Aggressionskrieg in
Deutschland nicht mehr relevant ?
§ 80 StGB "Vorbereitung
eines Angriffskriegs" ist seit 1. Januar
2017 gestrichen
07. Januar 2017 Florian Rötzer
Ersetzt wurde er durch einen Paragrafen im
Völkerstrafgesetzbuch - allerdings mit Veränderungen
Im Netz gibt es Aufregung, nachdem Meldungen umgingen, dass ab 1.
Januar 2017 der § 80 StGB gestrichen wurde, worüber aber kaum berichtet worden
sei. Das war der Paragraf, der die "Vorbereitung eines
Angriffskrieges" unter Strafe stellte.
Das regt, wenn man dies nur oberflächlich zur Kenntnis
nimmt, angesichts der Bestrebungen der deutschen Regierung, mehr militärische
"Verantwortung" übernehmen zu wollen, womöglich zu einem Verdacht an,
dass die Bundesregierung vielleicht den rechtlichen Raum für militärische
Interventionen und etwaige Angriffskriege schaffen will. Im Bayerischen
Rundfunk versuchte man die Gemüter zu beruhigen und die Sachlage
"richtig" zu stellen, mit dem Titel "Verschwörung um § 80 - Halbe Wahrheiten zum 'Angriffskrieg'" goss man allerdings im "Staatsfunk" eher Wasser auf die Mühlen.
Zudem heißt es lediglich, dass "das Delikt nur das Gesetz gewechselt"
habe, auf die damit eingehenden Veränderungen wird aber nicht eingegangen.
Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des
Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll,
vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik
Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit
Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
Der gestrichene § 80 StGB
Der Bundestag hat am 1. Dezember 2016 das
entsprechende Gesetz zur Änderung des Völkerstrafgesetzbuches angenommen -
dagegen stimmte nur die Linksfraktion. Der § 80 wurde nicht ersatzlos
gestrichen, sondern in einer veränderten Form in das seit 2002 im Rahmen des
Beitritts zum Römischen Statut und damit zum Internationalen Strafgerichtshof
seit 2002 in Deutschland geltende Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) als § 13 aufgenommen.
Verbrechen der
Aggression
Das VStGB regelt in Deutschland Straftaten gegen das
Völkerrecht und passt damit das deutsche Strafrecht dem Rom-Statut an. Auf der
Überprüfungskonferenz in Kampala am 10. und 11. Juni 2010 wurde das Verbrechen
der Aggression im Artikel 8, der bislang Kriegsverbrechen umfasste, in das
Römische Statut übernommen. Das Verbrechen der Aggression gleicht dem § 80 StGB
und wird in Artikel "8 bis" aufgeführt:
Im Sinne dieses Statuts bedeutet "Verbrechen der
Aggression" die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer
Angriffshandlung, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine
offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt, durch eine
Person, die tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische
Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.
Noch können Verbrechen der Aggression nicht geahndet
werden. Erst müssen die Vertragsstaaten des Römischen Statuts mit einer
Zweidrittelmehrheit ab 2017 dem zustimmen. Deutschland hat dies 2013 gemacht.
Bislang ratifizierten erst 13 Staaten die
Zusätze zu Artikel 8, zuletzt Palästina, 30 Staaten wären erforderlich. Die
Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeiten des Opt-Out aus der Gerichtsbarkeit
bei diesem Paragrafen, zudem kann die Gerichtsbarkeit bei einem
Nichtmitgliedsstaat nicht ausüben, "wenn das Verbrechen von
Staatsangehörigen des betreffenden Staates oder in dessen Hoheitsgebiet
begangen wurde. Noch einschränkender ist notwendig, dass der UN-Sicherheitsrat
eine Angriffshandlung festgestellt hat. Das heißt nur dann, wenn dies auch den
Interessen der Vetomächten entspricht und diese selbst nicht betrifft.
Deutschland hat das Verbrechen der Aggression
allerdings mit einer besonderen Note übernommen, sieht man einmal davon ab,
dass der § 80 eindeutiger formuliert war und nicht zwischen der Planung und der
tatsächlichen Durchführung unterschieden wurde. Besonders wirkungsvoll war er
aber auch nicht, siehe: Generalbundesanwaltschaft weist Strafanzeigen wegen
Syrien-Einsatz der Bundeswehr ab.
(1) Wer einen Angriffskrieg führt oder eine sonstige
Angriffshandlung begeht, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach
eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt, wird
mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Wer einen Angriffskrieg oder eine sonstige
Angriffshandlung im Sinne des Absatzes 1 plant, vorbereitet oder einleitet,
wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitstrafe nicht unter zehn
Jahren bestraft. Die Tat nach Satz 1 ist nur dann strafbar, wenn
1. der Angriffskrieg geführt oder die sonstige
Angriffshandlung begangen worden ist oder
2. durch sie die Gefahr eines Angriffskrieges oder
einer sonstigen Angriffshandlung für die Bundesrepublik Deutschland
herbeigeführt wird.
(3) Eine Angriffshandlung ist die gegen die
Souveränität, die territoriale Unversehrtheit oder die politische
Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit der Charta der Vereinten
Nationen unvereinbare Anwendung von Waffengewalt durch einen Staat.
(4) Beteiligter einer Tat nach den Absätzen 1 und 2
kann nur sein, wer tatsächlich in der Lage ist, das politische oder
militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.
(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 2 ist die
Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren.
Eindeutiger ist damit geregelt, dass nicht
Untergebene, die Befehlen gehorchen bzw. diese nicht verweigern, bestraft
werden können. Eingeschränkt wurde jedoch die Zuständigkeit im Ausland. Nach §
1 VStGB besteht für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und
Kriegsverbrechen das Weltrechtsprinzip, wonach eine Strafbarkeit nach deutschem
Recht überall besteht, also auch dort, wo es "keinen Bezug zum
Inland" gibt. Anders ist dies für Verbrechen der Aggression, also für die
Ahndung von Angriffskriegen. In § 1 wurde die Formulierung eingebaut: "Für
Taten nach § 13, die im Ausland begangen wurden, gilt dieses Gesetz unabhängig
vom Recht des Tatorts, wenn der Täter Deutscher ist oder die Tat sich gegen die
Bundesrepublik Deutschland richtet."
Strafbar nur bei
Inlandsbezug
Damit sind in Deutschland zwar die Ausführung und
Planung von Angriffskriegen strafbar, aber man vermeidet, gegen Alliierte
vorgehen zu müssen. Der Grund dafür liegt auf der Hand, denn die USA
haben mit wechselnden Koalitionen auch mit EU-Mitgliedsländern zuletzt im Irak
und in Syrien Angriffskriege ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrats und
völkerrechtswidrig durchgeführt. Die Frage ist auch, wie Drohnenangriffe in
Ländern wie Pakistan, Somalia oder dem Jemen zu werten wären. Offen bleibt, ob
sich Deutschland etwa durch Bereitstellung von Stützpunkten im Land strafbar
macht, wenn diese logistisch eine wichtige Rolle zur Versorgung, Kommunikation
und Steuerung spielen (Bundesregierung räumt Wissen über Drohnenkrieg ein). Allerdings hat die Bundesanwaltschaft auch schon Strafanzeigen gegen den
ehemaligen US-Verteidigungsminister Rumsfeld wegen Kriegsverbrechen (Folter in
Abu Ghraib und Guantanamo) eingestellt.
Die Fraktion der Grünen hat der Änderung zwar
zugestimmt, weil Angriffskriege damit unter Strafe gestellt werden, aber
Bedenken angemeldet, weil das Weltrechtsprinzip ausgehebelt wurde, weswegen der
Anwendungsbereich "gegen Null" gehe, sofern Deutschland keinen
Angriffskrieg führt. Die Einschränkung sei auch verfassungsrechtlich
fragwürdig, da dies das Grundgesetz nach Art. 26 Absatz 1 nicht vorsieht:
Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht
vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören,
insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind
verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
GGArt. 26 Absatz 1
Obgleich die in § 13 erfolgte Einschränkung nach
Ansicht der Grünen ein "ungünstiges Signal an die Weltgemeinschaft"
aussende, da sowieso die internationale Verfolgung von Straftaten von vielen
Staaten nicht unterstützt wird, stimmten sie letztlich zu. Die Linksfraktion
begrüßte, dass nun auch Vorbereitungshandlungen zu Angriffskriegen bestraft
werden können, aber sie stimmte gegen die Änderung aus mehreren Gründen.
Geltend gemacht wurden ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken wegen der
Bindung an den Inlandsbezug. Dann geht den Linken die Begrenzung auf hohe
politische und militärische Verantwortliche zu weit. Auch die Heraufsetzung der
Schwelle, wann von Angriffshandlungen gesprochen werden kann, wird kritisiert.