken". Sie halten Trumps Behauptung, Assad
bringe hilflose Männer, Frauen und Kinder um, für glaubwürdig.
Der bekannte US-Linke Noam Chomsky hat in einem Interview, das er am 5.
April 2017 – zwei Tage vor den von Trump angeordneten Luftangriffen auf Syrien
– der US-Website Democracy Now gegeben hat, einen Regime Change in Syrien
befürwortet und die Meinung vertreten, ein ausgehandelter "Rücktritt"
Baschar al-Assads könne eine diplomatische Lösung (des Syrien-Konflikts)
ermöglichen.
Chomsky äußerte: "Das Assad-Regime ist eine moralische Zumutung. Mit
Unterstützung der Russen begeht es schreckliche Verbrechen." Diesen
schlimmen Vorwurf hat er allerdings nicht durch Quellen oder Nachweise belegt.
Will er damit Trumps Kriegsverbrechen entschuldigen? Dann macht Chomsky auch
noch die Opfer des Imperialismus für die Verbrechen des Imperialismus
verantwortlich:
… Natürlich kann man Assad nicht sagen: "Wir werden Sie zwar ermorden,
aber Sie sollten trotzdem mit uns verhandeln." Darauf wird er sich nicht
einlassen. Aber in Verhandlungen … [mit den Russen] … könnte sein [Baschar
al-Assads] Rücktritt durchgesetzt und eine Verhandlungslösung erreicht werden.
Der Westen wollte das aber nicht, … weil er glaubte, Assad stürzen zu können,
ging der Krieg weiter. Wäre eine Verhandlungslösung möglich gewesen? Das wissen
wir zwar nicht, aber man hätte es versuchen sollen. Inzwischen unterstützen
Katar und Saudi-Arabien dschihadistische Gruppierungen, die sich kaum vom ISIS
unterscheiden. Und in diesem Horrorszenario wird nur die syrische Bevölkerung
dezimiert.
(Das Interview, das Democracy Now am 5. April 2017 mit Chomsky geführt hat,
ist auch unter youtube aufzurufen.)
In einem weiteren Interview (in dem er sich auf eine Äußerung Trumps zu dem
Luftangriff auf Syrien bezieht, in der dieser Syrien mit dem Irak verwechselt
hatte) sagte Noam Chomsky:
Für Trump sind alle Muslime "Turbanträger", egal, aus welchem
Land sie kommen. Es gibt aber einige unanfechtbare Fakten. Dass es einen
Giftgasangriff gegeben hat, wird von niemand angezweifelt. Es ist zwar
wahrscheinlich, dass die syrische Regierung dafür verantwortlich war, trotzdem
bleiben einige Fragen. Warum sollte das Assad-Regime ausgerechnet dann einen
Giftgasangriff durchführen, wenn sein Sieg in diesem Krieg greifbar nahe und
nur noch bedroht ist, wenn sich eine starke Gegenmacht formiert. Warum sollten
die Russen auch noch dieses Verbrechen eines mörderischen, brutalen Regimes
zulassen? Das syrische Flugzeug, das den Giftgasangriff geflogen haben soll,
ist doch von einem Flugplatz gestartet, der von Syrern und Russen gemeinsam
genutzt wird, und Russland hat doch großen Einfluss auf Syrien. Für Russland
ist der Angriff ein großes Desaster, nicht nur für sein Engagement in Syrien,
sondern auch für seine globalen Interessen. Es bleiben also einige
Ungereimtheiten.
(Diese Aussage stammt aus einem Interview, das Chomsky der Website Error! Hyperlink reference not valid. am 26. April 2017 gegeben hat.)
Mit ähnlichen Äußerungen wird auch Tariq Ali, der seit dem Vietnamkrieg zu den
führenden Linken in der britischen Antikriegsbewegung gehört, in den britischen
Medien zitiert. Auch er hat die Ablösung des Präsidenten Baschar al-Assad
verlangt, vertritt also die gleiche Forderung wie die Kriegsfalken in
Washington.
"Er [Assad] muss, … [im Interesse des syrischen Volkes] zurücktreten.
Die überwältigende Mehrheit der Syrer will, dass die Herrschaft der
Assad-Familie endet; Assad und wir alle sollten erkennen, dass das der
Schlüssel zur Beendigung des Syrien-Konfliktes ist. …
Syrien braucht eine Regierung, die nicht von Schiiten dominiert wird und eine
neue Verfassung. ... Wenn sich der Assad-Clan weigert, die Macht in Syrien
aufzugeben, wird früher oder später Schreckliches passieren … Dieser Clan hat
keine Zukunft mehr."
(RT-Interview "Assad must go to save Syria from intervention" vom 15.2.2012)
Tariq Ali, der einer der Sprecher der britischen Stop the War Coalition ist,
vergaß zu erwähnen, dass die USA, die NATO und ihre Verbündeten aktiv an der
Rekrutierung, Ausbildung und Bewaffnung einer ganzen Armee größtenteils
ausländischer Söldner mitwirken, die Syrien mit Terror überzogen hat.
Unter dem "progressiven" Mantel der britischen Antikriegsbewegung
legitimiert Tariq Ali mit seinen unzutreffenden Behauptungen die
"humanitären Militärinterventionen", die der Westen mit der Parole
"Krieg gegen den Terror" und seiner so genannten "Responsibilty
to Protect" (abgekürzt R2P, Verpflichtung zum Schützen) betreibt. Die
Tatsache, dass sowohl Al-Qaida als auch ISIS-Daesh von den USA und der NATO
verdeckt unterstützt werden, erwähnt er nicht.
Auch nach Meinung des britischen Autors William Bowles gehört Tariq Ali zu den
zahlreichen "linken Intellektuellen", die im Auftrag des US-Imperiums
die Friedensbewegung in Nordamerika und Westeuropa desorientieren.
Tariq Ali verkörpert den Widerspruch, in Großbritannien als Sozialist zu
gelten und gleichzeitig alle Privilegien der gut bezahlten intellektuellen
linken Elite des Imperiums zu genießen. Zum Dank dafür empfiehlt er den Syrern,
was sie tun und was sie lassen sollten. Ich kann keinen Unterschied zwischen
der Arroganz des Herrn Ali und der Arroganz der westlichen Imperialisten
erkennen, mit denen er gemeinsame Sache macht – weil auch er fordert: Assad
muss gehen!
Die bestehende Antikriegsbewegung
Warum finanziert der globale Kapitalismus antikapitalistische Bestrebungen? Ist
diese absurde Verbindung nicht ein Widerspruch in sich?
Eine Friedensbewegung, die sich von konzerneigenen Stiftungen finanzieren
lässt, kann nichts bewirken, weil deren Ziel die Lähmung der Friedensbewegung
ist. McGeorge Bundy, der von 1966 bis 1979 Präsident der Ford Foundation war,
hat einmal gesagt: "Die Ford Foundation verfolgt nur ein einziges Ziel:
Sie will die Welt sicher für den Kapitalismus machen." Leider haben viele
"linke Intellektuelle" die Rolle übernommen, "die Welt sicher
für die Kriegstreiber" zu machen.
Die heutige Friedensbewegung stellt die Legitimität derer, gegen die sich ihre
Proteste richten, nicht mehr infrage. Sie lässt zu, dass einige ihrer
"progressiven" Repräsentanten, die von Konzernstiftungen gesponsert
und von den Mainstream-Medien hofiert werden, verhindern, dass sich eine von
der Basis ausgehende, wirklich wirksame und einflussreiche Antikriegsbewegung
bildet, die national und international agiert.
Eine konsequente Antikriegsbewegung muss sich auch mit den angeblich
"progressiven" Wortführern in ihren eigenen Reihen auseinandersetzen,
die in Wirklichkeit die Außenpolitik der USA – einschließlich der
"humanitären Interventionen" unter Schirmherrschaft der USA und der
NATO – unterstützen.
Eine Antikriegsbewegung, die sich von Konzernstiftungen finanzieren lässt, wird
zum Teil des Problems, das sie lösen will. Eine wirksame Antikriegsbewegung
darf sich nicht vor den Karren von Kriegstreibern spannen lassen.
Wie könnte es endlich vorwärts gehen?
Wir brauchen den Aufbau eines dichten Netzes lokaler Friedensinitiativen,
das die Autoritäten und Entscheidungsgremien, die zum Krieg treiben, entlarvt
und anklagt.
Dieses Netz muss alle gesellschaftlichen Schichten, Städte und Dörfer,
Arbeitsstätten und Kirchengemeinden, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände,
Bauernverbände und andere Berufsgenossenschaften, Studentenverbindungen,
Vereinigungen von Kriegsveteranen und religiöse Gruppen in den gemeinsamen
Widerstand gegen die Kriegstreiber einbeziehen. Von entscheidender
Bedeutung ist dabei auch die Einflussnahme auf die Streitkräfte, bei der es
darum geht, die Soldatinnen und Soldaten über die Rechtswidrigkeit aller Kriege
aufzuklären.
Zuerst muss aber eine gemeinsame Kampagne gegen die Kriegspropaganda in den
Mainstream-Medien gestartet werden.
Dabei geht es auch darum, die von den Konzernmedien betriebene Desinformation
durch Boykottmaßnahmen (wie Abo-Kündigungen und Hörer- oder Zuschauerstreiks)
zu unterbinden. Parallel dazu müssen die lokalen Friedensinitiativen ihre
Mitbürger (mit konventionellen Mitteln wie Flugblättern, Infoständen und
Protestveranstaltungen und) über alternative Medien auf heraufziehende
Konflikte und die wachsende Kriegsgefahr aufmerksam machen. Dabei ist zu
beachten, dass in jüngster Zeit auch Online-Medien zum Ziel von Manipulationen
und Zensurmaßnahmen geworden sind, weil Aktivitäten von Kriegsgegnern im
Internet unterbunden werden sollen.
Die Entwicklung einer umfassenden Friedensbewegung, die mit machtvollen
Aktionen die herrschenden politischen Strukturen infrage stellt, ist keine
leichte Aufgabe. Das erfordert Solidarität, Einigkeit und Engagement in einem
Ausmaß, das es in der bisherigen Weltgeschichte noch nicht gegeben hat. Um
gemeinsam handeln zu können, müssen wir in der Weltgesellschaft bestehende
politische und ideologische Barrieren niederreißen. Dann wird es uns auch
gelingen, die Kriegstreiber und Kriegsverbrecher zu entmachten und sie vor ein
Kriegsverbrechertribunal zu bringen.
Erstveröffentlichung der deutschen Übersetzung am 31.01.2018 bei LUFTPOST –
Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion
Kaiserslautern/Ramstein (dort mit zusätzlichen Hinweisen)
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP01418_310118.pdf